
Uns Steuerzahler wollen die Euro-Finanzminister natürlich das Gegenteil erklären. Erstmals müssten sich auch die Gläubiger der Banken mit einem Drittel am Rettungspaket beteiligen, heißt es. Und in der Tat: Wer mehr als 100000 Euro auf dem Konto einer Bank in Zypern hat, muss darauf eine einmalige Abgabe in Höhe von 9,9 Prozent berappen. Das klingt danach, als würden die Euro-Retter endlich einmal Zähne zeigen. Als würden sie endlich auch diejenigen in die Pflicht nehmen, die von der Rettung des zyprischen Finanzsystems am unmittelbarsten profitieren. Vor allem russische Superreiche eben, denn diese haben über - vor allem steuerlich privilegierte - Gesellschaften schätzungsweise 25 Milliarden Euro bei zypriotischen Banken gebunkert. Der Bestand an russischen Direktinvestitionen in Zypern lag 2010 noch bei 180 Milliarden Euro, während umgekehrt Gesellschaften aus Zypern in Russland rund 150 Milliarden Euro an Direktinvestitionen unterhielten.
Man kann die Sache aber auch anders sehen: Zypern Banken sind pleite. Das Land ist mit einem Anteil von weniger als 0,2 Prozent am Bruttoinlandsprodukt der Europäischen Union nicht systemrelevant, was selbst Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vor einigen Wochen noch eingeräumt hat. Zyperns Banken haben Milliarden an Kundengeldern in hoch spekulative Griechenland-Staatspapiere gesteckt und sich dabei verzockt. Und bei der jetzt eigentlich fälligen Pleite wären Einlagen von mehr als 100000 Euro - das ist die von der EU-Kommission vorgesehene Grenze für die staatliche Einlagensicherung - vor allem eines: futsch!
Einzelheiten zum Rettungspaket für Zypern
Die Euro-Zone gibt Zypern zehn Milliarden Euro. Der Inselstaat benötigt das Kreditpaket, um die heimischen Banken zu finanzieren. Die Geldhäuser waren durch den Schuldenschnitt in Griechenland im vergangenen Jahr in Schieflage geraten. Die Bilanzsumme der zyprischen Banken ist acht Mal so groß wie die gesamte Wirtschaftsleistung. Im EU-Schnitt sind es 3,5 Mal. Die zyprischen Finanzinstitute werden nun gezwungen, zu schrumpfen.
Zypern führt eine einmalige Sonderabgabe in Höhe von 9,9 Prozent auf Bankeinlagen bei zyprischen Banken von mehr als 100.000 Euro ein. Geringere Summen werden mit 6,75 Prozent besteuert. Einleger sollen im Gegenzug an den Banken beteiligt werden.
Zypern hat Investoren mit dem niedrigsten Unternehmenssteuersatz der EU (zehn Prozent) angelockt. Dieser wird nun auf 12,5 Prozent erhöht. Das könnte 200 Millionen Euro Einnahmen im Jahr bringen. Geplant ist zudem auch die Besteuerung von Zinseinkünften. Die verzinslichen Einlagen bei Banken belaufen sich auf 70 Milliarden Euro, etwas mehr als die Hälfte davon halten Ausländer, zumeist Russen und Briten. Russland wird Zypern wahrscheinlich ebenfalls helfen, indem das Land sein bereits gezahltes Darlehen verlängert.
Zypern könnte aufgefordert werden, die staatliche Telekomgesellschaft, den Stromversorger und die Häfen zu privatisieren.
Man könnte also die Sache auch genau andersherum sehen. Die Euro-Finanzminister haben - wohl auf Druck der Südländer und der EZB - einen ganz anderen Tabubruch begangen: Sie retten mit den jetzt zugesagten Hilfskrediten aus dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in Höhe von rund zehn Milliarden Euro auch 90,1 Prozent der russischen Oligarchen-Milliarden. Die einmalige Stabilitätsabgabe ist nicht nur ein Klacks gegenüber einem drohenden Totalverlust, sie dürfte die Gläubiger auch kaum schmerzen. Denn wie aus Zypern zu hören ist, sollen die Kunden als Entschädigung für die Zwangsabgabe Bankaktien erhalten. Und dafür, dass die Banken nicht untergehen, sorgen ja die EZB und die ESM-Milliarden.
Zyperns Schuldenstand beläuft sich - einschließlich Bankschulden - auf 145 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Dass diese Schuldenquote im Zuge der Rettung deutlich sinkt, ist zu bezweifeln. Denn Zyperns Wirtschaftsleistung speist sich vor allem aus dem Bankensektor. Und dieser soll nun sein Geschäftsvolumen drastisch herunterfahren. Wann und ob Zypern seine Schulden daher erwartungsgemäß zurückzahlen kann, steht in den Sternen. Das Risiko eines Zahlungsausfalls tragen derweil wir Steuerzahler. Die Geschäfte auf Zypern aber dürfen vorerst wie gehabt weitergehen. Mal sehen, wie es die russischen Oligarchen den europäischen Steuerzahlern danken.