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Präsidentschaftswahl Sarkozy verpatzt das entscheidende TV-Duell

Das war nichts. Nicolas Sarkozy hat das TV-Duell im französischen Präsidentschaftswahlkampf gegen seinen Herausforderer François Hollande wohl verloren. Und Sarkozy läuft die Zeit davon.

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Francois Hollande (l.) punktet gegen den amtierenden Präsidenten Nicolas Sarkozy (r.) Quelle: REUTERS

Paris Am Ende wirkte der Staatschef fahrig und müde. Die Körpersprache nach dem drei Stunden dauernden Marathon sagte alles: Hollande saß kerzengerade in seinem Stuhl, Sarkozy wackelte mal mit hochgezogenen Schultern, mal in sich zusammengesunken hin und her.

Die von Millionen Franzosen mit Spannung erwartete Debatte zwischen Sarkozy und Hollande brachte im Stil und Ablauf eine große Überraschung: Nicht der als schwer zu schlagende Debattierer gefürchtete Nicolas Sarkozy beherrschte das Feld, sondern sein Herausforderer, der so souverän und kompetent auftrat, wie man ihn bislang noch nicht erlebt hatte.

Beobachter zeigten sich von der Heftigkeit des Schlagabtauschs überrascht. Gael Sliman vom Umfrageinstitut BVA sagte, zuletzt habe es 1988 zwischen dem Sozialisten François Mitterand und dem Konservativen Jacques Chirac eine derart harte Diskussion gegeben. In der Debatte, während der sich die beiden Kontrahenten oft kaum gegenseitig zu Wort kommen ließen, hatte Sarkozy Hollande wiederholt als "arrogant" und als "Lügner" bezeichnet.

Allerdings habe Hollande nur einen Fehler vermeiden müssen, um seine Stellung als Favoriten zu wahren, sagte der Politikwissenschaftler Emmanuel Rivière vom Umfrageinstitut TNS-Sofres. Dies habe Hollande, der in den Umfragen zuletzt mit deutlichem Vorsprung vor Sarkozy lag, nach einiger Zeit verstanden und sich entspannt. Sarkozy sei es in der Debatte, in der die beiden Politiker neben politischen Argumenten auch persönliche Angriffe austauschten, nicht gelungen, Hollande entscheidend zu treffen.

Frankreichs Präsident - das mächtigste Staatsoberhaupt

Der Ablauf hat viel mit der Ausgangslage zu tun: Sarkozy liegt in den Umfragen zurück, er musste Hollande bei dieser wohl letzten Gelegenheit eine entscheidende Niederlage zufügen. Das ist ihm zweifellos nicht gelungen. Der Herausforderer wirkte von Anfang an entspannter und sicherer als der Amtsinhaber. Sarkozy fand nicht den richtigen Stil. Er war zu aggressiv für einen Staatsmann, konnte aber andererseits Hollande, den Favoriten aller Umfragen, nicht in Verlegenheit bringen.

In der Wirtschafts- und Finanzpoltik führte Hollande ihn vor, Sarkozys schwache Bilanz nahm er auseinander. In der Europa- und Außenpolitik wie beim Thema Energie trat Hollande überlegter, gefasster auf. Der Amtsinhaber, der von Anfang an hibbelig und angespannt wirkte, bekam nur bei einem Thema wirklich Oberwasser: als es um die Behandlung illegaler Zwanderer ging.

Schon zu Beginn der Debatte passierte etwas Ungewöhnliches: Sarkozy, der sonst sehr faktensicher ist, vergaloppierte sich. "Seit 2009 ist kein Land der Welt, äh kein Land der OECD stärker gewachsen als Frankreich." Hollande korrigierte ihn: "Doch, die USA und Deutschland."

Sarkozy wich daraufhin aus: "Ich bin sehr zufrieden damit, dass wir seit 2009 kein Quartal erlebt haben, in dem die Wirtschafts geschrumpfen ist." Darüber amüsiert sich Hollande: "Was so außerordentlich ist mit Ihnen: Egal, was passiert, Sie sind immer zufrieden." Sarkozy bemerkte seinen Fehler und gab viel zu bärbeißig zurück: "Das ist eine Lüge, dass ich immer zufrieden sei." Arbeitslosigkeit, Wachstum, Kaufkraft: Die Runde ging an Hollande.

