Parlamentswahlen im Juni Wie politische Gegner Macron noch schaden können

Frankreichs neu gewählter Präsident Emmanuel Macron hat umfangreiche Reformen angekündigt. Dafür braucht er die Unterstützung des Parlaments. Wovon der Erfolg von Macrons Präsidentschaft abhängt – die wichtigsten Antworten.

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„Frankreich hat ein neues Kapitel aufgeschlagen“
Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron Quelle: REUTERS
Unterlegene Präsidentschaftskandidatin Marine Le Pen Quelle: AP
Wladimir Putin Quelle: AP
Macrons Vorgänger François Hollande Quelle: REUTERS
Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: dpa
Außenminister Sigmar Gabriel Quelle: dpa
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier Quelle: dpa

Der Ort für die Siegesfeier war mit Bedacht gewählt. Nicht links, nicht rechts, nein: Mitten im Zentrum von Paris ließ sich der neu gewählte französische Präsident Emmanuel Macron am Sonntagabend von seinen Anhängern bejubeln. Der Platz vor dem Louvre-Museum sollte seinen Willen unterstreichen, das Land zu einen.

Dass Macron zu den Klängen der Europa-Hymne „Ode an die Freude“ aus dem letzten Satz der neunten Sinfonie Ludwig van Beethovens auf die Bühne kletterte, war ebenfalls kein Zufall: Der 39-Jährige will in den nächsten fünf Jahren beweisen, dass die EU Frankreichs Hoffnung ist und nicht sein Verderben, wie nicht nur viele Wähler der rechtsextremen Kandidatin Marine Le Pen glauben.

Dass Kritiker sofort spitz bemerkten, Macron halte sich wohl für einen Monarchen (weil der Louvre nun einmal Residenz französischer Könige war) oder für einen neuen Pharao (weil Vorgänger François Mitterrand in den Innenhof der Palastanlage eine gläserne Pyramide hatte bauen lassen), zeigt aber auch, wie viel Widerstand ihm bereits in den ersten Stunden nach dem Wahlsieg entgegenschlägt. Für 57 Prozent seiner Wähler ist Macron ein Staatschef „par défaut“ - aus Mangel an Alternativen. Sechs von zehn Franzosen wünschen sich, dass er bei den Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni keine Mehrheit der Abgeordneten hinter sich versammeln kann, um sein Reformprogramm in vollem Umfang durchzusetzen.

Ob Macrons Sieg mit 66,1 Prozent der Stimmen am Sonntag das Fundament für eine erfolgreiche Präsidentschaft ist, hängt also von der Architektur des Parlaments ab, dass die Wähler darauf im Juni bauen. Da liegen verschiedenste Entwürfe auf dem Tisch:

Die präsidiale Mehrheit

In der Vergangenheit barg das französische System für einen neugewählten Staatschef eine relativ komfortable Gewissheit: Die Welle der Zustimmung für die Partei, der er angehörte, trug ihr normalerweise wenige Wochen später auch eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus ein. Der Präsident konnte aus den eigenen Reihen einen Premierminister ernennen, der zusammen mit dem Kabinett sein Programm umsetzte. Die sogenannte Cohabitation, also die Zugehörigkeit von Präsident und Premierminister zu unterschiedlichen Parteien, ist wegen der drohenden Blockaden politisch unerwünscht und war auch der Grund für die Verfassungsänderung aus dem Jahr 2000. Damals wurde die Amtszeit des Präsidenten von sieben auf fünf Jahre verkürzt, damit beide Wahlen fortan im selben Jahr stattfinden konnten.

Von 1986 bis 1988 hatte sich der Sozialist Mitterrand nämlich die Macht mit dem konservativen Premier Jacques Chirac teilen müssen. Nach Mitterands Wiederwahl 1988 löste der Präsident zwar die Nationalversammlung auf, um sich erneut eine eigene Mehrheit zu sichern. Doch fünf Jahre später gewannen erneut die Konservativen. In seinen letzten beiden Amtsjahren musste Mitterrand mit dem bürgerlichen Edouard Balladur als Premierminister zusammenarbeiten. Von 1997 bis 2002 waren die politischen Verhältnisse umgekehrt: Die Macht des konservativen Staatschefs Chirac wurde von dem sozialistischen Premier Lionel Jospin beschnitten.



Warum kann sich Macron keiner eigenen Mehrheit sicher sein?

Die Verfassungsänderung aus dem Jahr 2000 ging von einem System mit zwei mächtigen Parteien aus. Entweder errangen Konservative oder Sozialisten die Macht. Die Verhältnisse haben sich seither jedoch geändert. Es ist nicht nur so, dass mit dem rechtsextremen Front National (FN) eine dritte politische Kraft erstarkt ist, und Kandidaten der Konservativen und Sozialisten es diesmal nicht einmal in die Stichwahl um das höchste Amt im Staat schafften. Macrons Bewegung „En marche!“ ist zudem ein politisches „ovni“, wie die Franzosen Ufos nennen. Erst vor einem Jahr gegründet, ist „En marche!“ in den insgesamt 577 Wahlkreisen überhaupt nicht verankert. Bisher stehen erst 14 EM-Kandidaten fest. Macron hat sich zum Ziel gesetzt, Kandidaten für sämtliche Wahlkreise aufzustellen. Die Hälfte von ihnen soll aus der Zivilgesellschaft stammen. Ob sie es bei den Parlamentswahlen mit den bekannten Platzhirschen aufnehmen können, ist ungewiss. Zumal, siehe oben, eine Mehrheit der Franzosen Macron an die Kandare nehmen will.

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