Plastikmüll EU feiert Plastikverbot – dabei wären andere Schritte viel nötiger

Plastikverbot in der EU: Wie sinnvoll ist das Verbot? Quelle: dpa

Jetzt ist es offiziell: Das EU-Parlament hat beschlossen, Einweg-Plastik deutlich zu reduzieren. Doch das Verbot kann das eigentliche Problem kaum lösen. Hierzu bräuchte es weitreichendere Schritte.

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Es ist einer der letzten Schritte in einem Verfahren, für das sich die Politik schon ausgiebig gefeiert hat und nun noch einmal feiern lässt: An diesem Mittwoch hat das EU-Parlament das Verbot von Einweg-Plastikprodukten beschlossen, für die es geeigneten Ersatz gibt. Die große Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Mittwoch in Straßburg für entsprechende neue Regeln, die vor allem die Meere vor Vermüllung bewahren sollen. Formell müssen nun noch die Mitgliedstaaten die neuen Regeln verabschieden, bevor sie in ab 2021 in Kraft treten.

Dazu gehören unter anderem Plastikteller und -besteck sowie Strohhalme, Luftballonstäbe und Wattestäbchen aus Kunststoff. Auch Behälter und Becher aus aufgeschäumtem Polystyrol sollen verbannt werden, genau wie Produkte aus sogenanntem oxo-abbaubarem Kunststoff, weil das Material in Mikroplastik zerfällt und Umwelt und Gesundheit belasten kann.

Nach dem Votum in Straßburg müssen formell noch die Mitgliedstaaten grünes Licht geben. 2021 soll das Verbot greifen, dann verschwinden viele Produkte aus den Supermarktregalen. Die EU hofft, so den Ausstoß von Kohlendioxid bis 2030 um insgesamt 3,4 Millionen Tonnen zu verringern. Dadurch sollen auch Umweltschäden im Wert von 22 Milliarden Euro vermieden werden.

Alternativen gibt es längst, ob aus Pappe, Holz, Glas oder Bambus. Die sind in der Herstellung nicht immer ökologisch besser als Plastikprodukte, vor allem wenn sie nicht mehrmals verwendet werden. Aber das EU-Verbot ist gemünzt auf das Plastik an den Stränden und in den Meeren. Dort ist es lebensgefährlich für Tiere und landet als Mikroplastik über die Nahrungskette auch auf den Tellern der Menschen. Experten warnen eindrücklich: 2050 könnten mehr Plastikteile als Fische in den Ozeanen schwimmen.

Das Problem dieses Beschlusses liegt allerdings woanders: Um die Plastik-Vermüllung der Ozeane zu verhindern, reicht es nicht, in der EU auf kleine Rührstäbchen im Kaffee, auf Plastik-Wattestäbchen und Luftballon-Halter aus Kunststoff zu verzichten. Bei der UN-Umweltkonferenz in Nairobi wollte unter anderem die Bundesregierung in Verhandlungen über eine UN-Konvention zum Schutz der Meere einsteigen – das hat nicht funktioniert. Enger zusammenarbeiten wollen die Staaten aber. Allen sei klar, dass etwas passieren müsse, hieß es in Nairobi – in vielen Ländern wird Müll kaum gesammelt, geschweige denn recycelt.

Unter Umweltexperten ist der Vorstoß der EU nicht unumstritten. „Will man insgesamt weniger Plastikabfall erreichen, hilft das Verbot von Strohhalmen oder Einweggeschirr wenig“, sagte etwa Henning Wilts, Leiter des Forschungsbereichs Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie der WirtschaftsWoche. „Das sind im Vergleich zu den 26 Millionen Tonnen Plastikabfall insgesamt marginale Mengen.“ Auch Georg Mehlhart, Ressourcen-Experte am Öko-Institut in Freiburg, stellt in Frage, wie relevant das Thema Plastikbesteck überhaupt ist. „Wenn es um die Verschmutzung der Meere geht, gibt es viel größere Probleme.“ Mikroplastik, das auch in Pflegeprodukten enthalten ist, Hauswandfarben oder natürlich Verpackungen.

