Panama Papers und die Ukraine Zu Unrecht am Pranger

Lässt der Präsident ein Offshore-Konto eröffnen, während seine Landsleute im Krieg den Kopf hinhalten? Dieser Eindruck treibt einen Keil zwischen Petro Poroschenko und sein Volk. Doch er ist falsch!

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Steht Petro Poroschenko zu Unrecht am Pranger? Quelle: dpa

Als Maidan-Demonstranten die korrupte Elite um Präsident Viktor Janukowitsch aus dem Amt gejagt hatten, waren plötzlich Integrität und Transparenz gefragt in der Ukraine. Petro Poroschenko war einer der ersten, der das verstand. Und dass er im Mai 2014 die Präsidentschaftswahl klar gewann, lag nicht zuletzt an einem noch klareren Versprechen: Im Falle eines Wahlsiegs, sagte er im Januar jenes Jahres der „Deutschen Welle“, werde er seine Schokoladen-Fabrik Roshen verkaufen.

Die Köpfe der Panama-Connection
Emma WatsonIn der Vergangenheit glänzte die britische Schauspielerin Emma Watson in den Harry-Potter-Filmen als charmante und äußerst begabte Hermine Granger. Nun taucht der Name der britischen Schauspielerin in Verbindung mit den „Panama Papers“ auf. Medienberichten zufolge soll sie eine Wohnung über eine Briefkastenfirma gekauft haben. Ihr Sprecher bestätigte gegenüber „The Spectator“, dass Watson eine im Datensatz erwähnte Firma gegründet habe – dabei gehe es allerdings um den Schutz der Privatsphäre, da britische Firmen die Namen ihrer Teilhaber und Anteilseigner veröffentlichen müssten. Finanzielle Vorteile habe sie dadurch nicht gehabt, so der Sprecher. Quelle: AP
Malcolm Turnbull Nach der Veröffentlichung der Rohdaten der „Panama Papers“ werden Vorwürfe gegen Malcolm Turnbull laut. Der amtierende australische Ministerpräsident soll früher Direktor einer Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln gewesen sein, heißt es in den Unterlagen. Turnbull und sein Sprecher wiesen die Vorwürfe zurück – beim bereits bekannten Vorgang seien keine „Unregelmäßigkeiten“ aufgetreten. Quelle: dpa
Sigmundur David GunnlaugssonEr ist der erste, der nach den Enthüllungen der Panama Papers zurück getreten ist. Der isländische Premierminister Sigmundur David Gunnlaugsson soll bis Ende 2009 zusammen mit seiner heutigen Ehefrau eine Briefkastenfirma besessen haben, in der unter anderem Anleihen wichtiger isländischer Banken deponiert waren. Gunnlaugsson hatte vor seinem Rücktritt den Präsidenten Ólafur Ragnar Grímsson um Erlaubnis gebeten, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen. Grímsson wollte die Erlaubnis aber zunächst nicht erteilen, sondern erst mit der Unabhängigkeitspartei sprechen, Gunnlaugssons Regierungspartner. Zuvor hatten Tausende Isländer gegen Gunnlaugsson protestiert. Die Unterlagen sollen Informationen über eine Offshore-Firma auf den Britischen Jungferninseln enthalten, die Gunnlaugssons Frau gehört. Der Politiker wies die Vorwürfe zurück. Quelle: REUTERS
Mauricio MacriDer frisch gewählte argentinische Ministerpräsident ist der Hoffnungsträger des wirtschaftlich angeschlagenen Landes. Doch die Mossack-Dokumente könnten für Mauricio Macri nun zum Stolperstein werden. Eine Stellungnahme hat Macri zu den Vorwürfen nicht abgegeben. Lediglich sein Sprecher Ivan Pavlovsky hat den Vorwürfe widersprochen. Der Präsident hätte an der betrügerischen Offshore-Firma keinen Anteil gehabt. Die Firma verfolge Interessen in Brasilien und hätte eine Verbindung zu den Familiengeschäften. Deshalb sei Macri auch der Direktor der Firma. Schwer vorstellbar, dass Macri als Direktor keine Ahnung über die Machenschaften der Offshore-Firma gehabt habe. Quelle: AP
Petro PoroschenkoSollten die Vorwürfe stimmen, dürfte es auch für Ukraines Ministerpräsident Petro Poroschenko unangenehm werden. Eigentlich wollte sich der Oligarch von seinem Schokoimperium trennen, nachdem er zum Präsidenten des vom Krieg mit Russland zerrütteten Landes geworden ist. Doch die Mossack-Dokumente zeichnen nun ein anderes Bild. Während in der Ostukraine seine Soldaten starben, gründete er laut der „Süddeutschen Zeitung“ in Panama die Briefkastenfirma „Prime Asset Partners Limited“, in die die zyprischen und ukrainischen Firmen von Poroshenkos Roshen-Gruppe überführt wurden. Die Gründung der Briefkastenfirma wurde nicht öffentlich gemacht. Quelle: REUTERS
Bjarni BenediktssonNicht nur der Ministerpräsident Islands ist in die Briefkastenaktivitäten verwickelt. Auch der isländischen Finanzminister steht in den geleakten Dokumenten. Der aus einer der reichsten Familien Islands stammende Politiker hält 33 Prozent an der Briefkastenfirma „Falson & Co.“, die 2005 in den Seychellen gegründet wurde. Auch nachdem er 2009 ins Parlament einzog, meldete Benediktsson die Firma nicht an. Der Minister bestreitet die Vorwürfe. Zum einen soll er nicht gewusst haben, dass die Firma auf den Seychellen registriert war, zum anderen sei die Firma steuerlich gemeldet gewesen. Komplettiert wird das betrügerische Dreigestirn in Island durch die Innenministerin Olöf Nordal, die zusammen mit ihrem Ehemann in Panama die Firma „Dooley Securities“ gegründet hat. In Island ist die Wut auf die Politiker groß. Es finden auf den Straßen bereits erste Proteste statt. Quelle: AP
Ian CameronDer 2010 verstorbene Vater des britischen Premierministers David Cameron (links) ist mit Aktiengeschäften und als Investor zu großem Reichtum gelangt. Die nun veröffentlichten Panama-Papers zeigen nun, dass er es mit der Versteuerung seines Vermögens nicht ganz so genau genommen hat. Ian Cameron soll mithilfe seiner 1999 gegründeten Firma auf den Bahamas Steuern hinterzogen haben. David Cameron hat zu den Vorwürfen gegen seinen Vater keine Stellungnahme abgegeben. Quelle: dpa

