Politische Union Deutschland droht der Souveränitätsverlust

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Mit Banken- und Fiskalunion zum neuen Europa

 Mariano Rajoy, Francois Hollande, Mario Monti und Angela Merkel (von links) Quelle: dpa

Dass Europas Politiker so vehement mehr Europa, mehr Integration und mehr Solidarität fordern, ist darauf zurückzuführen, dass die Rettungspakete und Liquiditätsspritzen, mit denen sie die Krise bisher bekämpft haben, verpufft sind. Ihre schmerzstillende Wirkung hielt nur wenige Wochen, dann brach der Krisen-Virus wieder durch.

In ihrer Not ziehen die Regierungen jetzt den letzten Trumpf aus dem Ärmel. Eine politische Union soll der Währungsunion ein Dach geben, das sie vor den Gewittern der Finanzmärkte schützt. Die zentralen Stützpfeiler des neuen Gebäudes: eine Banken- und eine Fiskalunion.

Hinter dem simpel klingenden Begriff Bankenunion verbirgt sich ein weitreichender Umbau des Finanzsystems, über dessen Einzelheiten noch keine Klarheit besteht. Dabei hängt es von den Details der neuen Konstruktion ab, ob sie tatsächlich mehr Stabilität in den Finanzsektor bringt. Denn manche verstehen unter Bankenunion nur eine gemeinsame Aufsicht, andere auch die Haftung der nationalen Einlagensicherungsfonds für die Geldhäuser der Nachbarn.

Noch ist offen, welche Banken auf europäischer Ebene beaufsichtigt werden sollen. Am liebsten hätten die EU-Aufseher Zugriff auf alle Institute. „Es sind nicht immer nur die großen, systemischen Banken, die Probleme hervorrufen“, sagt EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Doch jede Bank und jede Sparkasse einer EU-Aufsicht zu unterstellen ist illusorisch. Beschränkt man sich daher auf die größten Häuser, ist die genaue Zahl entscheidend. „Ob man 30, 50 oder 100 auswählt, ist die Hälfte der Geschichte“, urteilt Guntram Wolff vom Brüsseler Thinktank Bruegel.

National oder auf EU-Ebene entscheiden?
Die deutsche und die europäische Flagge Quelle: dpa
Rentner Quelle: dpa
Die Familie einer Sozialhilfeempfängerin Quelle: dpa
Eine Steuererklärung Quelle: dpa
Die Schulden-Uhr Quelle: dpa
Ein Jobcenter in Madrid Quelle: dpa
Eine Migrantin in einem Deutsch-Kurs Quelle: dpa

Wolff hat gemeinsam mit seinen Kollegen Jean Pisani-Ferry, André Sapir und Nicolas Véron ein 20 Seiten langes Grundsatzpapier zur Bankenunion geschrieben, mit dem sich Beamte der Finanzministerien in Berlin und Paris seit einigen Tagen beschäftigen. Resümee der Bruegel-Experten: Die Bankenunion „muss sehr sorgfältig entworfen werden“.

Beschränkte sich die Aufsicht auf große, systemrelevante Banken, wären Länder wie Frankreich fast komplett erfasst, deren Bankensystem fast nur aus großen Einheiten besteht (siehe Grafik Seite 24). Portugal und Irland wären dagegen nicht betroffen. Das erhöht die Gefahr von Verzerrungen, weil nationale Aufseher anders als die europäischen agieren könnten. Ein weiteres Problem: Großbritannien hat bereits klargestellt, sich nicht an der Bankenunion zu beteiligen. Damit entzöge sich der wichtigste Finanzplatz der EU der gemeinsamen Aufsicht. Europa wäre zweigeteilt.

Organisation einer europäischen Regierung

Voraussetzung für eine Bankenunion wäre zudem, dass alle Banken auf Herz und Nieren geprüft werden. „Man müsste einen richtigen Stresstest abhalten“, sagt Bruegel-Ökonom Wolff. Doch die bisherigen Stresstests haben jedes Mal einen Teil der Wahrheit verschleiert. Und das lange Zögern Spaniens, Hilfe für seine maroden Banken zu beantragen, zeigt, wie die Politik die wahren Zustände im Finanzsektor gerne vertuscht. Auch die Regierung in Zypern erweckt nicht den Eindruck, mit offenen Karten zu spielen.

Völlig unklar bleibt, welche Behörde eine Bank abwickeln dürfte, wenn sie nicht mehr lebensfähig ist. Eine solch elementare Ermächtigung – immerhin geht es um einen massiven Eingriff in Eigentumsrechte – müsste zuvor von den nationalen Parlamenten abgesegnet werden.

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