




Der britische Premierminister David Cameron hat ein Referendum über den Austritt seines Landes aus der Europäischen Union (EU) angekündigt. Im Falle eines neuen Wahlsiegs seiner Partei werde es in der nächsten Legislaturperiode ab 2015 ein "Rein-Raus-Referendum" geben, kündigte der Premierminister in seiner europapolitischen Grundsatzrede am Mittwoch an. Zwar räumte er ein, dass die Ernüchterung über die EU ein "Allzeithoch" erreicht habe. Allerdings solle erst abgestimmt werden, nachdem die britische Regierung durch Verhandlungen ihr politisches Verhältnis zu Brüssel neu definiert habe.
Cameron betonte zugleich, dass er selbst für den Verbleib Großbritanniens in einer reformierten EU werben werde. "Die Zukunft Großbritannien ist in einer reformierten EU besser gesichert als außerhalb der EU", erklärte er. Voraussetzung sei aber, dass die EU-Partner eine Vertragsänderung akzeptierten, die eine "flexiblere und offenere" Union erlaube. Hauptgrund für die Mitgliedschaft Großbritanniens sei der Binnenmarkt.





Die Aussicht auf eine solche Abstimmung und die Möglichkeit eines EU-Austritts dürfte die Europaskeptiker in Camerons Partei besänftigen, unter anderen Mitgliedsstaaten und in der Wirtschaft allerdings Unruhe stiften. Spekulationen über ein Referendum hatten bereits international Besorgnis und Warnungen vor den ökonomischen Konsequenzen einer britischen Abkehr von Europa ausgelöst.
Die mit Spannung erwartete Rede war ursprünglich bereits vorige Woche angesetzt gewesen, wegen des Geiseldramas mit britischen Opfern in Algerien aber verschoben worden.
Wie sich die EU finanziert
Der größte Teil der traditionellen Eigenmittel sind die Einnahmen aus Zöllen, die bei der Einfuhr von Erzeugnissen aus Nicht-EU-Staaten erhoben werden, sowie Zuckerabgaben. Das sind Abgaben, die sich aus der Gemeinsamen Marktorganisation für Zucker ergeben und von den Produzenten auf die Zucker- und Isoglukosequoten zu entrichten sind (123,4 Millionen Euro im Haushalt 2012). In den 1970er Jahren waren die traditionellen Eigenmittel neben den nationalen Beiträgen die Haupteinnahmequelle. Sie machten etwa 1974 mehr als 60 Prozent der Einnahmen aus. Im Haushaltsplan für das Jahr 2012 liegt der Anteil der traditionellen Eigenmittel an den gesamten Einnahmen nur noch bei 14,9 Prozent (19,294 Milliarden Euro).
Die Mehrwertsteuer-Eigenmittel beruhen auf einem einheitlichen Prozentsatz, der auf die harmonisierte MwSt-Bemessungsgrundlage jedes Mitgliedstaats angewandt wird. Sie betragen im aktuellen Jahr 14,498 Milliarden Euro. Die MwSt-Grundlage ist auf 50 Prozent des Bruttonationaleinkommens jedes Mitgliedstaats begrenzt. Mit dieser Kappung soll vermieden werden, dass die weniger wohlhabenden Mitgliedstaaten, in denen der Verbrauch und somit die Mehrwertsteuer einen verhältnismäßig höheren Anteil am Nationaleinkommen ausmachen, einen Betrag abführen müssen, der nicht in Relation zu ihrer Beitragskapazität steht.
Die BNE-Eigenmittel basieren auf einem einheitlichen Prozentsatz, der auf das Bruttonationaleinkommen (BNE) jedes Mitgliedstaats angewandt wird. Mit ihnen werden die Haushaltseinnahmen und ‑ausgaben ausgeglichen, das heißt es wird der Teil der Ausgaben finanziert, der von anderen Einnahmequellen nicht abgedeckt ist. Diese eigentlich als Ergänzung gedachte Einnahme stellt heute mit 93,718 Milliarden Euro die wichtigste Einnahmequelle dar.
