Safe Harbor Umstrittener Rechtsrahmen für Datenaustausch mit USA steht

Was geschieht mit persönlichen Kundendaten, wenn ein Unternehmen Geschäftspartner in den USA hat? Antworten auf diese Frage soll eine neue Datenschutz-Vereinbarung mit den USA geben. Kritikern ist das nicht genug.

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Wer beim Datenschutz gute Noten bekommt
Ist Datenschutz schon in Deutschland eine heikle Sache, sieht es in den USA noch viel kritischer aus: Die dortigen Ermittlungsbehörden wie die NSA haben durch den Patriot Act, der nach den Anschlägen des 11. September 2001 erlassen und kürzlich leicht abgemildert wurde, viel umfassendere Rechte und Befugnisse zur Abfrage von Daten von Privatpersonen. Und diese nutzen sie auch, während die Gesetze und Regulierungen im Bereich Datenmanagement und Datenschutz mit den technologischen Entwicklungen nicht mithalten können. Die Nichtregierungsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) will mit ihrem regelmäßigen Datenschutz-Report „Who has your back“ auf dieses Problem aufmerksam machen. EFF untersucht 24 große IT- und Telekomunternehmen daraufhin, wie sie mit dem Thema Datenschutz umgehen. Quelle: dpa
Der Report bewertet einerseits, ob sich Firmen gegen teils willkürliche staatliche Überwachung wehren. Zudem wird die Transparenz bewertet, die Firmen darüber herstellen, ob und wie staatlichen Ermittlungsbehörden bei ihnen Zugriff auf Nutzerdaten fordern. Die EFF hat über vier Jahre die Praktiken großer Internet- und IT-Konzerne beobachtet und analysiert, ob die Firmen ihren Fokus eher auf den Schutz der Nutzerdaten oder eher auf die Kooperation mit staatlichen Ermittlern legen. Dabei konnten sie in den vergangenen vier Jahren eine Entwicklung feststellen. Quelle: AP
Während das Thema Datenschutz vor vier Jahren bei kaum einem Unternehmen auf der Agenda stand, hat nun – einige Snowden-, Wikileaks-Enthüllungen und Spähaffären später – laut EFF ein Umdenken eingesetzt: Viele Firmen veröffentlichen Reports über ihren Umgang mit Nutzerdaten und über Regierungsanfragen nach Nutzerdaten. Quelle: dpa
Die EFF hat die Entwicklungen damit aufgefangen, dass sie die Firmen nun unter anderem in der Kategorie des industrieweiten Standards vorbildlicher Praktiken bewerten. Ihre Kriterien im Überblick: 1. Unter dem erwähnten industrieweiten Standard verstehen die Aktivisten etwa, dass die Firma den Staat bei einer Datenanfrage nach einer offiziellen Vollmacht für den spezifischen Fall fragt. Außerdem wird erwartet, dass das Unternehmen einen Transparenzreport über staatliche Anfragen veröffentlicht und dass die Firma deutlich macht, wie sie mit den Regierungsanfragen formell verfährt. 2. In einer weiteren Kategorie wird geprüft, ob Internetfirmen die jeweiligen Nutzer einzeln informieren, wenn sie beziehungsweise ihre Daten von Regierungsanfragen betroffen waren. Als Best Practice Beispiel gelten die Firmen, die ihre Nutzer schon vor der Weitergabe über solche staatlichen Anfragen informieren, sodass diese sich juristisch zur Wehr setzen können. Quelle: dpa
3. Die Aktivisten checkten auch, ob Firmen bekannt machen, wie lange sie Nutzerdaten speichern. Es wurde dabei nicht bewertet, wie lange die Unternehmen IP-Logins, Übersichten über individuellen Datentransfer und auch eigentlich bereits gelöschte Daten speichern und für Ermittlungen verfügbar halten – es geht nur um die Transparenz.4. Regierungen und staatliche Ermittlungsstellen fragen nicht nur Nutzerdaten an, teils verlangen sie von Internet- und Telekomkonzernen auch, unliebsame Nutzer zu blockieren oder Nutzeraccounts zu schließen. Für diese Praxis war zuletzt insbesondere Facebook kritisiert worden, das einige Insassen von Gefängnissen an der Eröffnung eines Accounts hinderte. Auch Informationen darüber honorierten die Aktivisten mit einer positiven Bewertung, wobei ihnen besonders Twitter in dieser Kategorie mit einem umfangreichen Report über Lösch-Gesuche positiv auffiel. 5. Unternehmen bekamen auch eine positive Bewertung, wenn sie sich im öffentlichen Diskurs gegen staatlich geduldete oder gar intendierte Hintertüren in Software und Netzwerken stellen. 21 von 24 untersuchten Firmen nehmen mittlerweile eine solche kritische Position gegenüber dem Überwachungsstaat ein. Quelle: dpa
Adobe hat laut den Aktivisten in den vergangenen Jahren alle Best Practice Standards übernommen, die in der Branche etabliert sind. Adobe verlangt von Ermittlungsbehörden eine explizite Erlaubnis, Daten von Nutzern anzufordern und bekennt sich zudem öffentlich dazu, keine Hintertüren in die eigene Software einzubauen. „Alle Regierungsanfragen für Nutzerdaten müssen bei uns durch den Vordereingang kommen“, schreibt Adobe in seinem Transparenzreport. Die EFF wertet eine solche starke Position gegen die früher gängige Praxis als bemerkenswert – unabhängig von der Wahrhaftigkeit. Quelle: AP
Triumph für Tim Cook. Apple erfüllt alle Kriterien der Aktivisten für möglichst große Transparenz im Bereich Datensicherheit. Der IT-Konzern lässt allerdings einige Hintertürchen offen, neben den Verpflichtungen zur Verschwiegenheit, die ihm etwa durch Gerichte in Einzelfällen auferlegt werden können. Apple behält sich vor, Nutzer nicht über eine Datenabfrage zu informieren, wenn dies nach Einschätzung des Unternehmens gefährlich für das Leben oder die Unversehrtheit von Personen werden könnte. Dies lässt Raum zur Deutung. Quelle: REUTERS