Der Präsident, der nicht stillstehen konnte
Wie kaum ein anderer Präsident vor ihm ist der französische Staatschef Nicolas Sarkozy bei seinem Amtsantritt durchgestartet: Sein Reformeifer und sein Vorpreschen auf internationaler Bühne sorgten für ebenso viel Wirbel wie sein Privatleben. Auch nach fünf Jahren im Elysée-Palast ist der 57-Jährige immer noch für Überraschungen gut. Quelle: Reuters
Direkt nach seinem Amtsantritt im Mai 2007 legte Sarkozy erst einmal einen symbolträchtigen Kurzurlaub ein: Auf einer Yacht schipperte er samt Familie im Mittelmeer, den Luxustrip bezahlte ein reicher Geschäftsmann. Der Vorwurf, er sei Freund und Günstling der Reichen, haftet ihm auch deshalb an. Quelle: dapd
Mit seinem Reformeifer brachte Sarkozy die Republik dann zum Stöhnen: In den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit peitschte der wegen seines Aktionismus' „Hyper-Präsident“ genannte Sarkozy ein ganzes Bündel von Maßnahmen durch: Milliardenschwere Steuererleichterungen, Zuzahlungen im Gesundheitswesen, Aushöhlung der 35-Stunden-Woche und die Beendigung der Frührente bei Staatskonzernen. Proteste der Gewerkschaften beeindruckten ihn nicht. Quelle: Reuters
Dann aber beherrschte erneut Sarkozys Privatleben die Schlagzeilen. Dem Rummel um die Scheidung von Gattin Cécilia folgte schon wenige Wochen später das medienwirksame Turteln mit Ex-Model Carla Bruni - und Anfang 2008 die Heirat. Selbst Mitglieder der konservativen Regierungsmehrheit waren pikiert und fürchteten, die Sängerin werde als neue First Lady die Wähler verschrecken. Quelle: dpa
Angesichts sinkender Umfragewerte stürzte sich Sarkozy im Jahr 2008 in seine EU-Präsidentschaft. Zu dieser Zeit hatten die Beziehungen zu Deutschland wegen seiner Dauer-Aktivitäten schon kräftig gelitten. So sorgte sein unabgestimmter Vorstoß für eine Mittelmeerunion in Berlin für Ärger. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) soll anfangs recht genervt von dem quirligen Präsidenten gewesen sein. Quelle: Reuters
Später führte er Frankreich in die integrierte Struktur der NATO zurück und setzte sich an die Spitze der Länder für einen Militäreinsatz in Libyen. Quelle: dpa
Die erste große Wahlschlappe mussten Sarkozys Konservative bei den Regionalwahlen im März 2010 einstecken. Zudem machten eine Reihe von Affären dem Präsidenten zu schaffen - angefangen vom Vorwurf der Verschwendung durch seine Kabinettsmitglieder bis hin zu illegalen Parteispenden, die er 2007 für seinen Wahlkampf von L'Oréal-Milliardärin Liliane Bettencourt erhalten haben soll. Quelle: AFP

Nicht viel besser lief es für Sarkozy beim Thema Verschuldung. Hollande hielt ihm vor: "Die Schulden haben sich seit 2002 auf 1800 Milliarden Euro verdoppelt. Bei ihrem ersten Auftritt bei der Eurogruppe haben Sie schon gesagt, dass Sie den Stabilitätspakt nicht respektieren würden, weil Sie Steuervorteile gewähren wollten." Sarkozy zweifelte Hollandes Zahlen an, konnte aber nicht abstreiten, dass die Schuldenlast massiv gestiegen ist - eine schlechte Voraussetzung, um den Sozialisten als unsicheren Kantonisten hinzustellen, der nicht mit Geld umgehen kann.

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