Handynutzer sollen nach einem überarbeiteten Vorschlag der EU-Kommission ab Mitte 2017 doch ohne zeitliche Begrenzung kostenfreies Roaming im EU-Ausland nutzen können. „Wir haben entschieden, dass es keine täglichen Begrenzungen geben soll“, sagte der zuständige EU-Kommissar Andrus Ansip in Brüssel.
Stattdessen solle jeder Nutzer „wie daheim“ Roaming nutzen können. Allerdings müsse Missbrauch verhindert werden können – zum Beispiel, wenn sich Nutzer eine günstige Sim-Karte im Ausland besorgen, um sie dauerhaft zuhause zu nutzen.
Nach heftiger Kritik hatte die Brüsseler Behörde zuletzt einen ersten Plan zur Neuregelung der Auslands-Handykosten zurückgezogen. Demnach waren nur 90 Tage kostenfreies Roaming pro Jahr im EU-Ausland garantiert. Parlament und Staaten hatten die Neuregelung vergangenes Jahr beschlossen. Die EU-Kommission sollte lediglich noch Details ausarbeiten. „Dauerhaftes Roaming“ war in dem Beschluss nicht vorgesehen. Was das bedeutet, sollte die EU-Kommission ausarbeiten.
Wie Sie sich vor Handy-Kostenfallen im Ausland schützen (Stand April 207)
Mit Roaming (zu deutsch etwa "wandern", mit Bezug auf den Nutzer, der durch die Mobilfunknetze wandert) werden jene Gebühren bezeichnet, die anfallen, wenn Mobilfunkkunden im EU-Ausland zum Handy greifen.
Zum Ärger von Verbraucherschützern und Regulierern hielten die Roaming-Kosten die Tarife lange Zeit hoch und sorgten dafür, dass die Anbieter sich eine goldene Nase verdienten.
Quelle: Bundesnetzagentur, Verbraucherzentrale, dpa
Stand: April 2017
Um allzu hohe Rechnungen zu vermeiden, schreibt die Roaming-Verordnung innerhalb der europäischen Union vor, dass Mobilfunkanbieter eine Obergrenze von 50 Euro anbieten müssen. Seit 2012 gilt zudem der Kostenairbag: Jeder Anbieter mit Sitz in der EU darf für weltweites Datenroaming auch im außereuropäischen Ausland maximal 50 Euro (zzgl. Mehrwertsteuer) berechnen.
Aber: Lässt der Netzbetreiber im Nicht-EU-Land, das der Nutzer besucht, es nicht zu, dass der Roamingpartner das Nutzerverhalten in Echtzeit überwacht, gibt es keinen Kostenairbag. Dann muss dem Kunden aber bei Einreise auf dem Handy mitgeteilt werden, dass die Kostenbegrenzung nicht zur Verfügung steht.
Smartphones können sich vom Nutzer unbemerkt ins Internet einwählen, um zum Beispiel ein Software-Update auszuführen, automatisch E-Mails abzurufen oder die Wetterinformationen zu aktualisieren. Dies kann durch rechtzeitiges Ausschalten dieser Funktion beziehungsweise des gesamten Mobiltelefons verhindert werden. Am einfachsten ist es, das Smartphone einfach auf den Flugmodus zu setzen. Dann ist allerdings auch das Telefonieren nicht mehr möglich. Alternativ können auch Softwareaktualisierungen nur noch per WLAN zugelassen werden. Eine entsprechende Einstellung gibt es in jedem Betriebssystem.
Auch Rufweiterleitung oder das Abhören der Mailbox kostet, vor allem in Ländern außerhalb der EU. Hier lauert die Kostenfalle der doppelten Umleitung: Man zahlt zum einen für die Weiterleitung des Gesprächs ins Urlaubsland und dann noch einmal für die Rückleitung auf die deutsche Mailbox.
Reiseführer und City-Guides gibt es auch als Apps, die sich unterwegs mit einem Smartphone nutzen lassen. Das Herunterladen vor Reiseantritt spart Roaming-Gebühren, da die Reiseführer nach dem Download in der Regel ohne Internetverbindung, also offline, zur Verfügung stehen.
