Sie fliegen Holzklasse und verdienen offiziell kaum mehr als 200 Euro im Monat: In der Ukraine ist ein Ministeramt sicherlich kein Luxusjob – sondern eher ein Schleudersitz. Die junge Technokraten-Riege, die in Kiew unter der Regierung von Arsenij Jazenjuk seit Ende vergangenen Jahres die Regierung dominiert, soll das Land von Korruption und Bürokratie befreien.
Der Staatsbankrott ist abgewendet, im Krieg mit Russland schweigen die Waffen. Jetzt putzt sich die Ukraine heraus für Investoren. Am Freitag reist das halbe Kabinett nach Berlin, um die „neue Ukraine“ mit ihrer klaren Europa-Orientierung auf einer Konferenz vorzustellen. Infrastruktur-Minister Andrij Pivovarskij, ein 37-jähriger Ex-Banker und Ex-Bauunternehmer, schildert im Interview seine Erwartungen.
Zur Person
Andrij Pivovarskij, 37, ist Ex-Investmentbanker und -Bauunternehmer und seit Ende 2014 ukrainischer Infrastrukturminister.
WirtschaftsWoche online: Minister Pivovarskij, bis vor wenigen Wochen lag die Ukraine im Krieg mit Russland. Erst seit Kurzem schweigen die Waffen, pro-russische Separatisten kontrollieren noch immer den Osten. Ist die Ukraine ein sicherer Ort für deutsche Investitionen?
Andrij Pivovarskij: Es ist recht sicher im Moment. Außerdem muss man verstehen, dass nur fünf Prozent des ukrainischen Territoriums überhaupt betroffen sind. Es ist der perfekte Moment für deutsche Investoren, um in der Ukraine aktiv zu werden: Die Assets sind günstig, die Wirtschaft stabil, die Situation im Osten hat sich beruhigt.
Was sind Ihre Erwartungen die Investoren-Konferenz in Berlin?
Es gilt, die Ukraine als Standort aktiver zu verkaufen. Wir möchten deutschen Unternehmer überzeugen, dass dieses Mal alles anders ist und unsere radikalen Reformen das Land dramatisch zum Positiven verändern. Wir haben die Polizei komplett erneuert und krempeln derzeit die Finanzämter um. Wir gehen massiv gegen Korruption vor und liberalisieren die Wirtschaft. Die volkswirtschaftliche Entwicklung des Landes ist seit einigen Monaten stabil, derzeit bereiten wir eine umfangreiche Privatisierung vor. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um in der Ukraine zu investieren.
Auf welche Branchen schauen Sie im Einzelnen?
In meinem Bereich ist es äußerst wichtig, neues Geld für den Bau von Straßen, Brücken, Häfen und Bahnlinien zu finden. Allein im Osten der Ukraine ist vieles kaputt.
Einen deutschen Investor für den Bau eines Flughafens in Donezk werden Sie kaum finden, da bieten sich eher staatliche Förderbanken an…
Wir brauchen frisches Kapital – egal, ob es von privaten Geldgeber stammt oder staatlichen Förderbanken. An der Zusammenarbeit mit deutschen Banken wären wir sehr interessiert, da diese mit uns an den Business-Plänen arbeiten und bei Investitionen intensiv beraten.
Sie haben im Frühjahr dieses Jahres über die KfW ungebundene Finanzkredite in Höhe von 500 Millionen Euro erhalten. Brauchen Sie mehr Geld?
Nach aktuellen Schätzungen belaufen sich die Kriegsschäden in der Ost-Ukraine auf 1,3 bis 1,5 Milliarden Dollar. Insofern werden 500 Millionen Euro nicht ausreichen, um den Osten unseres Landes wieder aufzubauen. Wir hoffen auf zusätzliche Finanzierungen, sobald dieser Topf aufgebraucht ist. Weitere 500 Millionen würden uns signifikant helfen. Ich kann zwar nicht für das Finanzministerium sprechen – aber ich würde nicht ausschließen, dass wir eine solche Anfrage an die deutsche Regierung stellen werden.