




Freunde der Ordnungspolitik müssen Zumutungen ertragen, wenn es um Europa geht. Die Bankenaufsicht als erster Schritt zur Bankenunion macht da keine Ausnahme. Zwangsläufig. Denn die europäische Integration verlangt stets nach Kompromissen zwischen 27 Mitgliedstaaten, ihren Traditionen und Interessen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat bei den sechsmonatigen Gesprächen durchaus im Geiste der Deutschen Bundesbank und ihrer Governance-Regeln verhandelt. Schäuble kämpfte für eine personelle und institutionelle Trennung zwischen Geldpolitik und Bankenaufsicht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB). Das ist weitgehend gelungen. Der Vorsitzende des Kontrollgremiums darf nicht gleichzeitig Mitglied des EZB- Direktoriums sein.
Lieber gründlich als schnell
Schäuble kämpfte auch für ein Höchstmaß an Subsidiarität. Tatsächlich sollen Finanzinstitute mit einer Bilanzsumme bis zu 30 Milliarden Euro oder 20 Prozent Anteil am nationalen Bruttoinlandsprodukt weiterhin von der Bankenaufsicht des jeweiligen Sitzlandes kontrolliert werden. Nur die systemrelevanten Banken sollen der grenzüberschreitenden EZB-Überwachung unterliegen. In Deutschland beträfe das zwischen 20 und 30 Institute. Auch einen dritten Erfolg kann Schäuble verbuchen. Gründlichkeit soll vor Schnelligkeit gehen! Das ist leider keine Selbstverständlichkeit in Zeiten „alternativloser“ Rettungsaktionen. Erst wenn die Aufsicht steht – nicht vor März 2014 –, soll die zweite Stufe der Bankenunion starten, nämlich die direkte Rekapitalisierung von gefährdeten Finanzhäusern durch den ESM-Rettungsfonds.
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Europäische Banken
Die Düsseldorfer Traditionsbank IKB importiert die internationale Finanzkrise nach Europa. Fatale Spekulationen am US-Häusermarkt kosten die staatliche Mutterbank KfW 3,5 Milliarden Euro.
Der Freistaat muss die Sachsen LB wegen hoher Verluste an die baden-württembergische
Landesbank LBBW notverkaufen. Sachsens Bürger verlieren 430 Millionen Euro Garantien.
Zockereien bei der irischen Tochter Depfa brechen der einst als solide geltenden Immobilienbank
Hypo Real Estate das Genick. Die HRE kassiert knapp 10 Milliarden Euro staatliche Kapitalspritzen
und beansprucht Bürgschaften von bis zu 124 Milliarden Euro.
Die Münchner Landesregierung steckt 10 Milliarden Euro in ihre von der Finanzkrise gebeutelte Landesbank BayernLB. Brüssel verlangt in der Folge eine Schrumpfung der Bilanz um die Hälfte.
Nach der Übernahme der maroden Dresdner Bank mitten in der Finanzkrise ruft die Commerzbank nach dem Staat. Der pumpt 18,2 Milliarden Euro Rettungskapital hinein.
Die platzende Immobilienblase auf der grünen Insel zwingt mit der Bank of Ireland nicht nur Irlands älteste Bank in die Knie. Auch alle anderen irischen Institute brauchen Staatsgeld – ein 67-Milliarden-Paket der Euro-Zone und des IWF verhindert den Staatsbankrott.
Die Alpha Bank, zweitgrößte griechische Bank, fusioniert mit einer Konkurrentin. Allein kann das Institut 608 Millionen Euro Verluste aus griechischen Anleihen nicht tragen.
Ratingagenturen senken die Bonitätsklasse der französischen Großbanken BNP Paribas, Société
Générale und Crédit Agricole. Europäische Institute reduzieren ihre Frankreich-Einlagen.
Kurz nachdem der Finanzier für die öffentliche Hand den EU-weiten Bankenstresstest bestanden hat, muss Dexia von Brüssel und Paris verstaatlicht und mit 55 Milliarden Euro öffentlichen Garantien
gestützt werden. Grund: notleidende Kredite an griechische Schuldner.
Madrid verstaatlicht den aus regionalen Sparkassen entstandenen Bankkonzern Bankia. Wegen der
spanischen Immobilienkrise braucht Bankia bis zu 24 Milliarden Euro. Spaniens Krisenbanken könnten bis zu 100 Milliarden Euro Kredite und Kapital benötigen.
Die WestLB, Landesbank Nordrhein-Westfalens, macht nach gigantischen Verlusten für immer dicht. Brüssel ordnet die Abwicklung an. Kosten für Staat und Sparkassen: 18 Milliarden Euro.
Hohe Abschreibungen bei Firmenkrediten reißen eine der ältesten Banken der Welt in den Abgrund.
Die Bonität der 1472 gegründeten Monte dei Paschi di Siena sinkt auf Ramschniveau. Viele italienische Banken leiden zudem unter Abschreibungen auf Staatspapiere.
Die Regierung des Inselstaats Zypern fordert EU-Hilfen für ihren Bankensektor. Das größte Institut,
die Bank of Cyprus, kann ihre Kapitallücke nicht allein aus privaten Geldquellen stopfen.
Natürlich holen Kritiker der Euro-Rettungsmechanismen an dieser Stelle tief Luft. Wer einzelne Staaten und ihre Regierungen von ihrer finanziellen Verantwortung für jahrelanges Kontrollversagen entbindet, belastet stattdessen die Staatengemeinschaft – oder besser: deren Steuerzahler. Allerdings war der Druck der Südländer, Frankreichs und selbst Österreichs (hohe Abschreibungen aus dem Osteuropageschäft!) an dieser Stelle zu groß. Und wäre es nach der EU-Kommission gegangen, so gäbe es die direkte Rekapitalisierung bereits ab 1. Januar 2013.
Bluten für Spanien
Zwar hat sich Schäuble in der Nacht zum 13. Dezember überraschend deutlich in wichtigen Punkten zur Bankenaufsicht durchgesetzt. Doch schon bei der noch erforderlichen Formulierung der Verordnung ist penible Vorsicht geboten, dass keine Klinken hineingefriemelt werden. Etwa ein Vorziehen der direkten Rekapitalisierung von Banken durch den ESM. Oder ein eingeschränktes Kontrollrecht der EZB bei den nationalen Aufsichten.
Vorsicht ist auch bei der späteren Vertiefung der Bankenunion geboten. Die EU-Kommission will nämlich auch die Einlagensicherung vergemeinschaften. Für spanische Banken bluten? Nie und nimmer wollen das die deutschen Sparer! Eine entsprechende Vorlage hat die Kommission lediglich zurückgestellt.