Die Flüchtlingskrise hat bereits zum langsamen Zerfall der Europäischen Union geführt. Schließlich, am 23. Juni, trug sie zu einem noch größeren Unheil bei: Brexit. Diese beiden Krisen haben fremdenfeindliche, nationalistische Bewegungen auf dem gesamten Kontinent gestärkt.
Sie werden im kommenden Jahr anstreben, eine Reihe wichtiger Wahlen zu gewinnen – unter anderem die Nationalwahlen in Frankreich, den Niederlanden und Deutschland 2017, am 2. Oktober ein Referendum zur Flüchtlingspolitik in Ungarn, am selben Tag eine Wiederholung der österreichischen Präsidentschaftswahl und ein Verfassungsreferendum in Italien im Oktober oder November dieses Jahres.
Statt sich zur Abwehr dieser drohenden Gefahr zusammenzuschließen, wurden die EU-Mitgliedsstaaten zunehmend unwillig, miteinander zu kooperieren. Sie verfolgen eigennützige, gegensinnige Migrationspolitiken, häufig zum Nachteil ihrer Nachbarn. Unter diesen Umständen ist in der nahen Zukunft keine umfassende und kohärente europäische Asylpolitik möglich, trotz der Bemühungen der Europäischen Kommission. Es mangelt am notwendigen Vertrauen für die Zusammenarbeit. Dieses wird in einem langen und arbeitsintensiven Prozess wiederhergestellt werden müssen.
Dies ist bedauerlich, denn eine umfassende Politik sollte für die europäischen Staatschefs die höchste Priorität bleiben; die EU kann ohne sie nicht überleben. Die Flüchtlingskrise ist kein einmaliges Ereignis; als Folge zahlreicher Ursachen wie unter anderem demografischen und wirtschaftlichen Ungleichgewichten zwischen Europa und Afrika, nicht endenden Konflikten in der gößeren Region sowie dem Klimawandel, verheißt sie für die absehbare Zukunft einen Zeitraum erhöhten Migrationsdrucks.
Sogenannte „Beggar-Thy-Neighbor“-Haltungen in der Migrationspolitik, beispielsweise das Errichten von Grenzzäunen, werden nicht nur die EU weiter fragmentieren; sie üben zudem einen erheblich schadhaften Einfluss auf europäische Wirtschaftssysteme aus und untergraben globale Menschenrechtsnormen.
Wie sähe ein umfassender Ansatz aus? Er würde ein garantiertes Ziel von jährlich mindestens 300.000 Flüchtlingen festlegen, die aus dem Mittleren Osten direkt und sicher nach Europa umgesiedelt werden – eine Gesamtzahl, der Länder in anderen Teilen der Welt hoffentlich entsprechen werden. Dieses Ziel sollte groß genug sein, um echte Asylbedürftige zu überzeugen, nicht ihre Leben bei der Überquerung des Mittelmeers zu riskieren, insbesondere wenn das Erreichen Europas auf irregulären Wegen sie davon ausschließt, als rechtmäßige Asylbewerber anerkannt zu werden.
So viel Geld bekommen Flüchtlinge in den europäischen Ländern
800 Euro zahlt das Land im Monat pro Flüchtling. Die Summe muss allerdings versteuert werden.
Quelle: EU-Kommission / Frontex, Stand: 18. September 2015
Die Spanne, die der Inselstaat für einen Asylbewerber zahlt, liegt zwischen 85 und 452 Euro pro Monat.
400 Euro pro Flüchtling / Monat.
352 Euro pro Flüchtling / Monat.
330,30 Euro pro Flüchtling / Monat.
zwischen 85 und 290 Euro pro Flüchtling / Monat.
zwischen 176 und 276 Euro pro Flüchtling / Monat.
232 Euro pro Flüchtling / Monat.
225 Euro pro Flüchtling / Monat.
187 Euro pro Flüchtling / Monat.
177 Euro pro Flüchtling / Monat.
66 Euro pro Flüchtling / Monat.
33,23 Euro pro Flüchtling / Monat.
20 Euro pro Flüchtling / Monat.
18 Euro pro Flüchtling / Monat.
12 Euro pro Flüchtling / Monat.
0 Euro pro Flüchtling / Monat.
Dies könnte für Europa als Ausgangsbasis dienen, um den wichtigsten Flüchtlingsaufnahmeländern außerhalb Europas ausreichende Finanzmittel bereitzustellen und in diesen Ländern Bearbeitungszentren aufzubauen; um einen wirksamen Grenz- und Küstenschutz der EU zu errichten; um gemeinsame Normen für die Abwicklung und Eingliederung von Asylbewerbern und für die Rücksendung jener, die nicht anerkannt werden, zu schaffen; und um die Dublin-III-Verordnung neu zu verhandeln, damit die Asyllast innerhalb der EU gerechter verteilt werden kann.