Der neue Rechtsrahmen für den Datentransfer in die USA ist nach monatelangem Tauziehen in Kraft getreten. Die Brüsseler EU-Kommission nahm am Dienstag die Regelung „EU-US-Datenschutzschild“ an. Sie legt Standards für den Umgang mit europäischen Informationen in den USA fest. Vor allem von Datenschützern kam zum Teil harsche Kritik. Die auch als „Privacy Shield“ bekannte Neuregelung war nötig geworden, nachdem der Europäische Gerichtshof die Vorgänger-Vereinbarung „Safe Harbor“ gekippt hatte. Die Luxemburger Richter sahen die Daten in den Vereinigten Staaten nicht ausreichend vor dem Zugriff von Behörden und Geheimdiensten geschützt.

Diese Probleme sind aus Sicht von EU-Justizkommissarin Vera Jourova nun gelöst: „Der Datenschutzschild unterscheidet sich fundamental von Safe Harbor“, versicherte sie. In den USA soll künftig eine Ombudsstelle über den Umgang mit Daten wachen, das massenhafte Sammeln von Informationen soll nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt sein. Der österreichische Facebook-Kritiker Max Schrems, der das EuGH-Verfahren ins Rollen gebracht hatte, kritisierte die Regelung hingegen scharf. „Das ist meilenweit entfernt von dem, was der Gerichtshof verlangt hat“, sagte er.

Kritiker bemängeln insbesondere, dass die USA im Dienste der nationalen Sicherheit weiter massenhaft Daten von Bürgern sammeln dürften. Sie könnten dies etwa im Kampf gegen Spionage, Terrorismus, Massenvernichtungswaffen oder eine Bedrohung der amerikanischen Streitkräfte.

Zustimmung zur Aussage: "Ich sehe meine Privatsphäre durch die Nutzung digitaler Technologien bedroht"

Die innenpolitische Sprecherin der Sozialdemokraten im Europaparlament, Birgit Sippel (SPD), geht davon aus, das auch der Datenschutzschild vor Gericht landen wird. „Privacy Shield ist ein Schild mit vielen Datenschutz-Löchern. Kommt es zu einer Klage, ist ein erneutes Scheitern vor dem Europäischen Gerichtshof sehr wahrscheinlich“, meinte sie. US-Handelsministerin Penny Pritzker gab sich hingegen überzeugt, die Regelung werde auch juristische Verfahren überstehen.

„Traurigerweise hilft die Vereinbarung bei Datenschutz und Geschäft niemandem“, kritisierte hingegen der Direktor der Organisation European Digital Rights, Joe McNamee. Das Centrum für Europäische Politik findet den Schutz vor staatlichen Zugriffen auf personenbezogene Daten weiterhin unzureichend. Die Fraktion der Sozialdemokraten im Europaparlament sprach von einem „Schild mit vielen Datenschutz-Löchern“. Jan Philipp Albrecht, innen- und justizpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion im Europäischen Parlament kritisierte, die Kommission erteile einen „Blankoscheck“ für den Transfer personenbezogener Daten in die USA und missachtet damit Forderungen aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs.

Der europäische Arbeitgeber-Dachverband BusinessEurope begrüßte die Regelung. Sie schaffe Rechtssicherheit für tausende Unternehmen auf beiden Seiten des Atlantiks, erklärte Generaldirektor Markus J. Beyrer. „Transatlantische Datenflüsse sind wesentlich für den Erfolg der europäischen Wirtschaft und die heutige Entscheidung wird die Schaffung von Arbeitsplätzen überall in der Industrie befördern.“ Auch bei deutschen Industrie- und Digitalverbänden traf die Neuregelung auf weitgehende Zustimmung. „Privacy Shield wird den transatlantischen Datenschutz nachhaltig verbessern“, sagte Susanne Dehmel, Bitkom-Geschäftsleiterin Datenschutz und Sicherheit.

Der Bundesverband der deutschen Industrie BDI begrüßte die Neuregelung als zentrales Element für die digitale Wettbewerbsfähigkeit Europas. „Der neue Pakt schafft endlich wieder die notwendige Rechtssicherheit für den transatlantischen Datenverkehr“, sagte BDI-Präsident Ulrich Grillo. Der neue Rechtsrahmen sehe ein deutlich höheres Datenschutzniveau vor, betonte der Internet-Verband eco. Vor allem kleinere Unternehmen hätten jedoch nun viel Klärungsbedarf.

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