
So langsam lichtet sich der Schleier um die Punkte, die Griechenlands Unterhändler am Wochenende in griechischer Sprache auf einem Tablet-Computer in Brüssel präsentiert haben. Sie ließen die Verhandlungen zur Lösung des Schuldenstreits mit der Euro-Gruppe erneut in einer Sackgasse landen. Ob sich daraus noch vor Ostern ein Ausweg bietet, ist offen. Ob das Land aber nach Ostern noch über ausreichend Geld verfügt, um Renten und Löhne auszuzahlen und fällige Schulden zu bedienen, das wissen derzeit auch nur die Götter.
Schon seit dem 20. Februar zieht sich der Streit um das Reformprogramm Griechenlands schon in die Länge. Vom Ausgang hängt es ab, ob Europa 7,2 Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfspaket nach Athen überweist. Die Euro-Gruppe hat dies aufgrund eines Antrags Griechenlands im Grunde beschlossen, die Parlamente der Euro-Länder haben soweit nötig ihre Zustimmung gegeben. Was fehlt, ist einzig die konkrete Zusage, dass die griechische Regierung die in diesem Hilfspaket vereinbarten Reformen zugunsten von mehr Wirtschaftswachstum einhalten will. Daran mangelt es nach wie vor. Und deswegen rückt die Staatspleite Griechenlands unaufhaltsam näher. Vor diesem ernsten Hintergrund mutet es reichlich skurril an, womit der Staatsmann Alexis Tsipras nun sein Land retten will:





Die Privatisierung von Häfen und Flughäfen soll rund 1,5 Milliarden Euro bringen. Dumm nur, dass die neue Regierung genau diese Privatisierungen gleich nach der Wahl auf Eis gelegt hat. Da ist es wenig wahrscheinlich, dass neue Verhandlungen mit den Investoren, es handelt sich dabei um den chinesischen Staat mit Blick auf die Häfen und um dem Frankfurter Flughafenbetreiber Fraport mit Blick auf 14 Regionalflughäfen, schnell und erfolgreich zu Ende gebracht werden können - wenn überhaupt.
Die nachträgliche Kontrolle von Schwarzgeld-Überweisungen in Ausland in den vergangenen Jahren soll rund 725 Millionen Euro einbringen.
Weitere 350 Millionen Euro soll die bessere Erfassung von Mehrwertsteuer-Zahlungen in die Kasse spülen. Nochmal 270 Millionen Euro erhofft sich die Regierung von einer neuartigen Lotterie. Und die geht so: Bürger sollen an der Ladenkasse auf der Ausstellung einer Quittung bestehen, mit dieser können sie sich dann einer staatlichen Lotterie beteiligen und auf attraktive Preise hoffen.
Die Vergabe von Lizenzen an private Rundfunksender sollen 350 Millionen Euro bringen. Von der Bekämpfung des Schmuggels von Benzin, Heizöl und Tabak erhofft sich die Regierung weitere 250 Millionen Euro.
255 Millionen Euro will der Staat durch die Vergabe von Lizenzen an elektronische Kasinos sowie durch die Eintreibung ausstehender Steuerschulden erzielen.
Die schrägsten Varoufakis-Zitate
"Die monumentale Aufgabe, vor der wir stehen, liegt darin, den Geist der Troika zu vertreiben, ihre Mentalität auszulöschen und ihre Macht in Europa, nicht nur in Griechenland, zu beenden."
"Heute zu sagen, dass die Griechen zahlen müssen, was mir vernünftig erscheint, heißt, dass die üblichen Opfer noch mehr leiden müssen. Das ist eine Einstellung Auge um Auge, Zahn um Zahn, eine Art biblische Wirtschaft, die jeden in Europa hilflos macht."
"Zu jedem verantwortungslosen Kreditnehmer gehört ein verantwortungsloser Kreditgeber. Vor 2010 hat das im Überfluss vorhandene Kapital in Griechenland einen Tsunami an Schmarotzer-Krediten ausgelöst."
