




Zahlen oder nicht zahlen? Die Mitglieder des Bundestags debattierten wieder einmal über neue Milliardenhilfen für Griechenland. Die anschließende Abstimmung war deutlich: 496 Parlamentarier stimmten für das zweites Rettungspaket, 90 Abgeordnete lehnten die Milliarden-Hilfen ab, fünf Volksvertreter enthielten sich.
Die Meinung des Volkes spiegelten die Volksvertreter mit ihrem Votum nicht wieder. Bei den Besuchern, die WirtschaftsWoche Online heute vor der Debatte am Reichstag befragte, überwiegte die Skepsis. Martina Grüske aus Ratzeburg etwa lehnt Hilfe für das verschuldete Mittelmeerland ab: „In dem Land läuft so viel verkehrt, dass kein Ausweg in Sicht ist.“ Erst wenn die Griechen aus der Eurozone ausstiegen, hätten sie wieder eine Chance, ihre Wirtschaft in Gang zu bringen.
Diejenigen, die hier heute unter die gläserne Kuppel steigen, werden am Ende mit ihren Steuergeldern die Rettungspakete bezahlen. Auch deshalb hält sich die Begeisterung bei vielen Berlin-Besuchern in Grenzen. Anke Seite aus Freiburg beispielsweise sagt: „Wir arbeiten sehr hart in Deutschland und haben nur einmal im Jahr Urlaub. Das müssen die Griechen jetzt eben auch mal lernen. Man hat dort jahrelang von billigen Krediten gelebt und verlernt, selber etwas zu erwirtschaften“, sagt die 47-Jährige. Ihr Fazit: "Mit dieser ganzen Retterei muss jetzt mal Schluss sein."
Das neue Rettungspaket für Griechenland
Schon im vergangenen Juli hatten die Europartner Griechenland ein zweites Rettungspaket zugesagt. Nach vier weiteren EU-Gipfeln und einem letzten, 13-stündigen Verhandlungsmarathon der Finanzminister bis zum Dienstagmorgen stehen die Einzelheiten fest.
Die Privatgläubiger erlassen Griechenland 53,5 Prozent der ausstehenden Kredite. Wenn sich ausreichend Banken beteiligen, sinkt die Schuldenlast um 107 Milliarden Euro.
Der Rest der Privatschulden wird in neue Anleihen mit Laufzeiten von elf bis 30 Jahren umgetauscht. Dafür erhalten die Banken geringe Zinsen von zwei bis 4,3 Prozent. Insgesamt spart Athen dadurch in den kommenden acht Jahren 150 Milliarden Euro ein.
Die internationalen Geldgeber „versüßen“ den Banken den Schuldenumtausch, indem sie die neuen Anleihen mit 30 Milliarden Euro absichern.
Athen erhält neue Notkredite von 100 Milliarden Euro. Ob der Internationalen Währungsfonds (IWF) davon - wie bei den Programmen für Portugal und Irland - jeweils ein Drittel übernimmt, ist noch nicht klar. IWF-Chefin Lagarde will den Beitrag auch davon abhängig machen, ob die Eurozone ihren dauerhaften Rettungsfonds aufstockt.
Die nationalen Notenbanken geben die Gewinne aus ihren Griechenland-Krediten an Athen zurück. Das soll die Schuldenlast Athens um 1,8 Prozentpunkte senken.
Die Zinsen für die bereits gewährten Notkredite werden auf 1,5 Prozentpunkte oberhalb des Euribor gesenkt.
Der Schuldenerlass und die neuen Finanzspritzen sollen es Athen ermöglichen, seine Gesamtverschuldung bis 2020 von mehr als 160 auf 120,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung zu senken.
Ein Teil der neuen Kredite fließen auf ein Sperrkonto, damit Athen seine anfallenden Schulden künftig auch zurückzahlen kann. Der Schuldendienst hat Vorrang vor anderen Staatsausgaben. Auf dem Konto muss ausreichend Geld für die Schuldentilgung der folgenden drei Monate liegen.
Die Umsetzung des Spar- und Reformauflagen wird von Experten der EU-Kommission permanent in Athen überwacht. Deutschland ist bereit, dazu Fachpersonal zu entsenden.
Auch Robert Sterniczuk aus Berlin hält wenig vom aktuellen Rettungspaket, allerdings aus ganz anderen Gründen: „Was den Griechen von der EU aufgezwungen wird, ist eine Form von moderner Sklaverei“, sagt Sterniczuk. Statt Griechenland Milliarden für den Schuldendienst an private Banken zu leihen, sollte nach seiner Meinung lieber die EZB alle Schulden Griechenlands aufkaufen.
"Die Krise wird auf den Schultern der kleinen Leute ausgetragen"
Die Stimmen vor dem Bundestag bestätigen eine Emnid-Umfrage, die die "Bild am Sonntag" veröffentlichte. Demnach sind 62 Prozent der Bürger gegen das neue 130-Milliarden-Euro-Hilfspaket, 33 Prozent sprachen sich dafür aus. Knapp zwei Drittel der Befragten (64 Prozent) sind überzeugt, dass Griechenland nicht vor der Staatspleite gerettet werden kann.
„Ich finde das Hilfspaket nicht gut, denn die Krise wird auf den Schultern der kleinen Leute ausgetragen", sagt Zoltan Sirak aus Dortmund. "In Deutschland finanzieren die Steuerzahler die riskanten Wetten der Banker. Und in Griechenland haben die Leute nicht einmal was davon: Da leiden einfache Arbeiter unter der Verschwendung ihrer Politiker."