Die derzeitige fallweise Beantwortung der Krise, die in der Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei zur Eindämmung von Flüchtlingsströmen im östlichen Mittelmeerraum kulminierte, leidet unter vier grundlegenden Mängeln: Erstens ist sie nicht wirklich europäisch; die Vereinbarung mit der Türkei wurde von Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgehandelt und Europa aufgezwungen. Zweitens ist die Gesamtaktion ernsthaft unterfinanziert.
Drittens wurde Griechenland damit de facto zu einer Zwangsunterkunft mit unzulänglichen Einrichtungen. Und zu guter Letzt fehlt die Freiwilligkeit: Es wird versucht, Quoten einzuführen, welche viele Mitgliedsstaaten energisch ablehnen, und von Flüchtlingen wird verlangt, sich in Ländern niederzulassen, in denen sie nicht willkommen sind und in die sie nicht gehen wollen, wohingegen andere, die Europa auf irregulären Wegen erreicht haben, in die Türkei zurückgeschickt werden.
Problematische Vereinbarung mit der Türkei
Die Vereinbarung mit der Türkei war bereits vor dem Staatsstreich am 15. Juli, der Europas Zukunft in noch größere Ungewissheit gestürzt hat, problematisch. Auf der einen Ebene macht die Vereinbarung den Eindruck eines Erfolgs, da die Balkanroute größtenteils blockiert ist und Flüchtlingsströme nach Griechenland auf ein Rinnsal zurückgegangen sind. Doch Flüchtlingsströme sind auf gefährlicheren Mittelmeerrouten aufgewallt. Zur selben Zeit weist gerade die Grundlage der Übereinkunft – dass Asylsuchende auf legale Weise in die Türkei zurückschickt werden können – grundlegende Mängel auf.
Griechische Gerichte und Ausschüsse für Einwanderung und Asyl haben konsequent entscheiden, dass die Türkei kein „sicheres Drittland“ für den Großteil der syrischen Asylsuchenden ist, ein Standpunkt, der nach dem Putschversuch wohl bekräftigt wird. Die kürzlich vorgenommene Umstrukturierung der Berufungsausschüsse für Asylverfahren in Griechenland, mit dem Ziel, diese regierungsfreundlicher zu gestalten, kann vor Gericht angefochten werden, ebenso der Vorschlag der Europäischen Kommission vom 13. Juli, die Entscheidungen nationaler Gerichte außer Kraft zu setzen.
Unterdessen kommt die EU-Türkei-Vereinbarung, die auf der Grundlage errichtet wurde, dass Flüchtlingsrechte gegen finanzielle und politische Begünstigungen gehandelt werden können, nun als Muster zum breiteren Einsatz. Im letzten Monat forderte die Europäische Kommission, Entwicklungsgelder von der Einführung von Migrationskontrollen durch afrikanische Partner abhängig zu machen. Dies verletzt die Werte und Prinzipien, welche die Europäische Union leiten sollten, stellt einen Bruch mit Jahrzehnten der Praxis von Entwicklungsfinanzierung dar und würdigt die Behandlung von sowohl Zuwanderern als auch Flüchtlingen herab.
Die große Übereinkunft mit Ländern in Afrika und anderswo kann nicht einfach sein: Stoppt man die nach Europa kommenden Zuwanderer, darf man nach Belieben alles andere tun. Dieser Ansatz schädigt jeden – moralisch, politisch und wirtschaftlich. Eine wahrhaft große politische Übereinkunft würde sich auf einen Aufbau in Afrika konzentrieren – auf einen echten Aufbau, der über eine Generation hinweg tatsächlich die tieferen Ursachen von Abwanderung anginge, auf die sich so viele Politiker regelmäßig in ihrer Rhetorik berufen und in der Praxis ebenso regelmäßig missachten.
Eine angemessenere Vorgehensweise
Eine wirkungsvolle Alternative zur derzeitigen Vorgehensweise der EU würde sich auf sieben Säulen stützen:
Erstens müssten die EU und der Rest der Welt eine beträchtliche Zahl von Flüchtlingen direkt aus den Frontstaaten aufnehmen, in einer gesicherten, ordnungsgemäßen Weise – welche für die Öffentlichkeit weitaus annehmbarer wäre als die gegenwärtige Unordnung. Wenn die EU eine Verpflichtung einginge, selbst nur 300.000 Flüchtlinge pro Jahr aufzunehmen, – und wenn diese mit vergleichbaren Verpflichtungen anderer Länder der Welt einherginge – würden die meisten wirklichen Asylsuchenden sich ausrechnen, dass die Chancen, ihren Zielort zu erreichen, hoch genug sind, um nicht zu versuchen, Europa auf illegale Weise zu erreichen, da sie dies von einer rechtmäßigen Aufnahme ausschlösse. Würden obendrein die Bedingungen in den Frontstaaten durch größere Hilfeleistungen verbessert, gäbe es keine Flüchtlingskrise. (Das Problem von Wirtschaftsflüchtlingen bestünde weiterhin.)