"Im Mittelalter haben „Ärzte“ Aderlässe verschrieben, die oft eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Patienten auslösten, auf die der „Arzt“ mit weiteren Aderlässen reagiert. Das ist die Art von Gedankengang, die perfekt die Einstellung Europas zeigt: Je mehr die Austerität scheitert, desto mehr wird von ihr verschrieben."
"Wenn wir in Europa unter einem Defizit leiden, dann ist es ein Defizit an Demokratie. Davon profitieren schwarze Mächte, die Demokratie und Menschenrechte aushöhlen wollen."
"Europas heutige Haltung ist eine Bedrohung für die Zivilisation, wie wir sie kennen."
"Merkel ist die mit Abstand scharfsinnigste Politikerin in Europa. Da gibt es keinen Zweifel. Und Wolfgang Schäuble ist vermutlich der einzige europäische Politiker mit intellektueller Substanz."
Nicht beziffert oder nicht offiziell benannt sind weitere Maßnahmen: Dazu zählen eine Steuer auf fettreiche Lebensmittel wie Gyros, eine Anhebung der reduzierten Mehrwertsteuersätze auf Ferieninseln wie Mykonos und Santorin und neue Regeln für die Rente. Doch wie letztere aussehen sollen, ist unklar. Nur so viel: sie sollen die Frühverrentung stoppen. Konkret ist die Rede ist davon, dass kein Grieche mehr vor 62 Jahren (!) in Rente gehen soll. Doch Ausnahmen und Sonderregeln für besondere Berufsgruppen soll es trotzdem geben. Eine ernsthafte Reform sieht anders aus.
Insgesamt sollen die Punkte 3,7 Milliarden Euro einbringen. Nicht alles auf dieser Liste ist Unfug. Einiges hätte die Regierung auch längst in Angriff nehmen können. Nur auch in der Summe sind die angekündigten Maßnahmen weit davon entfernt, das Land vor dem finanziellen Kollaps zu retten. Sie alle zeugen nur von dem verzweifelten Versuch, schnell irgendwie Geld in die Kasse zu bekommen.
Insbesondere eine Reform des Arbeitsmarktes, die es Unternehmen erleichtert, neue Arbeitsplätze zu schaffen, wird von der Regierung weiter abgelehnt. Mehr Effizienz in der staatlichen Verwaltung – für die Regierung Tsipras ist offenkundig auch das kein Thema. Stattdessen redet sie davon, den überdimensionierten und uneffektiven Staatsapparat noch weiter aufzublähen. Belebung der Wirtschaft durch strukturelle Reformen und eine Verbesserung des Investitionsklimas – Fehlanzeige!





Doch für den griechischen Regierungschef sind diese Punkte bereits eine „reelle“ Liste mit Vorhaben, die Griechenland in ein „modernes“ Land verwandeln werden, so erklärte er jedenfalls am Montagabend vor dem Parlament in Athen. Kein Wunder, dass die Partner in Europa dies ein wenig anderes sehen. Der Vizepräsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff (FDP), bezeichnet das Sammelsurium der Ideen schlicht als „Frechheit“. Auf dieser Basis könne man keine Hilfen freigeben, so Lambsdorff. „Der Ball ist und bleibt im Spielfeld der griechischen Seite“, erklärte auch ein Sprecher von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Es sei durchaus möglich, fügte er hinzu, dass sich die Euro-Gruppe noch in dieser Woche mit griechischen Plänen befassen werde. Nur – die muss es dann erst einmal geben.
Schon wittert die erst im Januar bei Wahlen geschlagene Opposition Morgenluft. Die Geldgeber rief sie dazu auf, keinen Cent an die neue griechische Regierung auszuzahlen, bevor diese nicht wenigstens eine echte Reformmaßnahme durch das Parlament gebracht hat. Das Kalkül der Opposition ist offenkundig: Bei einer solchen Abstimmung werde sich zeigen, dass Reformen im griechischen Parlament keine Mehrheit haben – dies gilt dann auch für die Regierung Alexis Tsipras.