Schuldenkrise Deutschland in der Euro-Falle

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Auftakt zur Geldschwemme

Chronologie der Euro-Krise
Chronologie der Euro-KriseGeschönter HaushaltAm Anfang war die Statistik: Der frisch gewählte griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou revidiert Ende Oktober 2009 die Schätzung des staatlichen Haushaltsdefizits. Statt 6 Prozent soll es nun bei 12 bis 13 Prozent liegen. Schon beim Euro-Beitritt hatte Griechenland das Defizit falsch angegeben. Quelle: AP
Erste HilfskrediteNachdem Papandreou ein Sparprogramm von 4,8 Milliarden Euro angestoßen hat, einigen sich IWF und EU am 2. Mai 2010 darauf, Griechenland Kredite über 110 Milliarden Euro bereitzustellen. Die Ratings des Landes verschlechtern sich weiter, im Land gibt es Proteste gegen die Kürzungen. Quelle: dapd
Die EZB mischt sich einWeil Investoren sich von Anleihen aus Griechenland, Portugal, Spanien und Irland trennen und niemand sie haben will, kauft die EZB am 10. Mai 2010 selbst Anleihen der betroffenen Länder. Der Tabubruch beruhigt die Märkte, sorgt aber für tiefe Verwerfungen innerhalb der Zentralbank. Quelle: dapd
Das Geld reicht nichtDie Euro-Länder einigen sich im Juni 2010 darauf, über die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) 750 Milliarden Euro für weitere Krisenhilfen bereitzustellen. 440 Milliarden Euro zahlen die Mitgliedstaaten ein, rund 240 Milliarden können davon als Kredite genutzt werden. Quelle: dapd
Irland in NotWenig später ist es so weit: Irland, das viel Geld in die Rettung seiner von der Finanzkrise gebeutelten Banken gesteckt hat, beantragt am 21. November 2010 Hilfskredite. 85 Milliarden Euro fließen, die Iren beschließen ein Sparprogramm, der Regierungschef tritt zurück, es kommt zu Neuwahlen. Quelle: dpa
Neuer FondsDie EU-Länder einigen sich am 28. November auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), der ab 2013 die EFSF dauerhaft ersetzen soll. Ausstattung: 700 Milliarden Euro, davon 500 Milliarden für Kredite und erstmals Bareinlagen von 80 Milliarden. Private Gläubiger sollen beteiligt werden können. Quelle: dpa
Pakt für den EuroDie EFSF hält nicht bis 2013. Im März 2011 wird das Kreditvolumen auf 440 Milliarden Euro aufgestockt, der Stabilitätsmechanismus soll verschärft und die Wirtschaftspolitik enger koordiniert werden. Wenig später zeigt sich, wie nötig das war: Portugal braucht Hilfe, 78 Milliarden Euro Kredite fließen. Quelle: REUTERS

Das aber dürfte erst der Auftakt zur großen Geldschwemme gewesen sein. Für Ende Februar hat Draghi ein zweites Geldleihgeschäft über drei Jahre angekündigt. Wieder dürfen sich die Banken bei der EZB unlimitiert mit Geld vollsaugen. Die britische Wirtschaftszeitung „Financial Times“ berichtete in der vergangenen Woche, die Banken planten, sich dann doppelt so viel Geld bei der EZB abzuholen wie im Dezember. „Im Februar könnte es leicht eine Billion Euro werden, und wenn sich die Lage an den Märkten verschlechtert, könnte es noch mehr werden“, zitierte die „FT“ einen Banker von Goldman Sachs.

Faule Kredite

Der Grund für den Gelddurst: In diesem Jahr müssen europäische Banken für mehr als 780 Milliarden Euro fällig werdende Anleihen tilgen, davon allein 220 Milliarden im ersten Quartal, und dafür neue Anleihen ausgeben. Das Problem dabei: Viele Banken, vor allem aus den Krisenländern der Euro-Zone, sind voll geladen mit faulen Krediten und stehen auf wackeligen Beinen. Am Kapitalmarkt finden sie daher kaum noch Abnehmer für ihre Anleihen. Daher sind sie darauf angewiesen, die Papiere bei der EZB gegen frisches Geld abzuladen.

Die Währungshüter haben die Tür für die Banken weit geöffnet, indem sie die Qualitätsanforderungen an die Sicherheiten für die Geldleihe drastisch reduziert haben. Akzeptierte die EZB früher nur erstklassige Staatsanleihen als Pfand, so nimmt sie mittlerweile auch einfache Bankkredite als Sicherheit an. Hinzu kommt, dass die nationalen Zentralbanken der einzelnen Euro-Länder beim nächsten großen Leihgeschäft im Februar weitestgehend selbst entscheiden können, welche Sicherheiten sie von den Geschäftsbanken akzeptieren. „Es fehlt nicht mehr viel, dann können sich die griechischen Banken gegen Klopapier als Sicherheit Geld bei ihrer Zentralbank leihen“, heißt es in Bankerkreisen.

Für die Banken ist das ein toller Deal. Sie geben eigene Anleihen aus, reichen sie bei der Notenbank als Sicherheiten ein und besorgen sich im Gegenzug Zentralbankgeld zum Minizins von einem Prozent. Mit einem Teil des Geldes tilgen sie ihre fälligen Altanleihen. Mit dem restlichen Geld kaufen sie höher verzinsliche Staatsanleihen und finanzieren die Leistungsbilanzdefizite sowie die Kapitalflucht aus ihren Ländern.

Fatale Folgen

Die volkswirtschaftlichen Folgen der Politik sind fatal. Schon das Geld aus dem Leihgeschäft im Dezember haben die Banken auf Druck ihrer Regierungen zu einem großen Teil in Staatsanleihen der Krisenländer investiert. Damit haben sie die Kurse nach oben und die Renditen nach unten gedrückt. So hat sich der Effektivzins für dreijährige italienische Staatsanleihen seit seinem Hoch im November von über 7,0 auf 3,5 Prozent mehr als halbiert, der für spanische Anleihen gleicher Laufzeit ist von 6,1 auf 2,6 Prozent gesunken.

Für die Finanzminister der Mittelmeerländer ist das eine tolle Sache, sie können sich jetzt billiger verschulden als noch vor ein paar Wochen. Doch der Reformdruck von den Märkten ist futsch. In Italien hat Monti zwar mit der Reform des Rentensystems und der Liberalisierung einzelner Branchen begonnen. Doch ob ihm auch die alles entscheidende Reform des Arbeitsmarktes gelingt, ist völlig offen. „Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die italienischen Parlamentierer ihrem Regierungschef nur folgen, wenn ihnen der Angstschweiß vor der strafenden Hand des Kapitalmarktes auf der Stirn steht“, sagt Commerzbank-Chefökonom Krämer. Das Risiko ist hoch, dass Montis Nachfolger die Zügel wieder schleifen lässt, wenn der Druck der Märkte ausbleibt. Dann dürfte rasch der Ruf nach weiteren Hilfen aus Berlin laut werden. Nicht ohne Grund macht Monti hinter den Kulissen schon seit Wochen Druck auf Angela Merkel, dem Euro-Rettungsschirm ESM mehr Geld zur Verfügung zu stellen.

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