Rumänien So läuft der Betrug mit EU-Fördergeldern

Blick auf die rumänische Stadt Klausenburg. Quelle: imago images

EU-Fördermittel sind für europäische Unternehmen in Rumänien ein immenser Investitionsanreiz. Unter dem Betrug bei der Verwendung dieser Gelder leiden auch Unternehmen aus Deutschland.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Cristof Labancz steuert seinen rüstigen Geländewagen durch die ländliche Einöde nördlich von Klausenburg, einer Stadt im Nordwesten von Rumänien. In fast jedem Dorf, durch das der rumänische Architekt und Landwirt seinen Wagen steuert, stehen dieselben mannshohen Schilder, die das Sternenbanner der EU vor blauem Hintergrund ziert. Die Schilder stehen vor Spielplätzen, sie finden sich vor Turnhallen, sie stehen vor Pensionen. Das Schild mit dem Sternenbanner bedeutet, dass diese Projekte mit EU-Mitteln gefördert wurden. 

Labancz, der nahe Klausenburg eine Landwirtschaft mit mehr als tausend Schafen betreibt, kennt die Geschichten hinter vielen dieser Schilder. Er weiß, wer in welchem Ort schon vor Gericht erscheinen musste, weil er den Spielplatz kleiner gebaut hat als ursprünglich angegeben. Labancz weiß, dass viele Erbauer der geförderten Pensionen die Häuser nach Ablauf der Nachweispflicht als Privathäuser nutzen. 

Was er nicht weiß, ist, welche Veranstaltungen in den Turnhallen stattfinden. Wozu rumänische Dörfer eine derartige Fülle an brandneuen Turnhallen brauchen, weiß auch sonst so gut wie niemand zu sagen.

EU-Fördergelder sind für rumänische und europäische Unternehmer nach wie vor ein immenser Anreiz, in das südosteuropäische Land zu investierten. In einigen Fällen sind sie jedoch auch ein Anreiz für Betrug, Schummeleien und Bestechungsversuche. Mit diesen Strukturen haben auch deutsche Unternehmen zu kämpfen, die in Rumänien um EU-Mittel ansuchen.

Die offiziellen Zahlen zum Betrug bei der Verwendung von EU-Fördergeldern sind enorm. Die rumänische Antikorruptionsbehörde DNA führt diesen Bereich neben Schmiergeldzahlungen bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen zu den häufigsten Korruptionsdelikten. 2017 hat die Behörde wegen Betrugs in Zusammenhang mit EU-Geldern in 130 Fällen Anklage gegen insgesamt 344 Personen erhoben. Das entspricht einer Verdoppelung der Fälle seit 2015. 

„Jedes zehnte Korruptionsdelikt kommt aus dem Bereich der EU-Fördergelder“, sagt der rumänische Investigativjournalist Petrisor Cana von der Zeitung „Evenimentul Zilei“. Cana kann nachmittagsfüllend von Betrugsfällen mit EU-Geldern berichten, einer haarsträubender als der andere. Zuletzt recherchierte er etwa in der Gegend der rumänischen Stadt Giurgiu nahe der bulgarischen Grenze. Dort bezog ein Agrarunternehmer Fördergelder für eine Krautplantage samt Fabrik. Doch statt einer Fabrik fand sich vor Ort nur ein Schuppen und eine Grube. Das angeblich angebaute Kraut wurde aus Bulgarien importiert. Die Verarbeitung fand nur am Papier statt. 

Auch deutsche Unternehmer in Rumänien machten schon schlechte Erfahrungen mit der Praxis beim Bezug von EU-Fördermitteln. Der deutsche Kleinunternehmen Paul Dornauer, der in Berlin gerade eine Flotte für das Taxiunternehmen Uber aufbaut, versuchte sich vor zwei Jahren in Rumänien ein zweites Standbein aufzubauen. Die EU-Fördermittel waren ausschlaggebend für seinen Plan, nahe der Stadt Piatra Neamt im Osten Rumäniens eine Pension zu bauen. 

