
Das ist doch mal eine gute Nachricht: Die Spanier können weiterhin alljährlich den Fußballklassiker Real Madrid gegen FC Barcelona genießen. Selbst in einem unabhängigen Staat Katalonien bliebe „Barca“ in der spanischen Liga, „so wie auch Monaco in Frankreich spielt”, versichert Barcelona-Präsident Sandro Rosell.
Die absurde Debatte, die iberische Fußballfans derzeit führen, passt ins Bild: Die Wirtschaftskrise stellt das traditionell angespannte Verhältnis zwischen Nordspanien und dem Rest des Landes auf eine neue Zerreißprobe und verstärkt die regionalen Fliehkräfte. Am katalanischen Nationalfeiertag Diada Anfang des Monats ging jeder fünfte der 7,5 Millionen Einwohner der Region auf die Straße, um für die Unabhängigkeit zu demonstrieren. „Katalonien und Spanien sind einander müde geworden – ähnlich wie Nord- und Südeuropa“, sagt der Regionalpräsident Kataloniens, der Christdemokrat Artur Mas.
Nord gegen Süd
Tatsächlich erinnert die innerspanische Konstellation derzeit fatal an die Euro-Zone. Nordspanien – dazu gehört neben Katalonien auch das Baskenland – ist stärker industrialisiert, exportorientierter und reicher als der Rest des Landes. Beide Regionen sind es leid, den schwächeren Süden zu alimentieren. Die Basken müssen das auch nicht mehr, sie haben seit einigen Jahren volle fiskalische Autonomie und dürfen ihre Steuern behalten. Eine solche Ausnahmeregelung fordert nun auch Katalonien. Was in etwa so wäre, als würde Bayern aus dem deutschen Länderfinanzausgleich ausscheren.
Regionalpräsident Mas steckt in der Klemme. Sein sozialistischer Vorgänger hatte ihm 2010 ein Haushaltsdefizit von 4,2 Prozent hinterlassen. 2011 waren Katalonien und die Regionen insgesamt hauptverantwortlich dafür, dass Gesamtspanien sein mit Brüssel vereinbartes Defizitziel von sechs Prozent weit verfehlte. Tatsächlich waren es am Ende fast neun Prozent. Zwar hat die neue katalanische Regierung ihr Defizit im ersten Halbjahr 2012 durch drastisches Sparen auf 0,59 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) heruntergeschraubt. Die Kürzungen schüren aber massiven Unmut im Volk. Die Arbeitslosenrate hat zuletzt fast 22 Prozent erreicht, das ist sehr hoch für katalanische Verhältnisse.
Milliarden vom Hilfsfonds
Zudem kommen alle spanischen Regionen kaum noch an frisches Geld, seitdem die Ratingagenturen ihre Bonität noch schlechter bewerten als die Gesamtspaniens. Um seine in den nächsten Monaten fälligen Kredite in Höhe von knapp sechs Milliarden Euro bedienen zu können, muss selbst das wohlhabende Katalonien den vom Zentralstaat eingerichteten und 18 Milliarden Euro schweren Liquiditätsfonds anzapfen.
Wären sie unabhängig und könnten über all ihre Steuereinnahmen selbst verfügen, gäbe es keine Probleme, argumentieren die Katalanen. Mit einem absoluten BIP von mehr als 200 Milliarden Euro ist die Region wirtschaftsstärker als Finnland. Das Wirtschaftsforschungsinstitut CSIC hat ausgerechnet, dass Katalonien, sofern es in den Genuss des baskischen Steuermodells käme, in den vergangenen Jahren bis zu 16 Milliarden Euro mehr zur Verfügung gehabt hätte. Das entspricht in etwa der Neuverschuldung der vergangenen zwei Jahre.
Für die Zentralregierung wäre es allerdings „politischer Selbstmord“, ein solches Steuermodell für Katalonien zu akzeptieren, sagt der Ökonom Ángel de la Fuente, Autor der CSIC-Studie. Denn in der derzeitigen Schuldenkrise braucht die angeschlagene Zentralregierung um Ministerpräsident Mariano Rajoy mehr denn je das Geld aus Katalonien.