Die zehn gefährlichsten Konflikte der Welt
In Syrien und im Irak gehört die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu den stärksten Kriegsparteien. Im syrischen Bürgerkrieg bekämpfen sich zudem das Regime und seine Gegner. Iran, die Hisbollah-Miliz und die russischen Luftwaffe sind dort involviert.
Quelle: dpa
Bei den Kämpfen zwischen ukrainischen Regierungseinheiten und prorussischen Separatisten im Unruhegebiet Donbass starben seit April 2014 mehr als 9000 Menschen. Von den 13 im Friedensplan von Minsk vereinbarten Punkten wurde noch keiner vollständig umgesetzt.
Die islamistische Terrorgruppe Boko Haram will in Nigeria und angrenzenden Gebieten der Nachbarländer Kamerun, Tschad und Niger einen „Gottesstaat“ errichten, verübt blutige Anschläge und Angriffe.
Fünf Jahre nach ersten Protesten gegen den später gestürzten und getöteten Diktator Muammar al-Gaddafi ist Libyen ein „failed state“ (gescheiterter Staat) - und ein Rückzugsgebiet für IS-Kader.
Im Südchinesischen Meer streitet sich China gleich mit einer ganzen Reihe seiner Nachbarn um Territorien.
Nordkoreas Raketen- und Atomprogramm wird in der Region, aber auch darüber hinaus, ja weltweit, als Bedrohung angesehen.
Der Konflikt dort flammt wieder voll auf. Die Taliban kontrollierten jetzt so viel Territorium wie seit 2001 nicht mehr. Dutzende Bezirke sind umkämpft, der IS versucht sich auszubreiten.
Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern schwelt schon seit Jahrzehnten. Seit Oktober 2015 gibt es wieder eine neue Serie palästinensischer Anschläge.
Im jemenitischen Bürgerkrieg sind schon mehr als 5800 Menschen gestorben. Die schiitischen Huthi-Rebellen kontrollieren weite Teile im Norden, die regimetreuen Truppen werden von Luftschlägen einer saudisch geführten, sunnitischen Militärkoalition unterstützt.
Die Türkei ist der einzige Nato-Partner, bei dem in Teilen des Landes bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen: In kurdischen Städten im Südosten geht das Militär gegen Kämpfer der PKK vor.
Das führt uns zum zweiten Punkt: Die EU muss das Durcheinander an ihren Grenzen beseitigen. Es gibt wenig, das die Öffentlichkeiten mehr befremdet und verschreckt als Szenen des Chaos.
Fünfzehn Monate nach dem Beginn der akuten Phase der Krise herrscht nach wie vor Durcheinander in Griechenland und im Mittelmeerraum. Über 50.000 Flüchtlinge leben in erbärmlichen Verhältnissen in einer Reihe mangelhaft verwalteter, provisorischer Lager im gesamten Land. Die Öffentlichkeit sieht dies auf ihren Bildschirmen und fragt sich, warum die mächtige Europäische Union unfähig ist, zumindest Basisleistungen für Kinder und Frauen auf der Flucht vor Krieg bereitzustellen. Unterdessen hinterlassen die fortschrittlichsten Seestreitkräfte der Welt den Eindruck der Unfähigkeit, die Menschen zu retten, die das Mittelmeer überqueren; die Zahl der Ertrinkenden ist in diesem Jahr um 50 Prozent gestiegen. Die zynische Erklärung für all dies – dass die EU das Fortbestehen dieser Verhältnisse bewusst zulässt, damit sie einen abschreckenden Nutzen haben – ist gleichermaßen beunruhigend.
Ein umfassender Asylplan ist nötig
Die unmittelbare Abhilfe ist einfach: Griechenland und Italien mit ausreichenden Geldmitteln versorgen, damit sie sich um Asylsuchende kümmern können, Seestreitkräfte beauftragen, Such- und Rettungsmaßnahmen (und nicht „Schutz“ der Grenzen) zu ihrer Priorität zu machen, und das Versprechen einhalten, 60.000 Asylsuchende aus Griechenland in andere EU-Mitgliedsstaaten umzusiedeln.
Drittens muss die EU finanzielle Instrumente entwickeln, die ausreichende Geldmittel für anstehende langfristige Herausforderungen bereitstellen, und nicht von Einzelfall zu Einzelfall hinken. Über die Jahre musste die EU eine stetig wachsende Zahl von Unternehmungen aus einem schrumpfenden Ressourcen-Pool finanzieren. Im Jahr 2014 einigten sich die Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament, den Gesamthaushalt der EU bis 2020 bei dürftigen 1,23 Prozent des BIP ihrer Mitglieder zu deckeln. Das war ein tragischer Fehler. Die EU kann nicht mit einem Budget dieser Größe überleben.
Mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr wird die EU benötigen, um einen umfassenden Asylplan durchführen zu können. Diese Mittel werden sowohl innerhalb der Union benötigt – um effiziente Grenz- und Asylbehörden aufzubauen, um menschenwürdige Empfangsbedingungen, faire Asylverfahren und Eingliederungsmöglichkeiten zu gewährleisten – als auch außerhalb ihrer Grenzen – um Flüchtlingsaufnahmeländer zu unterstützen und die Schaffung von Arbeitsplätzen in Afrika und im Mittleren Osten zu fördern. Allein starke Grenz- und Asylbehörden könnten bereits Kosten in der Größe von 15 Milliarden Euro verursachen.
Bei 30 Milliarden Euro scheint es sich zwar um eine beträchtliche Summe zu handeln, doch sie verblasst freilich gegenüber den politischen, menschlichen und wirtschaftlichen Kosten einer langwierigen Krise. Es besteht beispielsweise eine reale Bedrohung, dass Europas Schengener System der offenen Binnengrenzen zusammenbrechen wird. Die Bertelsmann-Stiftung hat überschlagen, dass ein Aussetzen von Schengen für die EU einen Verlust von jährlich zwischen 47 und 140 Milliarden Euro des BIP bedeuten würde.
Die gegenwärtige Vorgehensweise gründet auf der Neuzuteilung von Kleinstbeträgen aus dem EU-Haushalt und der anschließenden Bitte an die Mitgliedsstaaten, sich an spezialisierten Gesellschaften wie der Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei und dem Treuhandfonds für Syrien zu beteiligen, welche zum Einsatz kamen, um finanzielle Kompensation für die Türkei bzw. zusätzliche EU-Finanzausstattung für internationale Organisationen und Nachbarstaaten als Reaktion auf die Syrienkrise bereitzustellen. Diese können jedoch allenfalls ein temporärer Lösungsweg sein, da sie weder nachhaltig noch groß genug für die Finanzierung von Maßnahmen sind, die an Größe und Umfang zunehmen müssen. Zwar können diese Treuhandfonds in naher Zukunft wirkungsmächtige Instrumente für die Umschichtung von Ressourcen sein und Mitgliedsstaaten ermöglichen, mehr Finanzmittel für ein bestimmtes Vorhaben bereitzustellen, doch verdeutlichen sie auch die grundlegende Unzulänglichkeit des gegenwärtigen Systems – insbesondere dass es bei jedem Schritt vom Wohlwollen der Mitgliedsstaaten abhängig bleibt.
Um auf kurze Sicht die notwendigen Mittel zu beschaffen, wird die EU für etwas eintreten müssen, was ich „Aufschwungsförderung“ nenne. Dies erfordert eine signifikante Schuldenerhöhung, gestützt durch das verhältnismäßig geringe Budget der EU, statt dass Jahr für Jahr unzureichende Mittel zusammengekratzt werden. Heute zeichnet sich die EU dadurch aus, dass sie angesichts der Größe ihres Haushalts einen bemerkenswert niedrigen Schuldenbetrag hat; daher sollte sie dieses Budget investieren, wie es alle souveränen Regierungen der Welt tun. Einen hohen Betrag von vornherein auszugeben wird der EU ermöglichen, effizienter auf mehrere der bedrohlichsten Folgen der Flüchtlingskrise zu reagieren und einige ihrer schlimmsten Auswirkungen zu verhindern. Damit sind unter anderem Ressentiments gegen Einwanderer in den Mitgliedsstaaten gemeint, wodurch Unterstützung für autoritäre politische Kräfte befeuert wurde, aber auch Mutlosigkeit unter jenen, die in Europa Zuflucht suchen, sich nun ausgegrenzt in Aufnahmeländern im Mittleren Osten befinden oder im Transit in Griechenland feststecken.
Große Anfangsinvestitionen im Grenzschutz, in Such- und Rettungseinsätzen, in der Abwicklung von Asylanträgen und in menschenwürdige Flüchtlingsunterkünfte werden die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Dynamiken von Fremdenfeindlichkeit und Entfremdung ablenken, hin zu konstruktiven Ergebnissen, die ebenso den Flüchtlingen wie den Aufnahmeländern zugute kommen. Auf lange Sicht wird dies die Gesamtsummen der Gelder verringern, die Europa auszugeben hat, um die Flüchtlingskrise zu begrenzen und sich von ihr zu erholen. Aus diesem Grund bezeichne ich den Ansatz als „Aufschwung“.
Bündnis der Willigen
Für ihre Finanzierung werden früher oder später neue europäische Steuern erhoben werden müssen. In der Zwischenzeit kann der Bedarf teilweise durch die Mobilisierung von nicht in Anspruch genommenen Kreditlinien bereits bestehender EU-Finanzinstrumente gedeckt werden – der Einrichtung zur Zahlungsbilanzhilfe („Balance-of-Payments Assistance“), des Makrofinanzhilfe-Programms und des Europäischen Finanzstabilitätsmechanismus (EFSM). In diesen Instrumenten sind zusammengenommen mehr als 50 Milliarden Euro nicht in Anspruch genommener Mittel verfügbar. Diese Einrichtungen müssten umgenutzt werden und ihre Mandate erweitert werden, was auf nennenswerten Widerstand stoßen wird, doch diese Zahlen verdeutlichen die ungenutzte finanzielle Kapazität der Europäischen Union.
