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Quelle: dpa

Wir brauchen die sparsamen Fünf, mindestens!

Hauke Reimer
Hauke Reimer Stellvertretender Chefredakteur WirtschaftsWoche

Die schwäbische Hausfrau sollte näher an Schweden, Dänemark, Österreich und die Niederlande heranrücken. Europa würde dies guttun.

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Die sparsamen Vier, das klingt putzig. Oder, weniger wohlwollend: geizig, hartherzig, sekundärtugendhaft. Aber ist es wirklich geizig, wenn sich Schweden, Dänemark, Österreich und die Niederlande dagegen wehren, 500 Milliarden Euro einfach so zu verteilen, plus 250 Milliarden an Krediten? Auch wenn die Hilfe Wiederaufbaufonds heißt: Italien liegt nicht in Trümmern. Gemessen an Mentalität und Haushaltspolitik, sind die sparsamen Vier Deutschlands natürliche Verbündete. Angela Merkel, lieber Europakanzlerin als schwäbische Hausfrau, hat dieses Lager verlassen, ohne internen Widerstand.

173 Milliarden Euro, davon 82 Milliarden geschenkt, fordert allein Italien. Verdächtig: Der Schlüssel, nach dem das Geld verteilt werden soll, richtet sich nicht nach der aktuellen Lage, sondern nach vergangenen Daten. Dass Italien billige Kredite zur Sanierung des Gesundheitssystems nicht abgerufen hat, bestätigt die Annahme, dass es hier nicht nur um Coronaschäden geht, sondern um einen knallharten Verteilungskonflikt.

Und darum, die Regierung von Giuseppe Conte zu stützen. Italien könnte sonst in die Hände der Populisten fallen, fürchten viele – Matteo Salvini vor den Toren. Der Lega-Chef, der mit seinen Verbündeten in Umfragen vor Conte liegt, fordert bereits Italiens Anteil an den 750 Milliarden ein.

Was viele hier übersehen: Unmut von Steuerzahlern, die, obwohl sie weniger besitzen, europäische Nachbarn subventionieren, kann ebenfalls in Europaverdruss und Populismus münden. Nothilfe ist okay, aber warum unbegrenzt und ewig denen helfen, die mehr Vermögen haben, von denen mehr im eigenen Haus wohnen und die meist früher in Rente gehen? Italiens Staatsschuld ließe sich durch eine Vermögensabgabe – mit Freibeträgen und Kreditregelungen fürs Eigenheim – locker drücken. Ist aber unpopulär, kostet Wählerstimmen.

Nur Träumer glauben, dass so viel Geld kontrolliert verteilt werden kann. Das europäische Semester, ein Verfahren, das Staaten zu Reformen zwingen soll, funktioniert genauso wenig wie die Komitologie, ein sperriges Expertengremiengeflecht, das entscheiden soll, wohin die Milliarden fließen.

Auch zu beachten: Italien kann sich über zehn Jahre für billige 1,3 Prozent verschulden, der Europäischen Zentralbank sei Dank. Die EZB hat schon vor der Pandemie mehr italienische Staatsanleihen gekauft, als die Regeln ihr gestatten. Aber Regeln werden locker ignoriert, wenn es politisch opportun erscheint. Dass dies in der Euro-Zone nicht zum ersten Mal passiert, macht es nicht besser.

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