
WirtschaftsWoche: Herr Gauweiler, das Bundesverfassungsgericht hat den ESM-Vertrag unter Auflagen gebilligt. War es das?
Peter Gauweiler: Mitnichten. Das Bundesverfassungsgericht hat die Banklizenz für den ESM verboten. Und die Bundesrepublik muss nun in der Lage sein, jederzeit den Kapitalabrufen des ESM nachkommen zu können, damit das deutsche Stimmrecht nicht suspendiert werden kann.





Was heißt das konkret?
Dass Bundestag und Bundesregierung für den gesamten deutschen ESM-Haftungsbetrag von 190 Milliarden Euro Vorsorge im Haushalt treffen müssen. Nachdem in der aktuellen Haushaltsplanung nur 22 Milliarden Euro veranschlagt sind, wird ein Sonderfonds oder ein vorgehaltenes Sondervermögen in Höhe von 168 Milliarden Euro eingerichtet werden müssen. Ansonsten müsste die Regierung sicherstellen, dass sie den gleichen Betrag binnen einer Woche am Kapitalmarkt aufnehmen kann.
Sind Ihre Klagemöglichkeiten gegen die Euro-Rettungsaktionen erschöpft?
Das Verfassungsgericht hat klargestellt, dass die EZB nicht die Staatshaushalte der Mitgliedsländer per Notenpresse finanzieren darf – auch nicht am Sekundärmarkt. Genau das würde sie aber tun, wenn sie wie von ihrem Präsidenten Mario Draghi angekündigt unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern aufkauft. Die Bundesregierung muss deshalb nun Nichtigkeitsklage gegen die EZB-Ankäufe beim Europäischen Gerichtshof erheben. Ihre bisherige Haltung, die jüngsten Maßnahmen der EZB seien mit den Verträgen noch vereinbar, ist nach dem Urteil vom Mittwoch nicht mehr haltbar.