Princeton-Ökonom Mody „Der Euro ist fraglos ein Misserfolg“

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"Ein Euro-Austritt Deutschlands wäre am wenigsten schmerzhaft"

Die deutsch-französischen Vorschläge zum Euro enthalten einen Hinweis auf ein Insolvenzverfahren. Gibt Ihnen das Hoffnung?
Es ist ein zarter Hinweis. Es kommt sehr darauf an, wie ein solches Insolvenzregime ausgestaltet wird. Ich halte es für unabdinglich, dass ein Schuldenschnitt automatisch eintreten muss. Da darf kein Entscheidungsspielraum sein. Wenn der ESM darüber beschließt, dann wird das nicht funktionieren.

Kann eine Insolvenzordnung für Staaten für ausreichend Disziplin in der Eurozone sorgen?
Ich weiß nicht, ob die Finanzmärkte ausreichend disziplinierend agieren. Aber ist das aktuelle System stark genug?

Wie lautet Ihr dritter Vorschlag?
Die EZB hat das Mandat, für Preisstabilität zu sorgen. Statt nur auf die Inflation zu achten, sollte sie nach meiner Einschätzung genauso auf Arbeitslosigkeit achten.

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Wie stabil würden Ihre Vorschläge die Eurozone machen?
Sie würden den Druck aus der Eurozone nehmen – aber nicht die grundlegenden Probleme der Gemeinschaftswährung lösen.
Die gibt es Ihrer Ansicht nur, wenn Deutschland den Euro verlässt...
... vielleicht wird Deutschland sogar gezwungen, den Euro zu verlassen?
Wie das?
Es gibt ein Szenario mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als null Prozent, in dem Italien aus der Währungsunion herausgedrängt werden könnte.
Wann könnte es dazu kommen?
Ich kann das nicht vorhersehen. Aber die Voraussetzungen sind da. Wenn sich der Welthandel verlangsamt, dann steuert Italien auf eine Rezession zu. Wenn Italien tatsächlich in eine Rezession tritt, dann könnten schlimme Dinge passieren.

Was meinen Sie?
Die Investoren würden italienische Papier abstoßen, die Renditen würden steigen, die Rezession würde die Renditen noch weiter steigen lassen. Der Euro ist dann zu stark für Italien.

Und wie kommt Deutschland ins Spiel?
Wenn Italien insolvent ist, werden auch Italiens Gläubiger insolvent, weil das Land so groß ist. Ich nenne das Domino-Insolvenzen. Die am wenigsten schmerzhafte Lösung wäre dann ein Euro-Austritt Deutschlands.

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Wie kommen Sie zu dieser Aussage?
Wenn Italien den Euro verlässt, dann würde das eine Krise auslösen von der Größenordnung des Bebens, das wir nach dem Lehman-Bankrott erlebt haben. Wenn Deutschland die Eurozone verlässt, dann wird das für Deutschland sehr schmerzvoll, aber das Land käme damit zurecht. Es wäre teuer, aber das Risiko einer weltweiten Finanzkrise wäre deutlich geringer. Und die Deutschen wären so oder so betroffen. Wenn Italien austritt und es zu einer weltweiten Finanzkrise kommt, würden sie es auch spüren.
Können Sie sich vorstellen, dass eine deutsche Regierung jemals den Euro verlassen würde? Das wäre ein Eingeständnis, dass der Euro ein Misserfolg war.
Der Euro ist ein Misserfolg, das steht völlig außer Frage! Wenn Deutschland dann den Euro nicht verlässt, wird es aufgefordert, so enorme Rettungsbeiträge beizusteuern, dass die Bürger rebellieren werden.

Haben Sie jemals einen Verantwortlichen erlebt, der hinter vorgehaltener Hand zugibt, dass der Euro eine schlechte Idee war?
Mir sagen EU-Entscheider oft, dass Sie mit meiner Diagnose einverstanden seien, aber die Schwachpunkte gerade reparierten. Und dass dies gelingen werde. Es gibt eine Tendenz zu glauben, dass der Euro künftige Krisen überstehen wird, weil er bisher überlebt hat. Ich gehe aber davon aus, dass die nächste Krise kommen wird, wenn Wirtschaft und Politik schlechter aufgestellt sind als beim vergangenen Mal.

Ashoka Mody (62) forscht und lehrt als Visiting Professor an der Princeton University. Zuvor war der gebürtige Inder beim Internationalen Währungsfonds Vize-Direktor für Forschung und Europa. In dieser Zeit war er direkt am Rettungsprogramm für Irland beteiligt. Warum er den Euro für einen Misserfolg hält, schildert er ausführlich in seinem gerade erschienen Buch „Euro Tragedy – A Drama in Nine Acts“ (Oxford University Press)

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