Rückkehr mit Chancen Wie Deutschland abgelehnten Asylbewerbern beim Neustart hilft

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Albanien und der Kosovo sind die Armenhäuser Europas

Was aber kann man den Menschen anbieten? Albanien und der Kosovo sind die Armenhäuser Europas, der durchschnittliche Monatslohn liegt bei 250 bis 300 Euro. Seit Ende des Kosovo-Krieges 1999, als Nato-Luftangriffe den serbischen Autokraten Slobodan Milosevic in die Knie zwangen, flossen allein in den Mini-Staat Kosovo mit seinen 1,8 Millionen Einwohnern rund vier Milliarden Euro an internationalen Hilfsgeldern.

Doch noch immer sind Bildungs- und Gesundheitssystem marode, die Arbeitslosenquote liegt offiziell bei 28 Prozent, bei jungen Leuten sogar bei 50 Prozent.

Die Wirtschaft wächst zwar mittlerweile jährlich um beachtliche vier Prozent. Allerdings ist das Ausgangsniveau extrem niedrig; schon als Teil Jugoslawiens war die Region kaum industrialisiert.

Der Kosovo, das Armenhaus des Balkans

Und dann die Energieversorgung: Der Strom fließt leidlich stabil – doch wenn der Wind schlecht steht, sorgt das prähistorische Kohlekraftwerk vor den Toren Pristinas für eine Dunst- und Rußglocke, die selbst Peking als Luftkurort erscheinen lässt. Politisch ist die Lage ohnehin fragil. Der Kosovo hat sich 2008 für unabhängig erklärt – doch noch immer müssen Nato-Truppen im Rahmen der KFOR-Mission den brüchigen Frieden zwischen Kosovo-Albanern und der serbischen Minderheit sichern.

Deutsch lernen mit Donald Duck

Es sind daher Geschichten wie die von Ramadan Kurti und Jehona Shala, die zumindest ein wenig Hoffnung machen. Kurti, 27, kommt aus der Stadt Mitrovica im Norden des Landes. Während des Krieges war das Gelände rund um sein Elternhaus mit Tretminen verseucht; die Eltern verboten dem Jungen, draußen zu spielen. Kurti vertrieb sich die Zeit daraufhin am Fernsehen, genauer: mit deutschen Zeichentrickserien auf Super RTL. Auf diese etwas unorthodoxe Weise lernte der Junge Deutsch. Später studierte er die Sprache anderthalb Jahre an der Universität, jobbte in den Semesterferien in einem Münchner Hotel und fand schließlich einen Job in einem Callcenter in Pristina.

Nach Schulungen durch das Dimak und ausgerüstet mit einem väterlichen Kredit machte er sich vor Kurzem selbstständig. Kurti führt nun zusammen mit einem Partner sein eigenes Callcenter in Mitrovica, Auftraggeber ist unter anderem ein deutscher Hundefutterhersteller. Das junge Unternehmen hat fünf Mitarbeiter eingestellt und die, so Kurti, „sind allesamt Rückkehrer aus Deutschland“. Dass er im Kosovo bleibt, steht für den jungen Mann außer Frage.

Ramadan Kurti führt nun zusammen mit einem Partner sein eigenes Callcenter in Mitrovica. Quelle: Thomas Imo

Bei Jehona Shala, 30, war das nicht immer so klar. „Ich war ohne Job und ohne Perspektive, ich habe überlegt zu gehen“, sagt sie. Es kam anders – auch Shala hat jetzt ihre eigene kleine Firma. QRAP Foods ging im Februar an den Start, nach dem sich Shala bei einem Start-up-Wettbewerb für Frauen durchgesetzt hatte. Die GIZ half beim Business Plan und organisierte im Rahmen eines Patenprogramms professionelle Beratung; der kosovarische Staat zahlte eine Starthilfe von 3000 Euro.

Deutsche Unternehmen strecken ihre Fühler aus

Jetzt arbeitet Shala zwar „von sieben Uhr bis sieben Uhr“, doch sie sprüht vor Energie. Ihre Geschäftsidee: Das im Kosovo beliebte Maismehl, das auf den Märkten unter hygienisch fragwürdigen Umständen aus offenen Säcken verkauft wird, stellt sie selber her und verpackt es in handliche Portionen, das Päckchen kostet 80 Cent. In ihrem Heimatort in der Nähe von Mitrovica „verkaufen mittlerweile 90 Prozent der Lebensmittelgeschäfte mein Produkt“, sagt sie stolz. Kürzlich hat sie ihren ersten Mitarbeiter eingestellt.

Sicher: Kurti und Shala sind Einzelfälle. Fakt ist aber, dass sich trotz aller ökonomischen und sozialen Probleme im Kosovo nicht alles schlecht entwickelt. Die Inflation ist mit zwei Prozent niedrig. Auslandskosovaren betätigen sich zunehmend als Investor in ihrer Heimat und haben bereits über 8000 Jobs geschaffen. Weil viele Kosovaren Deutsch sprechen – während des Krieges lebte gut ein Viertel der Bevölkerung vorübergehend als Flüchtling in Deutschland – strecken auch andere deutsche Unternehmen vorsichtig ihre Fühler aus, etwa aus der Textilindustrie.

Die Autobahn, die von der albanischen Grenze nach Prizren und Pristina führt, ist in besserem Zustand als Teile der deutschen A8. Überall entlang der Strecke wachsen kleine Häuser aus rotem Stein aus dem Boden, so genannte Bruderhäuser, die Väter nach alter Tradition ihren Söhnen bauen. Auch in der Hauptstadt Pristina wird an vielen Ecken gehämmert und gebaut. Die Stadt ist ein Hort sozialistischer Betonarchitektur und schnell hochgezogener Zweckbauten; sie wuchert an ihren Rändern immer weiter die umliegenden Hügel hinauf. Aber es kommen langsam auch trendige Cafés, Restaurants, und moderne Büro- und Firmengebäude hinzu.

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