Auf dem Höhepunkt der Eurokrise konnten Mitgliedsstaaten die politische Entschlossenheit aufbringen, unverzüglich ein Instrumentarium zu schaffen, welches in erheblichem Maß die Finanzkraft der EU vergrößerte. Der EFSM, der dann zum Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) wurde, erhöhte die Kreditaufnahmekapazität der EU auf etwa 500 Milliarden Euro in gerade mal einem Jahr und bewies somit, dass es einen Weg gibt, wenn ein Wille da ist. Doch all diese Instrumente sind mit drei Beschränkungen konfrontiert: Sie sind zumeist zwischenstaatlich und sind auf Garantien der Mitgliedsstaaten angewiesen statt auf den EU-Haushalt, der zu klein bleibt für eine derart hohe Anleihe; sie benötigen einstimmige Ermächtigung durch die Mitgliedsstaaten; und sie sind im Wesentlichen dafür konzipiert, anderen Mitgliedsstaaten Geld zu leihen, weniger um wirkliche Ausgaben im Namen der EU zu motivieren.
Der einzige Weg ist, „Bündnisse der Willigen“ zu bilden, die keine einstimmige Zustimmung erfordern.
Diese Initiativen könnten tiefgreifendere Reformen des EU-Haushalts anregen. Daher fühlte ich mich im vergangenen Jahr sehr ermutigt, als Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eine gesamteuropäische Benzinsteuer vorschlug. Ich war jedoch bald darauf desillusioniert, als er ausdrücklich davor warnte, die weitgehend ungenutzte Kreditfähigkeit der Europäischen Union nutzbar zu machen.
Das bloße Fortbestehen der Europäischen Union steht auf dem Spiel. Es ist der Gipfel der Verantwortungslosigkeit und der Pflichtverletzung, den Zerfall der EU zuzulassen, ohne ihre gesamten finanziellen Ressourcen zu nutzen. Durch die Geschichte hindurch haben Regierungen als Reaktion auf nationale Notlagen Schuldverschreibungen ausgegeben. Wann sollte die Europäische Union ihre weitgehend unausgeschöpfte Kreditfähigkeit nutzen, wenn nicht zu einem Zeitpunkt, an dem sie sich in Lebensgefahr befindet? Dies zu tun hätte zusätzlich den Vorteil eines dringend benötigten wirtschaftlichen Impulses. Angesichts von Zinssätzen auf historischen Tiefständen ist derzeit ein besonders günstiger Zeitpunkt für eine solche Neuverschuldung.
Viertens: Die Krise muss dazu genutzt werden, gemeinsame europäische Mechanismen für den Schutz von Grenzen, die Prüfung von Asylanträgen und die Umsiedelung von Flüchtlingen zu schaffen. Bescheidene Fortschritte sind auf dem Weg: Im vergangenen Monat wurden vom Europäischen Parlament Rechtsvorschriften für den Aufbau der „European Border and Coast Guard“ (EBCG) beschlossen. Doch die Dublin-III-Verordnung – Grundlage für die Festlegung, welcher Staat die Verantwortung für Abwicklung und Aufnahme von Asylsuchenden trägt – verhindert durch die Belastung des Ersteintrittsstaats Solidarität unter EU-Mitgliedsstaaten; über sie muss neu verhandelt werden.
Eine europäische Lösung entsteht derzeit vor Ort in Griechenland, wo das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO) de facto die Asylanträge untersucht, um die überforderten griechischen Behörden zu unterstützen. Ein einheitliches europäisches Asylverfahren würde die Anreize für Asylshopping beseitigen und das Vertrauen unter den Mitgliedsstaaten wieder stärken.
Fünftens: Sobald Flüchtlinge anerkannt sind, muss es einen Mechanisms geben, um sie auf vereinbarte Art und Weise innerhalb Europas umzusiedeln. Für die EU wird es unabdingbar, die Durchführung ihrer totgeborenen Neuansiedlungs- und Umsiedlungsprogramme grundlegend zu überdenken; ein zaghafter Schritt in diese Richtung wurde in der vergangenen Woche durch neue Vorschläge der Europäischen Kommission unternommen. Die Union darf weder Mitgliedsstaaten noch Flüchtlinge zur Teilnahme an diesen Programmen nötigen. Sie müssen auf Freiwilligkeit beruhen; ein übereinstimmendes System könnte Präferenzen sowohl von den Flüchtlingen als auch von den Aufnahmegemeinschaften eruieren, damit Menschen am Ende dort landen, wo sie sein wollen und wo sie willkommen sind. Das EASO hat begonnen, ein übereinstimmendes System zu entwickeln.