In den Haushalt fließen auch sonstige Einnahmen, darunter fallen Steuern, die auf die Gehälter der EU-Bediensteten erhoben werden, Beiträge von Drittländern zu bestimmten EU-Programmen sowie Bußgelder von Unternehmen, die gegen das Wettbewerbsrecht oder andere Rechtsvorschriften verstoßen haben. Dadurch sollen im laufenden Jahr 1,575 Milliarden Euro in die Kassen kommen.
Einige Länder haben kritisiert, dass ihr eigener Beitrag zum EU-Haushalt zu hoch ist und die einzelnen Mitgliedstaaten ungleich belastet werden. Zur Korrektur dieser Ungleichgewichte wurden unter anderem folgende Korrekturmechanismen eingeführt: Großbritannien werden zwei Drittel seines Nettobeitrags (Differenz zwischen den Zahlungen und Rückflüssen) erstattet. Die finanzielle Belastung aufgrund des Briten-Rabatts wird proportional zum Anteil der einzelnen Mitgliedstaaten am BNE der EU auf die übrigen Mitgliedstaaten aufgeteilt. Seit 2002 jedoch ist dieser Betrag für Deutschland, die Niederlande, Österreich und Schweden, die ihren Beitrag zum EU-Haushalt für zu hoch hielten, auf 25 Prozent ihres eigentlichen Pflichtanteils begrenzt.
Darüber hinaus gibt es weitere Ausnahmen: Schweden und die Niederlande werden Pauschalbeträge gezahlt, beide Länder haben – wie Österreich und Deutschland auch – zudem reduzierte Mehrwertsteuer-Abrufsätze vereinbart.
Die Europäische Union hat 2010 nach eigenen Angaben 127,795 Milliarden Euro eingenommen. Für 2012 ist eine Steigerung der Einnahme auf 129,088 Milliarden Euro geplant.
Eine erste, sarkastische Reaktion kam bereits aus Frankreich. Nach den Worten von Außenminister Laurent Fabius werde sein Land Großbritannien keine Steine in den Wege legen, sollte das Land die EU verlassen wollen. Großbritannien habe "positive Punkte" für Europa im Angebot, aber er habe jüngst vor britischen Geschäftsleuten klar gestellt: "Wenn Großbritannien Europa verlassen will, werden wir für euch den roten Teppich ausrollen", sagte Fabius am Mittwoch im französischen Rundfunk.
Die Wortwahl von Fabius ist eine Anspielung auf Äußerungen Camerons im vergangenen Jahr. Er hatte damals gesagt, er werde für französische Firmen, die wegen der hohen Steuern in Frankreich ihren Sitz nach Großbritannien verlegen wollen, den roten Teppich ausrollen. Fabius bekräftigte mit Blick auf Großbritannien die französische Position, wonach es kein "Europa a la carte" geben werde, in dem sich ein Land aussuchen könne, welche Regeln es anwende.
Der Präsident des Europäischen Parlaments, der SPD-Politiker Martin Schulz, hatte sich bereits vor der Rede sehr kritisch über den Kurs der britischen Regierung geäußert. Er habe von Cameron bisher keinen konstruktiven Vorschlag für die eingeforderte Reform der EU gehört, sagte er im Deutschlandfunk. In Wahrheit gehe es Cameron nur um eine Rückabwicklung der Integration.
Kritik kam auch vom europapolitischen Sprecher der Grünen, Manuel Sarrazin. "Camerons Strategie, mit europakritischen Tönen die Europa-Skeptiker nicht nur aus den eigenen Reihen befrieden zu wollen, ist unsouverän und gefährlich", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. "Cameron macht die EU-Mitgliedschaft zum Spielball innenpolitischer Taktiererei." Eine einzelstaatliche Durchlöcherung der EU-Verträge durch neue opt-outs für Großbritannien dürfe es nicht geben. Ebenso wenig eine Rückabwicklung der gesamten EU-Verträge.