In vielen Hotels, Bars und Restaurants stehen WLAN-Hotspots zur Verfügung, mit deren Hilfe günstig, oder sogar kostenfrei, am Urlaubsort im Internet gesurft werden kann. Allerdings muss von der Eingabe von sensiblen persönlichen Daten (wie etwa Online-Banking, Kreditkartennummer) abgeraten werden, da diese leicht ausgespäht werden können.
Der 15. Juni 2017 ist eine Zäsur in der Entwicklung des Mobilfunks: Das umstrittene EU-Roaming wird kostenfrei. Nun soll EU-Reisenden kein Eurocent extra mehr fürs Herumwandern durch fremde Netze aus der Tasche gezogen werden. Zwar müssen auch künftig Roaming-Kosten bezahlt werden, aber es sind nicht mehr die Endkunden, die zur Kasse gebeten werden - im Prinzip jedenfalls.
„Es ist völlig unklar, was nach dem 15. Juni passiert“, analysiert etwa Susanne Blohm, Referentin für Digitales und Medien bei der Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin.
Andere wie das Vergleichsportal Verivox sehen eine Preiswende am Mobilfunk-Himmel heraufziehen. Verbraucher würden für eine Leistung bezahlen, die eigentlich kostenfrei sei, unterstreicht Christian Schiele, Produktchef Telekommunikation bei Verivox. Anbieter wie Telekom und Telefónica hatten bereits vor längerer Zeit ihre Tarife angepasst und EU-Roaming als Inklusivleistung ins Programm genommen. Dafür wurde der Preis leicht nach oben angepasst. Entfallen nun die Roaminggebühren, kommt es zu einer indirekten Preiserhöhung. Es sei denn, die Unternehmen rechnen die Kosten wieder heraus.
Der Kostenfaktor Roaming, argumentiert Verivox, werde nun aufs Inland verlagert und in die Handytarife eingepreist. Folge: Nichtreisende und Geringverdienende zahlten am Ende die Zeche. Einige Discounter wie Billigmarken bei Drillisch sind bereits dazu übergegangen, rein nationale Tarifmodelle zu entwickeln, die eine Auslandsnutzung ausschließen.
Auch jetzt hieß es: „Roaming ist für Reisende.“ Das neue System solle auf Basis des Wohnorts oder einer „festen Verbindung“ zu einem EU-Staat basieren. Dazu gehöre etwa, oft in dem EU-Staat anwesend zu sein, in dem der Provider ansässig sei. Anbieter von Telekommunikationsdiensten sollen einschreiten können, wenn ein Nutzer sich in seinem Heimatland aufhält – aber dennoch dauerhaft auf günstigere Roaming-Tarife aus dem Ausland zurückgreife. Die Telekom-Konzerne sollen solche Nutzer darauf ansprechen und für sie einen Aufpreis einführen können. Verbraucher sollen ihrerseits Einspruchsrechte bekommen, wenn ein Anbieter einen möglichen Missbrauch feststellt.
Der endgültige Vorschlag soll nun im Dezember angenommen werden. Zuvor sind Beratungen mit der europäischen Regulierungsbehörde BEREC, den EU-Staaten und weiteren Beteiligten wie Telekom-Unternehmen geplant.
Die EU-Kommission hatte zuvor versucht, einen möglichen Missbrauch der Roaming-Regelung durch das 90-Tage-Limit zu verhindern. Sie hatte argumentiert, eine längere Nutzungsfrist könne Missbrauch ermöglichen: Nutzer könnten sich einfach in einem EU-Land mit besonders günstigen Preisen eine Sim-Karte besorgen und in teuren Ländern auf Dauer damit telefonieren. Dies würde aus Sicht der Behörde längerfristig auch zu höheren Preisen für Verbraucher führen.
Das ursprünglich vorgeschlagene Mindestkontingent von 90 Tagen decke aber praktisch jeden Bedarf von Reisenden – sie verbrächten in der Regel weitaus weniger Tage im EU-Ausland, hatte es geheißen. Die Kommission betonte zugleich, dass die EU-Roaming-Gebühren seit 2007 um mehr als 90 Prozent gefallen seien.