„Die Idee zu dem Projekt entwickelte ich mit einem Geschäftspartner aus Rumänien“, sagt Dornauer. Sein Partner stellte das Grundstück zur Verfügung, Dornauer ließ im Gegenzug bei einem rumänischen Architekten die ersten Pläne für das kleine Hotel zeichnen. 

„Der Architekt wollte das Projekt auf dem Papier teurer machen“

Die ersten Irritationen begannen, als der Architekt Dornauer die Kostenrechnung vorlegte. „Der Architekt schlug mir vor, dass wir das Projekt auf dem Papier teurer machen können, um mehr Fördermittel zu bekommen“, sagt Dornauer. Er lehnte das Angebot ab. 

Journalist Cana kennt die Masche mit dem Hochrechnen der Kosten von zahlreichen anderen Projekten. „Diese Betrugsform ist sehr oft anzutreffen. Statt der angegebenen teuren Materialien werden dann einfach billigere verbaut. Die Differenz teilen sich die Partner dann untereinander auf“, so Cana. 

Nachdem er das Ansinnen des Architekten abgelehnt hatte, stieß Dornauer auf weitere Probleme. So wollte ein Beamter aus der Gegend, der von dem Bauprojekt erfahren hatte, Dornauer treffen. Schon der Ort des Treffens bereitete dem deutschen Unternehmern Unbehagen: In einer Bauruine soll das Treffen stattgefunden haben. „Mein Handy musste ich vorher einer Begleitperson des Beamten aushändigen“, erzählt Dornauer.

Der Beamte schlug Dornauer schließlich vor, dass er sein Bauprojekt beschleunigen und die Zusage der EU-Fördermittel garantieren könne. Er würde entsprechende Entscheidungsträger kennen. 10.000 Euro wollte er für diese Dienste haben. 5000 Euro sofort, 5000 Euro nach erfolgreicher Bewilligung als Prämie. Dornauer lehnte ab. Nach Querelen mit seinem Projektpartner ließ Dornauer letztlich ganz die Finger von der Errichtung der Pension. Auf den Kosten für den Architekten und die Rumänien-Reisen blieb er sitzen. 

Überprüfen lassen sich die Angaben Dornauers nicht. Weder den Architekten noch den Beamten konnte die WirtschaftsWoche ausfindig machen. Dass die Angaben Dornauers plausibel sind, bestätigt jedoch Journalist Cana. „Nicht selten werden Schmiergeldzahlungen an Entscheidungsträger oder deren Umfeld geleistet, um die Förderung durch EU-Gelder sicherzustellen“, sagt Cana.

Schlechte Erfahrungen mit EU-Fördermitteln hat auch der deutsch-rumänische Unternehmer Manfred Engelmann gemacht. Früher half er mit seiner Beraterfirma Engelmann Consult deutschen Unternehmen, in Rumänien Fuß zu fassen. Als 2015 das Recycling-Geschäft in Rumänien große Gewinne versprach, wollte Engelmann mitmischen. Angelockt durch die EU-Mittel und eine rumänische Partnerin investierte er in ein Recycling-Projekt. 

Was Engelmann damals noch nicht wusste: Die Geschäftspartnerin war eine mutmaßliche Betrügerin. In zahlreichen Fällen hatte sie Geschäftspartner hohe Profite durch EU-Mittel in Aussicht gestellt. Als 2015 erste Ermittlungen gegen sie begannen, setzte sie sich ab. Heute wird sie in Dubai vermutet. Auf seinem Schaden von rund 50.000 Euro blieb Engelmann sitzen. 

Auch der studierte Architekt Cristof Labancz hat für diverse Projekte um EU-Fördermittel angesucht. Bewilligt wurden seine Projekte allerdings nie. Den omnipräsenten Schildern mit dem EU-Sternenbanner können er und viele andere Rumänen deshalb wenig Gutes abgewinnen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%