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Ottes Orderbuch

Der Griechenland-Deal ist desaströs

Max Otte Quelle: dpa Picture-Alliance
Max Otte Ökonom, Professor

Das Rettungspaket für Griechenland ist geschnürt, ein Erfolg ist es aber nicht. Die Oberschicht des Landes wird weiter geschont, die wahren Probleme werden ignoriert. Und auch Deutschland kann nichts retten.

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Griechische Fahne Quelle: dpa

Der Grexit ist abgewendet. Vergangene Woche wurde in einer sechzehnstündigen Nachtsitzung ein neues Rettungspaket für Griechenland geschnürt. Unsere Regierungen feiern dies als Erfolg. Doch ist es dies wirklich? Wem hilft das Rettungspaket wirklich und sind wir und Griechenland damit überhaupt einen Schritt weiter, die Krise wirklich zu lösen?

Die traurige Wahrheit: Es hat sich rein gar nichts geändert. Ich bin nicht der einzige, der an den jetzigen Versprechen Tsipras' und des griechischen Parlaments erhebliche Zweifel hegt.

Irgendwie war der desaströse Griechenland-Deal aber vorhersehbar. Ich habe in vielen Interviews vorher gesagt, was passieren wird: Merkel und der Rest der EU werden sofort einknicken, wenn Griechenland auch nur minimale Zugeständnisse macht, die sich zu Hause verkaufen lassen. Genau das ist geschehen.

An Griechenland hängt mehr als nur der Euro

Eine Regierung, die in Verhandlungen jeglichen Respekt vor den Partnern vermissen ließ, deren Regierungschef die EU gar als „terroristisch“ bezeichnete, bekommt weitere 80 Milliarden Euro. Damit Griechenland nicht sofort pleite ist, überweist die EU eine Soforthilfe im Wert von sieben Milliarden Euro.

Welche Reformen kommen sollen

Was verhandelt wurde: Die Mehrwertsteuer soll reformiert werden, Steuern effizienter eingezogen und Steuervermeidung erschwert werden. Der Begriff Steuerbetrug soll weiter gefasst werden. Die Justiz soll reformiert werden. Es soll aus dem Verkauf von Staatseigentum ein 50-Milliarden-Tilgungsfonds geschaffen werden, von dem ein Teil wieder für Infrastrukturinvestitionen zur Verfügung steht. Nun hat das griechische Parlament zugestimmt. Ich halte dies alles mehr oder weniger für leere Versprechungen.

Zur Person

Patrick Bernau von der FAZ fasst es zusammen: „Ein 25-tägiger Showdown. Sieben Finanzministertreffen. Drei Gipfel. Eine 16-stündige Nachtsitzung. Und jetzt? Ist Europa ganz genauso weit wie vorher. Wer mit dem bisherigen Zustand zufrieden war, darf sich ruhig zurücklehnen. Alle anderen ärgern sich.“

Weder die Soforthilfe noch die folgenden Milliarden werden der griechischen Mittelschicht helfen. Im Gegenteil: Mit den jetzt zugesicherten „Reformen“ schont Tsipras weiter die Oberschicht seines Landes und die Reeder und bedient sich bei der Mittelschicht, die sich nicht wehren kann. Konkrete Reformen, die die Griechen nicht belasten würden und absurde Zustände abschaffen würden, stehen nicht im Papier. Kioske dürfen zum Beispiel kein Brot verkaufen. Freizeitparks dürfen nur in Städten mit mehr als 40.000 Einwohnern eröffnet werden. Zwei Beispiele einer ellenlangen Liste vieler Regelungen eines nicht funktionierenden Staates und einer absurden Klientelpolitik, die Tsipras hätte angehen können. Stattdessen beschimpft er Deutschland und die EU.

"Drittes Programm ist mehr als großzügig"
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Quelle: dpa
Donald Tusk Quelle: dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: dpa
Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel Quelle: dpa
Griechenlands Premierminister Alexis Tsipras Quelle: dpa
Frankreichs Präsident François Hollande Quelle: REUTERS
Markus Kerber, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie Quelle: dpa

Antonia Schäfer von Focus Online kommentiert: „Die grundlegenden Probleme des Landes bleiben unangetastet – und das wird desaströse Folgen haben. Mit dem neuen Abkommen hangelt sich Griechenland erneut von Zahlung zu Zahlung, ohne große Chancen, die Krise hinter sich zu lassen oder seine Schulden je begleichen zu können. Die Konsequenzen sind klar: Der nächste Verhandlungsmarathon in Brüssel kommt bestimmt.“

Rolle Deutschlands

Und Deutschland macht in diesem absurden Spiel weiter mit – und verkauft dies auch noch den eigenen Bürgern als Erfolg – wohl auch, weil Griechenland für den Wirtschaftskrieg der EU gegen Russland gebraucht wird. Obama jedenfalls hatte die deutsche Bundeskanzlerin diesbezüglich mehrfach ins Gebet genommen.

Dolf Sternberger prägte einst den Begriff des „Verfassungspatriotismus“, um das neue Staatsverständnis der Bundesrepublik Deutschland zu beschreiben, dass eben nicht mehr historisch geprägt sein sollte. Aber letztlich sind alle Staaten historische Gebilde. Heute wird die Verfassung nach Belieben gebrochen – wenn es im Interesse der internationalen Staatengemeinschaft ist, wohlgemerkt, nie im Interesse Deutschlands. Was der Verfassungspatriotismus wert war, zeigte sich schon Anfang der neunziger Jahre, als die Bundeswehr entgegen dem Geist der Verfassung ihre ersten Auslandseinsätze unternahm.

Die deutsche Regierung ist dauerhaft handlungsunfähig. Wenn man sie abschaffen würde, hätte das keinen großen Einfluss auf den Verlauf der Dinge.

Max Otte ist Herausgeber des Börsenbriefs "Der Privatinvestor" und berät den Max Otte Vermögensbildungsfonds für Privatanleger (WKN A1J3AM)), der nach seiner Strategie und Methode der Königsanalyse investiert.

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