Schuldenkrise Der Euro ist nicht schuld an der Krise

Seite 3/4

Aufbau der Studie

Simulierte Entwicklung der Staatsverschuldung ohne Euro-Einführung Quelle: Reinhardt-Rogoff

Ohne ein Credo für oder wider den Euro abzugeben: Man kann die Erkenntnisse der empirischen Forschung mit experimentellen Rahmenbedingungen verbinden und damit zeigen, wie hoch der Schuldenstand in den Euro-Ländern heute ohne die Einführung des Euro wäre. Hierfür haben wir in einem ersten Schritt zwischen den Euro-Ländern einerseits und den Nicht-Euro-Ländern der OECD als Kontrollgruppe andererseits unterschieden. Überall erklärt im Prinzip derselbe komplexe Mix aus ökonomischen und politischen Faktoren die Verschuldung. Nachdem wir die Erklärungskraft dieser Faktoren in allen Ländern über einen langen Zeitraum bis zur Einführung des Euro empirisch feststellten, haben wir in einem zweiten Schritt die vermeintliche Entwicklung in den Euro-Ländern so simuliert, als hätten sie den Euro nicht eingeführt (im Schaubild: „synthetische Euro 11“).  Im dritten Schritt lassen sich die simulierten mit den tatsächlichen Schuldenständen vergleichen, um eine Aussage über den Zusammenhang zwischen Schuldenstand und Einführung des Euro zu treffen, die im Schaubild vereinfachend dargestellt wird.

Die Ergebnisse sind überraschend und widersprechen der Kritik am Euro als Verursacher eines hohen Schuldenstands in den Euro-Ländern insgesamt. Zunächst einmal macht der Grad an Übereinstimmung beider Linien deutlich, wie gut die Vorhersage für beide Ländergruppen bis zum Zeitpunkt der Einführung des Euros, also der Vorperiode bis zum Jahr 1999 ist. Anschließend zeigt der Linienverlauf, dass der heutige Schuldenstand in den simulierten Euro-Ländern ohne Euro-Einführung weitaus höher liegen würde. In Zahlen umgerechnet wären nach unserer Berechnung die Schulden der 11 Euro-Gründungsländer (inklusive Griechenland) schon bis 2011 um ca. 400 Milliarden Euro höher ausgefallen – eine Zahl, die über dem heutigen Gesamtschuldenstand Griechenlands liegt. So hat die Kontrollgruppe bestehend aus den USA, Kanada, Großbritannien, Japan, Norwegen und Island vergleichbar mehr Schulden gemacht als die Euro-Länder. Unterscheidet man in einem weiteren Schritt zwischen Geber- und Nehmerländern des europäischen Strukturfonds, dann sind vor allem die Geberländer Deutschland, Niederlande, Belgien, Frankreich, Finnland und Österreich für dieses Ergebnis verantwortlich.

Warum findet sich dieser Effekt in den Geberländern? Meine Erklärung folgt dem Beispiel Gerhard Schröders und Jacques Chiracs: Ohne Stabilitäts- und Wachstumspakt würde in diesen Ländern (noch) weniger Haushaltsdisziplin herrschen. Ein wichtiger Grund dürfte sein, dass die Regierungen in diesen Ländern eher fürchten, von ihren Wählern bestraft zu werden. Anders ausgedrückt können selbst „zahnlose“ Vereinbarungen wie der Stabilitäts- und Wachstumspakt wirken, indem sie ein Signal an den Wähler über die Performance ihrer Regierung senden. In den Nehmerländern scheint dieser Zusammenhang nur in Irland und Spanien vorzuliegen, während in Griechenland und Italien eher ein gegenteiliger Effekt zu erkennen ist.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%