Flüchtlingsaufnahmeländer großzügiger unterstützen
Diese Programme sollten tief in Gemeinschaften verankert sein. Bürgermeister in ganz Europa haben eine bemerkenswerte Bereitschaft gezeigt, Flüchtlinge zu empfangen, doch sie wurden von staatlichen Regierungen ausgebremst. Öffentlich-private Förderprogramme – in denen kleine Gruppen von Einzelpersonen, Gemeindeorganisationen und Firmen Neuankömmlinge mit finanziellen und anderen Mitteln beim Aushandeln von Schulen, Arbeitsmärkten und Gemeinschaften unterstützen – könnten vom unerschlossenen guten Willen von Bürgern in ganz Europa profitieren.
Kanada dient als ein gutes Rollenvorbild (wenn sich der geografische Kontext auch von dem Europas unterscheidet), da dort in gerade mal vier Monaten 25.000 syrische Flüchtlinge aufgenommen wurden, die mit Hilfe öffentlich-privater Partnerschaften und NGOs eingegliedert werden. Die Regierung hat versprochen, bis zum Jahresende weitere 10.000 Syrer aufzunehmen, im Jahr 2016 insgesamt 44.000 Flüchtlinge. (Im gleichen Zeitraum werden dort pro Jahr insgesamt 300.000 Einwanderer aufgenommen; für die EU entspräche dies der Aufnahme von jährlich 4,5 Millionen Einwanderern.)
Asylanträge nach Bundesländern 2017
Nirgendwo sonst wurden so vielen Asylanträge gestellt wie in Nordrhein-Westfalen. In der ersten Jahreshälfte 2017 waren es bisher 32.122 Menschen.
Hinweis: Alle Daten beziehen sich auf Erst- und Folgeanträge in den Monaten Januar bis Juni 2017.
Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge / Statista
Stand: August 2017
12.921 Menschen haben in der ersten Hälfte des Jahres 2017 in Bayern einen Asylantrag gestellt.
In Baden-Württemberg wurden 2017 bisher 11.290 Asylanträge gestellt.
In Niedersachsen stellten 10.003 Menschen im Januar bis Juni 2017 einen Antrag auf Asyl.
In Rheinland-Pfalz beantragten 2017 bislang 7.610 Menschen Asyl.
In Hessen stellten in den ersten sechs Monaten 2017 7.508 Bewerber einen Asylantrag.
In Berlin wurden von Januar bis Juni 2017 5.535 Anträge auf Asyl gestellt.
Bis Mitte 2017 stellten 4.205 Menschen einen Asylantrag in Sachsen.
3.346 Asylanträge verzeichnet Schleswig-Holstein für die ersten sechs Monate 2017.
Einen Asylantrag in Sachsen-Anhalt stellten bis Juni 2017 3.304 Menschen.
Asyl in Brandenburg beantragten in der ersten Jahreshälfte 3.162 Menschen.
In Thüringen wurden in den Monaten Januar bis Juni 2017 3.049 Asylanträge gestellt.
In Hamburg stellten bis Ende Juni 2017 2.633 Menschen einen Antrag auf Asyl.
In Mecklenburg-Vorpommern stellten 2.104 Menschen einen Asylantrag (Januar bis juni 2017).
Bis Juni 2017 stellten im Saarland 1.538 Menschen einen Asylantrag.
In Bremen beantragten bis Ende Juni 1.192 Menschen Asyl.
Bei 94 Asylanträgen bis Mitte 2017 ist das Bundesland, in dem der Antrag gestellt wurde, anscheinend unbekannt.
Die Vorgehensweise, mit der Kanada Flüchtlinge neuansiedelt, wurde über einen langen Zeitraum hinweg durch wiederholte Anwendung verbessert und erfüllt sogar die extrem strengen Sicherheitsnormen ihrer südlichen Nachbarn. Die Sicherheitsprüfung syrischer Asylsuchender wurde akribisch von etwa 500 konsularischen und militärischen Vertretern durchgeführt, die unmittelbar mobilisiert wurden, nachdem Premierminister Justin Trudeau im vergangenen November sein Amt bezogen und der Angelegenheit höchste Priorität eingeräumt hatte.
Sowohl die Öffentlichkeit als auch die Medien reagierten positiv, trotz des Schocks der Terroranschläge in Paris und Brüssel, die auf dem Höhepunkt von Kanadas Programm für syrische Flüchtlinge geschahen. Eine entschlossene Federführung von oben, sorgfältige Koordination mit den empfangenden örtlichen Gemeinschaften, solides Verfahren für die Überprüfung und die Neuansiedlung sowie Aufrichtigkeit in der Auseinandersetzung mit unausweichlichen Schwierigkeiten – dies waren die wesentlichen Bausteine des Erfolgs. Vergleicht man das mit den in Europa herrschenden Verhältnissen, so bekommt man eine Vorstellung der Wegstrecke, die die EU vor sich hat.