Versprochen, gebrochen? Genau dieser Eindruck entsteht, wenn man die „Panama Papers“ oberflächlich liest, die der „Süddeutschen Zeitung“ zugesteckt wurden. Just im August, als ukrainische Truppen in der Schlacht im Osten der Ukraine schwere Niederlagen gegen russische Spezialeinheiten und die pro-russischen Separatisten erlitten, wurde im Steuerhafen der britischen Jungferninseln die Briefkastenfirma Prime Asset Partners eröffnet – mit Petro Poroschenko als Benefiziar in letzter Instanz.

Belügt der Präsident sein Volk? Will er Steuern sparen, während seine Soldaten auf dem Schlachtfeld sterben? Geht es gar um Geldwäsche? In Kiew, wo der Frust ob der Reformresistenz der politischen Elite ohnehin kurz vor dem Siedepunkt steht, treibt der Skandal den Keil noch tiefer zwischen Volk und Machthaber.

Aber der Skandal ist kein Skandal, noch nicht. Nur muss man die Vorgeschichte kennen: Nach seiner Wahl zum Präsidenten übertrug Poroschenko sein drei Milliarden Dollar schweres Schoko-Imperium an einen so genannten „Blind Trust“: Banker des Hauses Rothschild verwalten Roshen seither treuhänderisch nach britischem Recht, offenbar wurden Teile des Konzern zwecks Weiterverkaufs an Prime Asset Partners gereicht.

Das müssen Sie zu den Panama Leaks wissen

Doch Roshen ist in einer schwierigen Lage: Infolge des Konflikts zwischen Kiew und Moskau ist der wichtige russische Markt weggebrochen, die Kaufkraft am Binnenmarkt ist schwach, am EU-Markt ist die Marke nicht etabliert. Darum ließe sich das Unternehmen allenfalls weit unter Wert verkaufen. Und so war auch das Kaufangebot über eine Milliarde Dollar zu bewerten, das der Schweizer Nahrungsmittelriese Nestlé laut „Reuters“ abgegeben hatte.

Aus verständlichen Gründen stellten die Rothschild-Banker den Verkauf zurück. Statt mit einem Milliardenbetrag ausbezahlt zu werden, besteht Poroschenkos Vermögen von geschätzten 1,3 Milliarden Dollar also weiter zum großen Teil aus Buchwerten. Der Präsident ist formaler Eigentümer seiner Unternehmen, operativen Zugriff hat er nicht mehr. Und sicher ist er nicht mehr in jedes Detail der Verkaufsbemühungen eingeweiht.

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