Osteuropa Rumänien wurde zu früh in die EU gelassen

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Korruption und unpopuläre Sparmaßnahmen

Victor Ponta Quelle: REUTERS

Vor allem bei der Bekämpfung der Korruption gibt es noch zu tun. In der Rangliste von Transparency International liegt Rumänien auf Platz 75. Im Kleinen, bei der Erteilung von Reisepässen oder Führerscheinen, gibt es zwar mittlerweile weniger Bestechung und Mauscheleien. Im Großen aber, etwa bei der Vergabe von Bauprojekten, wird schlimmer geschmiert als je zuvor. Hier drehen Rumäniens Oligarchen, die sich mehrheitlich hinter Ministerpräsident Ponta versammeln, das große Rad.

Beobachter in Bukarest sehen es deshalb nicht als Zufall an, dass der Machtkampf zwischen Basescu und Victor Ponta, dem europäische Diplomaten in der rumänischen Hauptstadt einen gewissen Killerinstinkt bescheinigen, just in diesen Wochen ausgebrochen ist. „Demnächst stehen die Korruptionsurteile gegen eine Reihe von Parlamentariern der regierenden sozialliberalen Koalition an“, sagt Public-Policy-Gründerin Nutu.

Den Rumänen sind die Missstände bewusst. 93 Prozent der Bürger halten nach einer Umfrage der EU-Kommission Korruption für ein wichtiges Problem, und nur knapp weniger – 91 Prozent – stufen auch die Mängel im Rechtssystem als solches ein.

Diagramm: Steiler Absturz Quelle: Rumänische Nationalbank

Nachholbedarf hat das Land auch beim Urheberrechtsschutz. Unternehmen aus forschungsintensiven Industrien aus Westeuropa halten sich mit Investitionen zurück, denn Rumäniens Gesetze bieten keinen funktionierenden Patentschutz. Außerdem klagen viele Unternehmen über die schlechte Infrastruktur außerhalb der Hauptstadt. Dazu kommt: „Seit zwei Monaten kümmern sich Politiker nicht um die Wirtschaft, sondern bekämpfen sich gegenseitig“, beobachtet die rumänische Europaabgeordnete und frühere Justizministerin Monica Macovei.

Uni-Abschluss auf Facharbeiter-Niveau

Brigitte Eble lebt seit fast 20 Jahren in Rumänien. Die Deutsche leitet für den Autozulieferer Bosch die Aktivitäten in dem Schwarzmeerland. Zwei neue Fabriken will das Unternehmen in den nächsten Jahren eröffnen. Insgesamt 114 Millionen Euro investiert Bosch und schafft damit 3000 neue Jobs zu den bereits bestehenden 1400 Arbeitsplätzen. Ansiedlungen wie diese subventioniert die rumänische Regierung. „Die Zusammenarbeit mit den Behörden funktioniert“, sagt Eble. Die in Rumänien gefertigten Produkte gehen in die globale Bosch-Lieferkette, im Land bleibt nichts – klassische Lohnveredlung. Ein rumänischer Arbeiter verdient im Schnitt 350 Euro.

Schwierig ist es für Eble allerdings, qualifizierten Nachwuchs für die Fabriken in Rumänien zu finden. Es fehle eine Art duale Ausbildung, klagt die Deutsche. Nach der Wende vor mehr als 20 Jahren hatte die Regierung vor allem das Hochschulwesen ausgebaut und dabei die praktische Ausbildung vernachlässigt. Rumäniens Universitätsabsolventen haben die Qualifikation eines deutschen Facharbeiters. Bosch muss die jungen Leute wegen der Theorielastigkeit trotzdem erst anlernen. „Mehr für die praktische Ausbildung zu sorgen wird hoffentlich auch Ziel der neuen Regierung sein“, sagt Eble.

Renten gekürzt

Zu der schlechten Stimmung im Land haben aber auch die von Basescu unterstützten und vom IWF zu Recht geforderten Reformen beigetragen. Um die Staatsschuld zu reduzieren, entließ die Regierung unter dem früheren Ministerpräsidenten Emil Boc 200 000 Beamte und kürzte die Gehälter der verbleibenden Staatsdiener um 20 Prozent. Die Mehrwertsteuer stieg von 19 auf 24 Prozent, die Renten wurden gekürzt. Ergebnis: 2008 verzeichnete Rumänien noch ein Budgetdefizit von 11,6 Prozent. Ein Jahr später betrug die Lücke 4,3 Prozent.

„Libertate, libertate“, ertönt es vor dem Club 22. Etwa 30 Rentner, einige schwenken die rumänische Flagge, demonstrieren gegen Basescu. Nach der Rentenkürzung hätten sie kaum genug zum Leben, klagen sie. Drinnen auf dem Podium versucht Basescu die Politik zu erklären. „Natürlich waren die Sparmaßnahmen nicht populär“, sagt der Präsident im Wartestand, „aber sie waren nötig, um die Wirtschaftskrise zu überwinden.“ Vielleicht, räumt Basescu ein, hätte er die Einschnitte früher erklären müssen.

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