Die Sozialisten stehen womöglich vor der Spaltung, die sich bereits während der zweiten Hälfte der Amtszeit von Präsident Hollande ankündigte. Der linke Flügel würde ebenso wie die Politiker der Partei „aufsässiges Frankreich“ nur mit Macron zusammenarbeiten, wenn dieser im Gegenzug Abstriche an seinem Reformprogramm macht. Der sozialdemokratische Teil der Sozialistischen Partei um den ehemaligen Premierminister Manuel Valls und Umweltministerin Ségolène Royal würde sich wohl auf die Seite Macrons schlagen.
Was Macrons Sieg für Europa bedeuten könnte
Wichtig ist der Erfolg Macrons vor allem deswegen, weil sonst Marine Le Pen Staatschefin geworden wäre. Die Rechtspopulistin hatte im Wahlkampf für eine Abkehr Frankreichs von der Europäischen Union und vom Euro geworben. Ein EU-Austritt Frankreichs würde das komplette europäische Einigungsprojekt infrage stellen - vor allem vor dem Hintergrund des bevorstehenden Brexits.
Frankreich ist nach Deutschland das bevölkerungsreichste EU-Land. Zudem wird es nach dem Brexit das einzige EU-Land mit Atomwaffen und ständigem Sitz im UN-Sicherheitsrat sein. Auch die Wirtschaftleistung ist enorm.
Macron will sich für tiefgreifende Reformen der Union einsetzen. Die Eurozone mit 19 Ländern soll einen eigenen Haushalt, ein Parlament und einen Finanzminister bekommen. Zudem spricht er sich für europäische Mindeststandards in Bereichen wie Gesundheitsvorsorge und Arbeitslosenversicherung aus.
Macron sagt: „Ich bin ein Pro-Europäer.“ Er verteidige die europäische Idee und die europäische Politik, weil er glaube, „dass sie sehr wichtig für die französische Bevölkerung und für unser Land in Zeiten der Globalisierung sind.“
Auf absehbare Zeit gering. Vieles, was Macron fordert, wird in der EU schon seit langem diskutiert. Mangels Einigkeit gab es allerdings kaum Fortschritte. In Brüssel wird darauf gehofft, dass sich das nach dem für 2019 vorgesehenen EU-Austritt Großbritanniens ändern könnte. Macron warnt davor, sich zuviel Zeit zu lassen. Wenn in der EU alles beim Alten bleibe, drohe der „Frexit“ (Austritt Frankreichs) oder ein weiteres Erstarken der Front National.
„Ich bin überzeugt, das Emmanuel Macron ein guter Partner für Deutschland sein wird.“ Mit diesen Worten hatte Frankreichs scheidender Präsident François Hollande in der vergangenen Woche auf den möglichen Wahlsieg seines früheren Wirtschaftsministers geblickt. Das dürfte jedoch nicht heißen, dass Macron immer ein leichter Partner sein wird.
Das ist schwer zu sagen. Macron selbst sagt, er sei „weder rechts noch links.“ Im Wahlkampf bekam der frühere Sozialist deswegen sowohl von Unionspolitikern als auch von Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen Unterstützung. Kanzlerin Merkel sagte jüngst mit Blick auf einen möglichen Wahlsieg Macrons: „Sein Erfolg wäre ein positives Signal für die politische Mitte, die wir ja auch hier in Deutschland stark halten wollen.“ Nachdem Merkel ihn im März im Kanzleramt empfangen hatte, sprach Macron von „großer Übereinstimmung“.
Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz stellte schon einmal selbstbewusst fest: Macron als Präsident in Frankreich und „ich als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland“ würden die Reform der EU in Angriff nehmen. Für Schulz etwas misslich ist nur, dass er sich in der ersten Wahlrunde für Benoît Hamon von den französischen Sozialisten stark gemacht hatte. Der Kandidat der SPD-Schwesterpartei PS war dort mit einem deutlich linkeren Programm angetreten als Macron und klar gescheitert.
Abgesehen von der Reform der Euro-Zone vor allem in der Finanz- und Wirtschaftspolitik. Macron ist - wie US-Präsident Donald Trump - ein scharfer Kritiker des deutschen Exportüberschusses. Neulich sagte er: Deutschland müsse zu der Einsicht kommen, „dass seine wirtschaftliche Stärke in der jetzigen Ausprägung nicht tragbar ist“. Deutschland profitiere vom Ungleichgewicht in der Eurozone und erziele sehr hohe Handelsüberschüsse. „Hier muss ein Ausgleich geschaffen werden.“
Der deutsche Exportüberschuss könnte zum Beispiel abgebaut werden, indem die Bundesregierung die Überschüsse im Bundeshaushalt nutzt, um mehr zu investieren, etwa in den Straßenbau. Zudem fordern manche Ökonomen, dass die Löhne in Deutschland stärker steigen müssten, um die Binnennachfrage zu stärken. Die Kaufkraft ließe sich auch über Steuersenkungen erhöhen.
Wie geht es bis zur Parlamentswahl weiter?
Das politische Vakuum zwischen Präsidentschafts- und Parlamentswahl wird vermieden, indem der neu gewählte Präsident einen Übergangspremier und ein Kabinett ernennt. Macron plant, nach seiner für nächsten Sonntag geplanten Amtsübernahme die Namen des Premiers und der Kabinettsmitglieder preis zu geben. Die Hälfte von ihnen soll weiblich sein, wünscht er sich, ein Drittel bisher keine politischen Ämter bekleidet haben. Auch Politiker anderer Parteien sind ihm willkommen - sofern sie sich von ihren bisherigen Parteien lossagen. Lediglich die Zentrumspartei MoDem ist von dieser Bedingung ausgenommen: Sie hatte sich bereits im Wahlkampf mit Macron verbündet.
Der neue Präsident will keine Zeit vergeuden. Bereits vor der Parlamentswahl sollen erste Projekte angestoßen werden. Ein Ethikgesetz soll künftig Skandale wie die Bezahlung von Familienmitgliedern der Parlamentarier aus der Staatskasse unmöglich machen. Darüber war Präsidentschaftskandidat Fillon gestrauchelt. In Problemgebieten sollen Grundschulklassen auf zwölf Schüler beschränkt werden, um deren Chancengleichheit zu fördern. Und auch ein sehr heißes Eisen will Macron gleich in den ersten Wochen anfassen: Die geplante Reform des verkrusteten Arbeitsrechts dürfte ihm einigen Widerstand einbringen.
Frankreich: Was bedeutet Macrons Sieg für uns?
Was wird aus dem FN?
Für Marine Le Pen stimmten am Sonntag zwar 10,6 Millionen Wähler. Das ist ein Rekord. Dennoch blieb die Quote mit 33,9 Prozent weit unter der Mindestzielmarke von 40 Prozent. Das dürfte vor allem an Le Pens desaströsem Auftritt beim TV-Duell gegen Macron wenige Tage vor der Wahl gelegen haben. Insbesondere ihre Unfähigkeit, ein verworrenes Projekt mit dem Franc als Parallelwährung zum Euro darzulegen, dürfte bis zuletzt wankelmütige Wähler abgeschreckt haben. Le Pen kündigte noch am Wahlabend einen Umbau der Partei an, Namensänderung inklusive.
Wie die Transformation genau aussehen wird, ist ungewiss, zumal das Wahlergebnis sie angreifbar macht. Insbesondere die von ihr und ihrem Stellvertreter Florian Philippot gesteuerte „Entdiabolisierung“ und Öffnung der Partei hin zur politischen Mitte wird kritisiert.