In der Tat ist Plastikmüll ein globales Problem, der Löwenanteil des Abfalls gelangt Forschern zufolge aus zehn großen Flüssen ins Meer. Aber Industriestaaten wie Deutschland, so sagt es etwa Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD), haben eine Vorbildfunktion und können zeigen, wie Wohlstand und Konsum nachhaltig funktionieren.

von Kristina Antonia Schäfer, Andreas Menn

Und da hat Deutschland noch einiges nachzuholen: 2017 fielen hier knapp 6,15 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle an. Nicht einmal die Hälfte davon wurde werkstofflich recycelt, also in irgendeiner Weise wiederverwertet, gut die Hälfte wurde zur Energiegewinnung verbrannt. Kampagnen für mehr Mehrweg-Flaschen gehen bisher ins Leere, im vergangenen Herbst meldete das Umweltbundesamt einen neuen Tiefstand von 44 Prozent an Mehrweg- und ökologisch vorteilhaften Einwegpackungen wie Getränkekartons und -beuteln.

Es zeigt: Deutschland ist auch meisterlich darin, Plastikmüll zu produzieren. Und längst nicht alles davon kann tatsächlich recycelt werden – oder eben nicht mit Gewinn. Auch deshalb verbrennen deutsche Unternehmen noch heute einen Großteil ihres Mülls. Oder senden ihn nach Asien. So deckten Recherchen der WirtschaftsWoche und Frontal21 erst vor wenigen Wochen auf, dass sich deutsche Plastikabfälle etwa auf illegalen Halden in Malaysia stapeln. In den Statistiken gilt dieser Müll absurderweise als recycelt.

Nichtsdestotrotz treibt das Thema Plastikmüll die Menschen um. Auch die Umweltministerin zeigt sich deswegen aktiv. Sie hat einen Fünf-Punkte-Plan präsentiert und sich mit Herstellern und Handel zusammengesetzt, damit diese – freiwillig – auf fragwürdige Verpackungen wie eine Plastikhülle um Gurken verzichten. Die Zahl der verbrauchten Plastiktüten geht stark zurück, seit der Handel dafür – freiwillig – Geld nimmt.

Das nach viel Gezerre verabschiedete Verpackungsgesetz, das seit Januar in Kraft ist, schraubt Recyclingquoten nach oben und soll dafür sorgen, dass Hersteller auf leichter wiederverwertbare Materialien setzen.

Umweltschützern geht das noch immer nicht weit genug. Sie fordern etwa Mehrweg-Quoten für Getränke, Abgaben auf Einwegflaschen, Steuern auf Plastik, einen Preis auch für dünne Plastiktüten für Obst oder Gemüse, verbindliche Ziele zur Müllvermeidung und schärfere Regeln für den Müllexport, damit deutscher Plastikabfall nicht anderswo in der Landschaft landet.

Dabei ist auch jeder einzelne Verbraucher an der Reihe, sein Konsumverhalten zu hinterfragen. Um Einwegbecher und -besteck an Pommesbuden und Cafés zu vermeiden, könnten Kunden einfach Frischhaltedosen, Thermobecher und Besteck selbst mitbringen. Manche Imbisse denken bereits um und bieten sogar Rabatte an, wenn Kunden eigenes Besteck und Behälter mitbringen. Der Einkauf auf dem Wochenmarkt oder in Unverpackt-Läden erspart die Plastikfolie um Salat, Tomate und Co. Rasier-, Dusch- und Haarseifen vermeiden die Flut an leeren Duschgel- und Shampooflaschen, die alle paar Wochen die Gelbe Tonne verstopfen. Sieben Tipps, was Sie tun können, um die Berge von Plastikmüll endlich schrumpfen zu lassen, lesen Sie hier.

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