Präsidentschaftswahl in Frankreich Wohin Macron mit „En marche“ marschieren will

Macron gibt die Marschroute vor: Gewinnt der parteiunabhängige Kandidat die Präsidentschaftswahl im Mai, steht Frankreich laut Programm eine „radikale Transformation“ bevor. Die Richtung: „Weder links noch rechts“.

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Macron will bei der Präsidentschaftswahl mit einem europafreundlichen Programm antreten. Damit will er der Rechtspopulistin Le Pen Paroli bieten. Quelle: REUTERS

Von „Reformen“ will Emmanuel Macron nicht sprechen, von einem „Programm“ für die französische Präsidentschaftswahl im Mai ebenfalls nicht. Vielmehr sei das, was er am Donnerstag auf einer Pressekonferenz in Paris präsentierte, ein „Projekt“ – und zwar eines, das sich weder dem linken noch dem rechten politischen Spektrum zuordnen ließe, so Macron in seiner Rede.

Über Wochen stand der parteiunabhängige Kandidat in der Kritik, weil er klare Aussagen zu seinen politischen Vorhaben mied. Das änderte sich erst vergangenen Freitag, als der Wirtschaftsberater von Macrons Bewegung „En marche“, Jean Pisani-Ferry, zusammen mit weiteren Experten einen Drei-Punkte-Plan für die französische Wirtschaft vorgelegte. Der war vor allem ein Sparprogramm. Nun konkretisiert Macron seine Vision.

Sechs Baustellen, auf Französisch „chantiers“, hat der 39-Jährige identifiziert, die er im Fall eines Wahlsiegs bearbeiten will: Chancengleichheit in der Bildung, eine Vereinfachung der Arbeitslosenversicherung, die Modernisierung der französischen Wirtschaft, die Wiederherstellung der inneren Sicherheit, eine Erneuerung der Demokratie sowie eine auf Sicherheit und Klimaschutz ausgerichtete Außenpolitik.

Der Kandidat verspricht seinen Wählern einen Spagat: „Jeder wird fragen, ob es ein linkes oder rechtes Programm ist“, so Macron. Er aber wolle einen Plan, der Frankreich ins 21. Jahrhundert führt: „Es ist wichtig, dass wir bestimmte Bereiche unserer Wirtschaft liberalisieren. Aber gleichzeitig ist es auch wichtig, allen Menschen ausreichenden Schutz zu gewähren.“ Seine Vorstellung sei „eine Gesellschaft frei von Blockaden, die alle schützt“.

Frankreichs Präsident - das mächtigste Staatsoberhaupt

Eine dieser Blockaden ist in Macrons Augen das französische System der Alterssicherung. Dort wird derzeit unterschieden zwischen Arbeitnehmern in der Privatwirtschaft, im öffentlichen Sektor, zwischen Freiberuflern, Künstlern, Händlern und Landwirten. Vor allem zwischen Privat- und öffentlichem Sektor gibt es dabei große Unterschiede: Staatsbedienstete werden deutlich bevorzugt, wenn es um das Renteneintrittsalter und die Höhe der Bezüge geht. Macron will die beiden Sphären angleichen. Die Reform soll kostenneutral gestaltet werden. Das gesetzliche Renteneintrittsalter von 62 Jahren will er dabei nicht antasten – vor allem dieser Punkt ließ vergangene Diskussionen über eine französische Rentenreform meist in landesweiten Streiks enden.

Staatsanteile reduzieren

Außerdem müsse der französische Staat seine Anteile an Privatunternehmen reduzieren, forderte Macron. Dabei geht es ihm vor allem um Konzerne, an denen der Staat nicht die Mehrheit hält. Der Erlös aus den Verkäufen soll in einen „Fonds für Industrie und Innovation“ fließen, aus dem künftige Projekte finanziert werden können. Zugleich will Macron die Unternehmenssteuer von 33,3 auf 25 Prozent senken. Die Arbeitslosenquote könne bis 2022 von derzeit rund zehn auf sieben Prozent verringert werden, so der ehemalige Banker. Arbeitgeber, die zu häufig befristete Verträge ausstellen, sollen bestraft werden.

