Parlamentswahl: Das Italien-Drama und die wirtschaftlichen Folgen

Seite 2/2

2. Die Zeit des Euro-Hasses ist vorbei, die der Euro-Krise nicht

Die Märkte reagierten in den vergangenen Wochen auch deshalb eher ruhig auf das sich anbahnenden politische Chaos in Italien, weil alle relevanten Parteien Markt-Schocker in ihren Programmen strichen. Forderten zu Beginn des Wahlkampfes noch nahezu alle großen Parteien außer des regierenden Partito Democratico den Ausstieg Italiens aus dem Euro, räumten die Protestler der Cinque Stelle dieses genauso ab wie Berlusconis Forza Italia und die Lega.

Das zeigt: Mit blankem Euro-Hass ist im Jahr 2018 in keinem der großen Euro-Gründungsstaaten mehr politisch etwas zu gewinnen.

Und doch ist der Euro noch immer in der Lage, politische Systeme zu spalten. Man kann das sehr schön am Schicksal des PD begutachten. Der Euro mag nicht mehr gehasst werden, die konkrete Euro-Politik aber schon. Viele Italiener kriegen regelrechte Hassschübe, wenn das Wort Austerität fällt. Unterstellen sie einer Regierungspartei, wie nun dem PD, sich da zu sehr den Wünschen der Nordeuropäer zu beugen, wählen sie sie ab.

Nichts erwies sich in diesem Wahlkampf so derart als Stimmungskiller wie die Forderung, doch die Stabilitätskriterien aus Brüssel irgendwie Ernst zu nehmen. Will Brüssel nicht zulassen, dass der Kontinent demnächst von Euro-Skeptikern regiert wird, muss es darauf reagieren. In Italien wäre eine bessere Vermittlung der Euro-Ziele auch im eigenen Interesse der Nordeuropäer gewesen. Sie sind darauf angewiesen, dass in Italien eine Regierung der finanzpolitischen Vernunft regiert. Das Land ist mit 132 Prozent seines Bruttoinlandsprodukte verschuldet, allein dieses Jahr müssen mehr als 50 Milliarden Euro neu finanziert werden - gelingt das nicht, weil die Märkte einer extremen Regierung misstrauen, kehrt die Krise in die gesamte Euro-Zone zurück.

3.„Ökonomische Vernunft“ ist kein Argument

Der Industrieverband Confindustria hat in einem Strategiepapier drei Ziele definiert und bat die Italiener vor der Wahl, diese bei ihrer Wahlentscheidung zu berücksichtigen: Innerhalb der nächsten fünf Jahre müssten 1,8 Millionen Arbeitsplätze geschaffen werden; das Bruttosozialprodukt sollte jährlich um zwei Prozent wachsen und der Schuldenstand um 20 Prozentpunkte gesenkt werden. Wie? Durch eine effizientere Verwaltung, bessere Bildung und eine investitionsfreundliche Steuergesetzgebung. Die Forderungen waren am ehesten deckungsgleich mit dem Programm des regierenden PD.

Und tatsächlich haben die Sozialdemokratien in den vergangenen Jahren eine ordentliche ökonomische Bilanz vorgelegt: Die Wirtschaft wuchs im vergangenen Jahr um 1,5 Prozent, die Arbeitslosigkeit ging seit 2015 um 1,5 Prozentpunkte zurück. Dennoch belohnten die Wähler ihre Regierung nicht. Der Grund ist recht einfach: Ob desaströse Schulen, stagnierende Einkommen oder inflationierende Job-Befristungen: der Normal-Italiener profitiert nicht von der guten Lage vieler Unternehmern. Oder anders gesagt: Ökonomische Vernunft muss man sich leisten können. Sie fällt leichter, wenn sie sich im eigenen Portemonnaie und nicht nur in dem des Chefs bemerkbar macht.

Das ist keine Polemik sondern der Schlüssel für real erfolgreiche Wirtschaftspolitik: So lange Wirtschaft und Regierung keine Antwort darauf finden, die beides vereint, werden die Wähler nicht so wählen, wie es im Interesse der Wirtschaft wäre. Auch das zeigt dieses Ergebnis.

„Der junge, gefeierte Schriftsteller Giorgio Fontana befand unlängst: „Obwohl Italien einmalige Ressourcen wie die schöne Landschaft, das Klima, kulturellen Reichtum sowie ein erstklassiges Gesundheitssystem hat, tritt es auf der Stelle, weil es ein zynisches, müdes und arrogantes Land ist, das aufgehört hat, lernen zu wollen.“ Man muss diese Düsternis nicht teilen, vermutlich schon aber die Schlussfolgerung: „Vieles, was in Italien passiert, ist vorhersehbar, wird aber ignoriert. Das Problem liegt in der geistigen Verfassung. Und solange die Italiener nicht hinzulernen wollen, liegt ihr Potenzial brach.“ Wenn in den nächsten Wochen nicht ein politisches Wunder besteht, bleibt zu befürchten: Das Thema liegt noch eine Weile brach.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%