Portugal Chinesische Investoren erobern Portugal

Im äußersten Westen des Kontinents hat man keine Angst vor Investoren aus Fernost? Das klamme Land braucht Geld - und nimmt auch chinesisches. Darüber vernachlässigt es deutsche Anleger.

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Altstadt von Setubal Quelle: Karin Finkenzeller

Maria das Dores Meira ist glühende Kommunistin, ein Leben lang schon. Meira ist auch Bürgermeisterin von Setúbal, einer Küstenstadt 50 Kilometer südlich von Lissabon und Hochburg der Linken, seit Portugal die Militärdiktatur abschüttelte. Doch für ihre Stadt umarmt sie alle, die Geld bringen. „Wir breiten die Arme aus für alle seriösen Investoren, die hier Arbeitsplätze schaffen“, sagt die resolute Frau, entsprechend pragmatisch regiert sie im Alltag. Während ihre Parteigenossen in der Nähe des Rathausgebäudes Plakate kleben, auf denen sie ein „Ende der Unterwerfung“ unter die EU fordern, umgarnt Meira derzeit hauptamtlich Großanleger – am liebsten die aus China.

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Die Bürgermeisterin hat sich genau ausgerechnet, wo die potenten Gäste investieren sollen: An der verschlafenen Uferpromonade der Stadt, wo derzeit nur ein paar Hobbyfischer ihre Ruten ins Wasser halten, sollen bald zwei große Hotels stehen, daneben Luxusvillen und ein Yachthafen. David Chow, Chef eines Spielcasino-Imperiums aus der chinesischen Zockermetropole Macau, wolle 250 Millionen Euro investieren, berichtet Meira stolz. „Bislang haben wir vom Tourismus wenig abbekommen“, sagt sie, das solle sich schleunigst ändern. „Wir brauchen auch einen Hafen für Kreuzfahrtschiffe. Wenn die Investoren aus Macau erst einmal hier sind, werden andere folgen.“

Dass der Investor aus China kommt – einem Land, das für seine aggressiven Geschäftspraktiken bekannt ist –, stört Meira nicht und auch sonst niemanden. Denn daran sind die Portugiesen längst gewöhnt.

Obwohl das Land mit gut zehn Millionen Einwohnern mit Baden-Württemberg vergleichbar ist, investierten chinesische Geldgeber hier zwischen 2010 und 2015 ähnlich hohe Summen wie in ganz Deutschland: 6,6 Milliarden Euro im Energiesektor, bei Versicherungen und in Immobilien. Anders als in Deutschland regt sich nicht einmal Widerstand, wenn ein chinesisches Konglomerat wie Fosun 16,7 Prozent der größten Privatbank des Landes übernehmen will.

Im Gegenteil: „Setúbal kommt so auf die Landkarte des Tourismus, das kann uns doch nur guttun“, meint ein Hotelier, der sein Haus unweit des geplanten Macau-Großprojekts eröffnet hat. „Alles hier wird schöner werden“, sagen auch die Fischer an der Uferpromenade. Dass das geplante Areal für nicht zahlende Gäste gesperrt sein wird, wollen sie einfach nicht glauben.

Dabei wäre Skepsis generell angebracht. Schon jetzt haben mehrere Tausend Chinesen Häuser und Wohnungen im Land gekauft, die meist leer stehen. Sie taten dies jedoch weniger aus Interesse am Immobilienmarkt, sondern um Visa des Landes zu erlangen. Die konservative Vorgängerregierung verlieh diese nämlich an Nichteuropäer, die in Portugal mindestens 500.000 Euro investieren. Dass Chinesen, wie vom Macau-Investor erwartet, in noch teurere portugiesische Luxusvillen investieren wollen? Eher unwahrscheinlich.

Sprungbrett für Europa

Aber das chinesische Angebot klingt einfach zu verlockend, denn Portugal braucht dringend Geld. Die Staatsverschuldung beträgt mehr als 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das Land – 2011 Empfänger eines Rettungspaketes in Höhe von 78 Milliarden Euro – finanziert sich zwar wieder aus eigener Kraft an den Finanzmärkten. Doch im Sommer entkam es nur knapp einem Defizitverfahren der EU-Kommission. Die Wirtschaft soll dieses Jahr nur mit nur einem schlappen Prozent wachsen.

von Silke Wettach, Karin Finkenzeller

Deutschland? Muss nicht sein.

Sorge bereitet Unternehmern zudem die Aussicht, dass nach den großen Ratingagenturen S&P, Moody’s und Fitch auch die kleine kanadische Agentur DBRS portugiesische Staatsanleihen zu „Ramsch“ erklären könnte. Dann wären Portugal-Bonds für das Anleihe-Programm der EZB tabu, die Risikoaufschläge würden in die Höhe schnellen. Im Oktober entschied sich DBRS vorerst gegen diesen Schritt. Doch in sechs Monaten muss Portugal wieder die Luft anhalten.

Deshalb schmeichelte Regierungschef António Costa gerade chinesischen Unternehmern in Peking: „Ihre Investitionen sind ein Signal des Vertrauens für Portugal.“ Deutsche Unternehmen, als Direktinvestoren in Portugal immer noch bedeutender als die Chinesen, fühlen sich inzwischen vernachlässigt. Mit Kanzlerin Angela Merkel habe sich Costa länger nicht getroffen, bedauert Markus Kemper, Präsident der Deutsch-Portugiesischen Handelskammer. Auch Wirtschaftsminister Manuel Caldeira Cabral war zum größten europäischen Kongress für Logistikexperten als Redner geladen – und sagte kurzfristig ab.

„Es gibt derzeit kein Land, das ein so großes Investmentpotenzial hat“, begründet Bürgermeisterin Meira die Vorzugsbehandlung der Volksrepublik. Premier Costa will unterdessen die Visapolitik für nichteuropäische Investoren sogar noch ausweiten.

Die chinesischen Geldgeber wissen, was sie daran haben. Nach Einschätzung der portugiesischen Handelskammer nutzen die Chinesen Portugal als Sprungbrett für weitere Geschäftsaktivitäten in anderen europäischen Ländern. Auch in Deutschland.

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