Der Revolutionär aus der Investmentbank
Emmanuel Macron zögerte lange, ehe er seine Präsidentschaftskandidatur verkündete. Quelle: REUTERS
Der amtierende französische Präsident Emmanuel Macron war zuvor bereits Wirtschaftsminister und Investmentbanker bei Rothschild & Cie. Quelle: AP
Wie andere Kandidaten für das höchste Staatsamt kritisierte auch Emmanuel Macron im Wahlkampf lautstark die politischen Eliten Quelle: dpa
Der ehemalige sozialistische Staatspräsident François Hollande und Emmanuel Macron vor dem Elysee-Palast. Quelle: REUTERS
Im Kabinett galt Emmanuel Macron als einer der beliebtesten Politiker, trat im August 2016 allerdings als Minister zurück. Quelle: REUTERS
Seit 2007 ist Emmanuel Macron mit seiner Frau Brigitte verheiratet. Quelle: REUTERS
Am 14. Mai 2017 wurde Emmanuel Macron ins Amt eingeführt. Quelle: REUTERS

Schon am Freitag erklärte Macrons Wirtschaftsberater Pisani-Ferry, dass geplante Einsparungen von 60 Milliarden Euro in fünf Jahren auch drastische Stellenstreichungen im öffentlichen Dienst bedeuteten. So sollen rund 120.000 öffentliche Stellen nicht mehr besetzt werden, wenn die jeweiligen Beamten in Pension gehen.

Macrons konservativer Konkurrent François Fillon (Les Républicains), der sich derzeit Korruptionsvorwürfen stellen muss, geht sogar einen Schritt weiter: Er will 500.000 Beamtenstellen einsparen und so die Staatsausgaben um ganze 100 Milliarden Euro drücken.

Mehr Polizisten, weniger Abgeordnete

In europäischen Fragen positioniert sich Macron klar aufseiten der EU. Zusammen mit Deutschland wolle er das Wachstum in der europäischen Währungsgemeinschaft ankurbeln: „Das deutsch-französische Paar ist der Motor der Eurozone. Ich will die Glaubwürdigkeit der Franzosen bei den Deutschen wiederherstellen.“

Die Zusammenarbeit der EU-Staaten vor allem in der Verteidigungs- und Energiepolitik soll intensiviert werden. Damit setzt sich der Parteilose vor allem von der Front-National-Chefin Marine Le Pen ab, die einen EU-Austritt Frankreichs anstrebt und damit in den Umfragen vorne liegt (laut Opinionway-Umfrage derzeit bei 25 Prozent – für den Fall einer Stichwahl gilt jedoch ihr jeweiliger Herausforderer als Favorit).

Ebenfalls ein Signal pro Europa: Ein „Buy European“-Gesetz soll jene Unternehmen von öffentlichen Ausschreibungen in Frankreich ausschließen, die nicht mindestens die Hälfte ihrer Geschäfte in Europa abwickeln. In Zeiten, in denen sich selbst die USA vom Freihandel abwenden, klingt das zeitgemäß – wenngleich eine solche Regelung künftige Freihandelsabkommen der EU deutlich erschweren könnte.

Dem Parlament will der ehemalige Investmentbanker eine Schlankheitskur verordnen: Beide Kammern, die Nationalversammlung und der Senat, sollen um ein Drittel verkleinert werden. Derzeit sitzen dort 577 beziehungsweise 348 Abgeordnete. Erhöhen will Macron dagegen die Zahl der Polizisten – ein Beitrag zur Inneren Sicherheit, die zudem mit der Gründung einer landesweiten Anti-Terror-Einheit verbessert werden soll.

Das Kalkül von Macrons Rechts-Links-Mitte-Strategie scheint aufzugehen: Während die wirtschaftsliberale und gesellschaftskonservative Tageszeitung „Le Figaro“ bei dem Versuch, die Renten- und Arbeitslosenversicherung zu verallgemeinern, „Egalitarismus“ wittert, beklagen einige Twitter-User den vermeintlichen Rechtskurs Macrons. Damit spielen sie auf dessen Pläne an, Staatsanteile an Firmen zu veräußern und die Unternehmenssteuer zu senken – beides Reizthemen unter Macrons linken Anhängern.

Sowohl „Le Figaro“ als auch die Finanzzeitung „Les Échos“ werfen Macron außerdem vor, in Prognosen zu optimistisch zu kalkulieren – so seien etwa Macrons Vorschläge einer Steuerreform nicht geeignet, um das französische Wachstum ausreichend anzukurbeln.

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