Röttgen zum geplatzten U-Boot-Deal „Die Prioritäten der USA verschieben sich“

Die Prioritäten der USA verschieben sich, sagt Norbert Röttgen. Quelle: dpa

Die USA schnappen Frankreich ein Milliardengeschäft mit U-Booten weg, Präsident Macron ruft seine Botschafter zurück, Ministertreffen werden abgesagt. Welche Folgen hat das Zerwürfnis für die Nato und Europas Rüstungsindustrie? CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen erklärt im Gespräch die Hintergründe.

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WirtschaftsWoche: Australien hat einen 56-Milliarden-Euro-Deal über U-Boote mit Frankreich zugunsten der USA und Großbritannien aufgekündigt. Wie sehr belastet der Ärger der Franzosen die Beziehungen Europas zu den USA?
Norbert Röttgen: Die Franzosen haben einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden und sind unnötig brüskiert worden. Es ist verständlich, dass der Ärger sehr groß ist. Eskalation gegenüber den USA ergibt aber keinen Sinn, sie vergrößert den Schaden und auch Frankreich bleibt weiter auf die Unterstützung der USA in seinen Auslandseinsätzen angewiesen. Die USA sind und bleiben für die Sicherheit Europas unverzichtbar. Der umfassende Sicherheitspakt AUKUS, zu dem auch das U-Boot-Geschäft gehört, ist eine Reaktion auf die wachsende militärische Präsenz Chinas im Indo-Pazifik, sein dominierendes Auftreten und die Sanktionspolitik gegenüber dem unliebsamen Verhalten Australiens. Für die USA und Australien ist es von überragender strategischer Bedeutung, eine chinesische Dominanz auf der Basis maritimer militärischer Übermacht zu verhindern. Dass sich Australien hierfür bestmöglich aufstellt, ist letztendlich auch im Interesse Europas.

Präsident Macron hat seine Botschafter aus den USA und Australien zurück nach Paris beordert. Ist das eine angemessene Reaktion?
Der französische Präsident fühlt sich gekränkt und übergangen und das in einer innenpolitisch für ihn heiklen Lage. Trotzdem ist es jetzt wichtig, dass wir uns zusammensetzen und die richtigen Konsequenzen ziehen. Nach Afghanistan sehen wir erneut, dass sich die Prioritäten der USA verschieben. Außenpolitisch stehen nicht mehr Europa und unsere Nachbarregionen im Fokus, sondern China und der Indo-Pazifik. Die USA wollen von uns eine echte Partnerschaft mit eigenem Beitrag zur transatlantischen Allianz. Wir müssen den europäischen Pfeiler innerhalb der Nato stärken, nicht gegen die USA, sondern in enger Kooperation.



Frankreich fühlt sich von den Nato-Partnern USA und Großbritannien hintergangen. Erschüttert der Streit das Nato-Bündnis nachhaltig?
Die Nato war schon vor dem Afghanistandesaster in keiner einfachen Verfassung. Es ist noch nicht lange her, da hat Präsident Macron die Nato für hirntot erklärt. Das hat den Rest des Bündnisses, gerade die zentral- und osteuropäischen Mitglieder, die sich von Russland bedroht fühlen, nicht besonders erfreut. Statt das Bündnis rhetorisch zu schwächen, sollten wir an den tatsächlichen Fähigkeiten Europas innerhalb der Allianz arbeiten. Umso mehr Gewicht wir haben, desto schwerer wird es, uns zu übergehen.

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Muss sich Europa mit Blick auf die eigene Industrie bei der Rüstung künftig mehr von den USA distanzieren?
Nein. Wir müssen einfach besser sein. Das werden wir nur, wenn die europäischen Staaten ihre Rüstungsindustrien sicherheitspolitisch aufstellen, das heißt stärker zusammenführen, statt nationale Wirtschaftsförderung zu betreiben. Es stimmt: Die U-Boote sind die Mitgift eines viel umfassenderen Abkommens. Aber sie sind eben auch für die Sicherheitsanforderungen in der Region erheblich besser geeignet als mit Dieselmotor betriebene U-Boote.

In Südostasien wächst angesichts der Atom-U-Boote für Australien die Sorge vor einem atomaren Wettrüsten im Indopazifik. Ist die Vereinbarung über eine atomwaffenfreie Zone in der Region hinfällig und fürchten Sie eine Eskalation?
Australien besitzt keine Atomwaffen. Daran ändert auch das Abkommen nichts, denn es geht hier nicht um die nukleare Bewaffnung, sondern um den nuklearen Antrieb von konventionell bewaffneten U-Booten. Ein nukleares Wettrüsten ist deshalb nicht zu erwarten.

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