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Referendum 2015 Cameron: Briten sollen über EU-Verbleib abstimmen

Der Tenor seiner mit Spannung erwarteten Rede war bereits durchgesickert, nun ist der Plan offiziell: David Cameron lässt die Briten selbst über ihren Verbleib in der EU abstimmen. Eine erste Reaktion kam aus Frankreich.

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Was die Briten an der EU stört
Mittelstand könnte beim Brexit-Referendum am 23. Juni den Ausschlag geben Quelle: dpa, Montage
Nationale IdentitätAls ehemalige Weltmacht ist Großbritanniens Politik noch immer auf Führung ausgelegt. London ist gewohnt, die Linie vorzugeben, statt sich mühsam auf die Suche nach Kompromissen zu begeben. „London denkt viel mehr global als europäisch“, sagt Katinka Barysch, Chefökonomin beim Centre for European Reform in London. Die Angst, von EU-Partnern aus dem Süden Europas noch tiefer in die ohnehin schon tiefe Krise gezogen zu werden, schürt zusätzliche Aversionen. Quelle: dpa
Finanztransaktionssteuer und Co.Die Londoner City ist trotz massiven Schrumpfkurses noch immer die Lebensader der britischen Wirtschaft. Großbritannien fühlt sich von Regulierungen, die in Brüssel ersonnen wurden, aber die City treffen, regelrecht bedroht. „Regulierungen etwa für Hedgefonds oder die Finanztransaktionssteuer treffen London viel mehr als jeden anderen in Europa“, sagt Barysch. Allerdings hatte die Londoner City in der Finanzkrise auch mehr Schaden angerichtet als andere Finanzplätze. Quelle: dpa
Regulierungen des ArbeitsmarktsGroßbritannien ist eines der am meisten deregulierten Länder Europas. Strenge Auflagen aus Brüssel, etwa bei Arbeitszeitvorgaben, stoßen auf wenig Verständnis auf der Insel. „Lasst uns so hart arbeiten wie wir wollen“, heißt es aus konservativen Kreisen. Quelle: dapd
EU-BürokratieDie Euroskeptiker unter den Briten halten die Bürokratie in Brüssel für ein wesentliches Wachstumshemmnis. Anti-Europäer in London glauben, dass Großbritannien bilaterale Handelsabkommen mit aufstrebenden Handelspartnern in aller Welt viel schneller aushandeln könne als der Block der 27. Die Euroskeptiker fordern auch, dass der Sitz des Europaparlaments in Straßburg (hier im Bild) abgeschafft wird und die Abgeordneten nur noch in Brüssel tagen. Quelle: dpa
MedienDie britische Presse ist fast durchgehend europafeindlich und prägt das Bild der EU auf der Insel. Das hat auch politische Wirkung. „Ich muss meinen Kollegen in Brüssel dauernd sagen, sie sollen nicht den 'Daily Express' lesen“, zitiert die „Financial Times“ einen britischen Minister. Quelle: dpa

Der britische Premierminister David Cameron hat ein Referendum über den Austritt seines Landes aus der Europäischen Union (EU) angekündigt. Im Falle eines neuen Wahlsiegs seiner Partei werde es in der nächsten Legislaturperiode ab 2015 ein "Rein-Raus-Referendum" geben, kündigte der Premierminister in seiner europapolitischen Grundsatzrede am Mittwoch an. Zwar räumte er ein, dass die Ernüchterung über die EU ein "Allzeithoch" erreicht habe. Allerdings solle erst abgestimmt werden, nachdem die britische Regierung durch Verhandlungen ihr politisches Verhältnis zu Brüssel neu definiert habe.

Cameron betonte zugleich, dass er selbst für den Verbleib Großbritanniens in einer reformierten EU werben werde. "Die Zukunft Großbritannien ist in einer reformierten EU besser gesichert als außerhalb der EU", erklärte er. Voraussetzung sei aber, dass die EU-Partner eine Vertragsänderung akzeptierten, die eine "flexiblere und offenere" Union erlaube. Hauptgrund für die Mitgliedschaft Großbritanniens sei der Binnenmarkt.

Diese Länder wollen in die EU
Türkei Quelle: dapd
Serbien Quelle: REUTERS
Albanien Quelle: REUTERS
Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien: Quelle: REUTERS
Montenegro Quelle: REUTERS
Island Quelle: Reuters
Bosnien-Herzegowina: Quelle: REUTERS

Die Aussicht auf eine solche Abstimmung und die Möglichkeit eines EU-Austritts dürfte die Europaskeptiker in Camerons Partei besänftigen, unter anderen Mitgliedsstaaten und in der Wirtschaft allerdings Unruhe stiften. Spekulationen über ein Referendum hatten bereits international Besorgnis und Warnungen vor den ökonomischen Konsequenzen einer britischen Abkehr von Europa ausgelöst.

Die mit Spannung erwartete Rede war ursprünglich bereits vorige Woche angesetzt gewesen, wegen des Geiseldramas mit britischen Opfern in Algerien aber verschoben worden.

Wie sich die EU finanziert

Eine erste, sarkastische Reaktion kam bereits aus Frankreich. Nach den Worten von Außenminister Laurent Fabius werde sein Land Großbritannien keine Steine in den Wege legen, sollte das Land die EU verlassen wollen. Großbritannien habe "positive Punkte" für Europa im Angebot, aber er habe jüngst vor britischen Geschäftsleuten klar gestellt: "Wenn Großbritannien Europa verlassen will, werden wir für euch den roten Teppich ausrollen", sagte Fabius am Mittwoch im französischen Rundfunk.

Die Wortwahl von Fabius ist eine Anspielung auf Äußerungen Camerons im vergangenen Jahr. Er hatte damals gesagt, er werde für französische Firmen, die wegen der hohen Steuern in Frankreich ihren Sitz nach Großbritannien verlegen wollen, den roten Teppich ausrollen. Fabius bekräftigte mit Blick auf Großbritannien die französische Position, wonach es kein "Europa a la carte" geben werde, in dem sich ein Land aussuchen könne, welche Regeln es anwende.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, der SPD-Politiker Martin Schulz, hatte sich bereits vor der Rede sehr kritisch über den Kurs der britischen Regierung geäußert. Er habe von Cameron bisher keinen konstruktiven Vorschlag für die eingeforderte Reform der EU gehört, sagte er im Deutschlandfunk. In Wahrheit gehe es Cameron nur um eine Rückabwicklung der Integration.

Kritik kam auch vom europapolitischen Sprecher der Grünen, Manuel Sarrazin. "Camerons Strategie, mit europakritischen Tönen die Europa-Skeptiker nicht nur aus den eigenen Reihen befrieden zu wollen, ist unsouverän und gefährlich", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. "Cameron macht die EU-Mitgliedschaft zum Spielball innenpolitischer Taktiererei." Eine einzelstaatliche Durchlöcherung der EU-Verträge durch neue opt-outs für Großbritannien dürfe es nicht geben. Ebenso wenig eine Rückabwicklung der gesamten EU-Verträge.

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