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Renzi ein Jahr im Amt Die Baustellen des Matteo R.

Er twitterte schon über Gewichtsprobleme und weiß, wie man sich gut verkauft. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi hat nach einem Jahr im Amt einiges geschafft. Aber die versprochene Wende lässt noch auf sich warten.

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Matteo Renzi ist seit einem Jahr italienischer Ministerpräsident Quelle: dpa

Verschrotter, Speedy Gonzalez, Senkrechtstarter, Hoffnungsträger, italienischer Tony Blair: Lang ist die Liste der Beinamen, die Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi trägt. Als der 40-jährige Sozialdemokrat vor einem Jahr in Rom das Amt des Regierungschefs antrat, waren die Erwartungen in seiner Heimat und in Europa groß. Das hoch verschuldete Land endlich aus der Krise führen, jeden Monat eine Reform, die alte Politikerkaste in die Tonne treten, Bürokratie abschaffen und Wachstum schaffen.

Nach einem Jahr ist der junge Florentiner zwar immer noch voller Tatendrang, Selbstbewusstsein und Optimismus. Doch die Arbeitslosigkeit liegt immer noch bei mehr als zwölf Prozent, die Verschuldung mit 130 Prozent der Wirtschaftsleistung weit über der erlaubten Grenze der EU und die Wirtschaft will einfach nicht wachsen. „Renzi hat sein erstes Jahr vor allem institutionellen Reformen gewidmet, die alle noch eine Baustelle sind – erst seit Ende letzten Jahres hat er sich der Finanzpolitik zugewandt“, sagt Francesco Galietti vom politischen Think Tank Policy Sonar, der Deutschen Presse-Agentur. Seine Popularität sei extrem gesunken, wegen der Art, wie er Wirtschaftsreformen angehe.

Krisenländer im Check

Trat Renzi am Anfang nicht nur im eigenen Land sondern auch in Europa sehr forsch auf, scheint er sich nun mehr der Realität des politischen Geschäfts gefügt zu haben. „Er hat schnell verstanden, dass in Europa die Dinge ein bisschen komplizierter sind“, sagt Ezio Mauro, Herausgeber der Zeitung „La Repubblica“. Immerhin konnte er seine Kandidatin Federica Mogherini für das Amt der EU-Außenbeauftragten durchdrücken. Zudem zeigte Brüssel Milde mit Defizitsündern wie Italien und verlängerte eine Frist, in der über mögliche Strafverfahren entschieden wird, bis März.

Kooperation mit Berlusconi-Partei zerbröselt

Innenpolitisch untermauerte Renzi mit der Wahl seines Kandidaten Sergio Mattarella zum neuen italienischen Staatspräsidenten seinen Machtanspruch und bewies, dass er hinter den Kulissen geschickt die Fäden ziehen kann. Aber innerhalb seiner Partei Partito Democratico (PD), vor allem im linken Flügel, und bei den Gewerkschaften ist er wegen seiner liberalen Wirtschaftspolitik umstritten und kämpft mit Gegenwind.

Zudem zerbröselt gerade die Kooperation mit Italiens ehemaligem Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi und dessen Partei Forza Italia, die ihn zum Beispiel bei der wichtigen Wahlrechts- und Senatsreform unterstützten wollte. „Renzis größte Herausforderung bleibt es, Reformen in einem feindlichen und sehr fragmentierten parlamentarischen Umfeld durchzubringen, wo Konsens nur wegen des Paktes mit Berlusconis Forza Italia möglich war“, sagt Experte Galietti.

Renzis Manko ist auch, dass er nicht durch Wahlen an die Macht kam, sondern weil er seinen Vorgänger und Parteikollegen Enrico Letta quasi gestürzt hatte. Zwar holte Renzi bei den Europawahlen letztes Jahr 41 Prozent – ein Riesenerfolg. Aber seine Kritiker sehen darin noch keine demokratische Legitimierung. Derzeit zeichnet sich jedoch nicht ab, dass Renzi Neuwahlen anstrebt.

Letzten Endes werden seine Landsleute ihn einzig daran messen, ob er es schafft, das Land endlich aus der Krise zu führen. „Renzi wird als Mann des Wechsels wahrgenommen, aber es gibt eine Lücke zwischen seinen Versprechen und seinen Errungenschaften. Viel von seiner Glaubwürdigkeit hängt davon ab“, sagt „Repubblica“-Herausgeber Mauro.

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