Sechstens: Die Europäische Union muss gemeinsam mit der internationalen Staatengemeinschaft fremde Flüchtlingsaufnahmeländer weitaus großzügiger unterstützen, als das aktuell der Fall ist. Die benötigte Unterstützung ist zum Teil finanzieller Art, damit Länder wie Jordanien den Flüchtlingen angemessene Schulen, Fortbildung und medizinische Versorgung bieten können, und zum Teil in Form von Handelspräferenzen, damit diese Länder sowohl den Flüchtlingen als auch ihren eigenen Bevölkerungen Arbeitsplätze bieten können. Es ist für Europa schlicht nicht sinnvoll, zwischen 2015 und 2020 mehr als 200 Milliarden Euro aufzubringen, um die Krise an den eigenen Küsten zu bewältigen – dies ist die Summe, die Mitgliedsstaaten für Flüchtlingsaufnahme und -eingliederung auf dem Weg sind aufzuwenden – wenn ein geringer Bruchteil dieser Summe im Ausland investiert den Zustrom der Einwanderer in einem zu bewältigenden Ausmaß halten könnte.
Gleichermaßen muss die EU großzügiger in ihrem Vorgehen gegenüber Afrika sein und nicht lediglich Finanzhilfen im Austausch gegen Einwanderungskontrollen anbieten, wie es die Europäische Kommission im vergangenen Monat vorgeschlagen hat. Dieses Vorgehen ermächtigt afrikanische Regierungschefs ganz einfach, Migration als eine Bedrohung für Europa darzustellen, genauso wie Erdogan es getan hat. Stattdessen muss sie sich auf die reale Förderung in Afrika konzentrieren. Das bedeutet freien Handel, umfangreiche Investitionen und eine Zusage, die Korruption auszumerzen.
Vorteile der Zuwanderung überwiegen die Nachteile
Einige Regierungschefs in Europa haben nach einem Marshall Plan für Afrika gerufen. Ein lobenswertes Ziel; doch wenn es um die Einzelheiten geht, ist Europa weit entfernt von einer solchen Zukunftsvision. Nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Vereinigten Staaten 1,4 Prozent ihres BIP investiert, um Europa wieder aufzubauen – jedes Jahr, vier Jahre lang. Eine Investition in der Größenordnung des originalen Marshall Plans würde für die kommenden vier Jahre in etwa 270 Milliarden Dollar pro Jahr erfordern, eine Zahl, von der wir weit entfernt sind.
Die siebte und letzte Säule ist, dass Europa angesichts seiner älter werdenden Bevölkerung früher oder später ein Umfeld schaffen muss, in dem Vielfalt und wirtschaftliche Migrationsbewegungen willkommen geheißen werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Deutschlands Türen den Flüchtlingen weit geöffnet, doch ihre großzügige Geste war nicht gut durchdacht; sie klammerte den Anziehungseffekt aus. Ein plötzlicher Zustrom von mehr als einer Million Flüchtlinge überwältigte die Kapazitäten der Behörden und kehrte so die öffentliche Meinung gegen die Zuwanderer. Nun muss die EU dringend den generellen Zustrom an Neuankömmlingen beschränken, und das geht nur, indem Wirtschaftsmigranten benachteiligt werden. Dies bleibt hoffentlich eine temporäre Angelegenheit, doch so lange sie andauert, ist sie ebenso unangemessen wie schädlich.
Das Asylpaket II
Die Vorsitzenden der Koalitionsparteien haben mit ihrer Einigung am Donnerstag den Weg für das Asylpaket II freigemacht. Die Inhalte des Gesetzesvorhabens im Überblick (Quelle: Reuters).
Aufnahmezentren: Kern des Pakets sind spezielle Aufnahmezentren, von denen bundesweit drei bis fünf entstehen sollen. Auf diese hatten sich die Parteichefs bereits im November als Kompromiss im Streit um die von der Union geforderten Transitzonen verständigt.
In den Zentren sollen bestimmte Gruppen von Asylbewerbern Schnellverfahren durchlaufen. Dazu gehören Menschen aus sicheren Herkunftsländern, mit Wiedereinreisesperren oder Folgeanträgen. Aber auch Asylsuchende, die keine Bereitschaft zur Mitwirkung zeigen, falsche Angaben zu ihrer Identität gemacht oder Dokumente mutwillig vernichtet haben, sollen darunter fallen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll über ihre Anträge vor Ort innerhalb von einer Woche entscheiden. Inklusive eines möglichen Widerspruchs vor dem Verwaltungsgericht soll das Verfahren innerhalb von drei Wochen beendet sein. Abgelehnte Asylbewerber sollen möglichst direkt aus den Einrichtungen zurückgebracht werden.
Für die Dauer des Verfahrens und gegebenenfalls bis zur Ausreise sind die Personen verpflichtet, sich nur im Bezirk der jeweiligen Ausländerbehörde aufzuhalten. Bei Verstößen riskiert der Asylbewerber, dass sein Verfahren eingestellt wird.
