Aus demokratischer Sicht ist die Entscheidung der österreichischen Verfassungsrichter zu begrüßen. Die Stichwahl zum österreichischen Bundespräsidenten muss wiederholt werden. Das Gericht folgt damit der Wahlanfechtung der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), die grobe Mängel bei der Stimmenauszählung kritisierte. Wenn bei einer Stimmauszählung manipuliert worden sein könnte, muss die Wahl wiederholt werden. Das ist gut so.
Und doch dürfte diese Entscheidung gerade bei überzeugten Demokraten ein mulmiges Gefühl erzeugen: Denn die zutiefst rechtsstaatliche Entscheidung des österreichischen Höchstgerichtes hat das Zeug, die Demokratie in eine tiefe Krise zu stürzen. Und das europaweit.
Denn wählen werden die Österreicher nicht nur zwischen dem Grünen-nahen Wirtschaftsprofessor Alexander van der Bellen und dem Ingenieur Norbert Hofer aus dem Freiheitlichen Lager. In den Wahlkabinen Österreichs wird über die Zukunft Europas entschieden. Nach der Verabschiedung Großbritanniens aus der Europäischen Union droht der Gemeinschaft nun der nächste Sieg von Rechtspopulisten und damit die nächste Eskalationsstufe.
Was der gelernte Flugzeugtechniker und Burschenschafter Norbert Hofer von der Europäischen Union hält, hat er erst vor wenigen Tagen kundgetan: Offenbar angetan von dem Votum der Briten gegen den Verbleib in der EU, forderte Hofer vollmundig Konsequenzen ein. Ein Jahr gibt der Flugzeugtechniker der Europäischen Union Zeit, um sich radikal zu reformieren und sich seinem Weltbild anzupassen. Einblicke in dieses können allerdings frösteln lassen: So gehöre der Islam laut Hofer etwa nicht zu Österreich.
Was nach einem Wahlsieg alles möglich wäre, darüber werde man sich noch „wundern“, tönte er im letzten Wahlkampf. Sollte sich die EU den Wünschen Hofers nicht beugen, hat er bereits lautstark mit einem österreichischen Referendum gedroht.
Gefährliche Träume
Noch vor zwei Jahren hätte Hofer mit seiner Hetze die Meute in den Bierzelten der Freiheitlichen zum Johlen gebracht. Mehrheitstauglich waren die Ideen des Rechtsaußen trotz großer EU-Skepsis der Österreicher allerdings nicht. Dass Hofer bei der nun aufgehobenen Stichwahl zum Bundespräsidenten auf fast 50 Prozent der Stimmen kam, war bis vor wenigen Monaten eher eine Sache der Tag- und Nachtträume von Hofers Chef, dem Freiheitlichen-Obmann Heinz-Christian Strache.
Erst die Flüchtlingskrise hat – neben der verständlichen Unzufriedenheit der Österreicher mit ihrem politischen Establishment – die Wirklichkeit Österreichs mit den gefährlichen Träumen Straches infiziert und Hofers Höhenflug ermöglicht. Dass Hofer und seine Parteifreunde im bevorstehenden Wahlkampf nun realitätsnäher argumentieren und auf Hetze verzichten, ist nicht zu erwarten.
Stattdessen werden die Freiheitlichen wohl weiter mit den Versprechungen aus der Parallelwelt der EU-Austrittsbefürworter werben und ihren Hass gegen Europa als Heilsversprechen inszenieren.
Dabei ist Österreich bereits ohne den Einfluss der Freiheitlichen auf dem besten Weg, zum ökonomisch kranken Mann Europas zu werden. Das Milliarden-Debakel um die Pleitebank Hypo Alpe Austria, der Hausbank des FPÖ-Urgesteins Jörg Haider (Wahlspruch: „Er hat euch nicht belogen“), ist zwar weitgehend ausgestanden. Doch erst vor wenigen Tagen hat die Ratingagentur Moody‘s Österreichs Kreditwürdigkeit um eine Stufe herabgestuft. Ein Blick nach Großbritannien lässt vermuten, dass ein Wahlsieg Hofers die Stabilität des Landes und die Investitionsfreude nicht eben befeuern wird.
Gegen die Träume von Rechtspopulisten der Machart Norbert Hofer, Heinz-Christian Strache oder Nigel Farage hilft vor allem eines: Ein Blick auf die Realität. Dieser ist den Österreichern und ganz Europa für diese Wahl zu wünschen.