Für Flüchtlinge mit dem geringsten subsidiären Schutz soll der Nachzug von Familienmitgliedern für zwei Jahre ausgesetzt werden. Dabei handelt es sich um Personen, die nicht unmittelbar persönlich verfolgt sind und deshalb weder Schutz als Flüchtling noch nach dem Asylrecht erhalten. Wenn ihnen dennoch im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht, wird ihnen der subsidiäre Schutz zuerkannt.
Die Einschränkung des Familiennachzugs für diesen Personenkreis war zum Schluss der Hauptknackpunkt. Die SPD hatte eigentlich erreichen wollen, dass Syrer von der Regelung ausgenommen werden, was die CSU aber nicht mitmachte. Der Kompromiss sieht nun vor, dass innerhalb künftiger Kontingente von Flüchtlingen, die der Türkei, dem Libanon oder Jordanien abgenommen werden, "der Familiennachzug zu bereits in Deutschland lebenden Flüchtlingen vorrangig berücksichtigt" werden soll.
Erst zum 1. August vergangenen Jahres waren subsidiär Schutzbedürftige beim Familiennachzug anerkannten Flüchtlingen gleichgestellt worden, wodurch sie in der Regel Ehepartner und Kinder nachholen dürfen. Nach Ablauf der zwei Jahre soll diese Rechtslage automatisch wieder in Kraft treten.
Flüchtlinge müssen sich künftig an den Kosten von Sprach- und Integrationskursen mit zehn Euro im Monat beteiligen. Der Betrag wird ihnen von den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz abgezogen.
Generell sollen Abschiebungen erleichtert werden. Die Bundesregierung will dazu die Rahmenbedingungen für ärztliche Atteste präzisieren, mit denen Flüchtlinge ihre Abschiebung verhindern können. Einem Gesetzentwurf von Mitte Januar zufolge sollen grundsätzlich nur lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden, die Rückführung verhindern können. Eine ärztliche Bescheinigung muss künftig bestimmten Kriterien entsprechen, um die Erkrankung glaubhaft zu machen.
In einem weiteren Gesetz soll mehr Rechtssicherheit für Flüchtlinge, die eine Lehre in Deutschland machen und ihre Ausbildungsbetriebe geschaffen werden. Laut Vizekanzler Sigmar Gabriel soll ein Migrant nach der Ausbildung unabhängig von seinem Status zwei Jahre in Deutschland arbeiten können. Das Alter, bis zu dem Flüchtlinge eine Lehre aufnehmen dürfen, werde von 21 auf 25 heraufgesetzt.
Marokko, Tunesien und Algerien sollen per Gesetz zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt werden. Die Asylverfahren für Personen aus diesen Ländern werden dadurch beschleunigt. Die Regelung soll aber nicht ins Asylpaket aufgenommen werden, weil es sonst die Zustimmung des Bundesrats benötigen würde, wo Union und SPD keine eigene Mehrheit haben.
Die Vorteile, die Zuwanderung mit sich bringt, wiegen weitaus schwerer als die Kosten für die Integration der Einwanderer. Hochqualifizierte Wirtschaftsmigranten verbessern die Produktivität, generieren Wachstum und erhöhen die Absorptionsfähigkeit des Empfängerstaats. Unterschiedliche Bevölkerungen bieten unterschiedliche Fertigkeiten, doch die Beiträge rühren ebenso von den Innovationen her, die sie einführen, wie von ihren besonderen Sachkenntnissen – sowohl in ihren Ursprungsländern als auch in ihren Bestimmungsländern. Es gibt eine Fülle an Anekdoten als Beweis dafür, angefangen bei der Mitwirkung der Hugenotten an der ersten industriellen Revolution, da sie sowohl die Weberei als auch das Bankenwesen nach England brachten. Zuwanderer haben ein hohes Potenzial, um für Innovation und Entwicklung zu sorgen, wenn sie hierfür entsprechende Chancen bekommen.
Diese sieben Grundregeln zu verfolgen ist unerlässlich, um öffentliche Ängste zu beruhigen, chaotische Ströme von Asylsuchenden zu verringern, die vollständige Eingliederung von Neuankömmlingen zu gewährleisten, beiderseitig vorteilhafte Beziehungen mit Ländern im Mittleren Osten und in Afrika zu schaffen und um Europas internationale humanitäre Verpflichtungen zu erfüllen.
Fazit
Die Flüchtlingskrise ist nicht die einzige Krise, mit der Europa konfrontiert ist, aber es ist die dringlichste. Und könnten beträchtliche Fortschritte in der Flüchtlingsfrage gemacht werden, so wäre es einfacher, die übrigen Probleme – von der anhaltenden griechischen Schuldenkrise über die Folgen des Brexit bis hin zu den von Russland ausgehenden Herausforderungen – in Angriff zu nehmen. Alle Einzelteile müssen zusammenpassen, und die Erfolgschancen bleiben schmal. Doch so lange es eine Strategie mit Erfolgsaussichten gibt, sollten alle Menschen, denen das Überleben der Europäischen Union am Herzen liegt, sich geschlossen hinter sie stellen.