Hatte es nach Einführung des Euro noch so ausgesehen, als trete die EZB in die stabilitätspolitischen Fußstapfen der Deutschen Bundesbank, so hat sich der Wind nach Ausbruch der Finanzkrise gewaltig gedreht. Aus Furcht, die Schuldenkrise in Griechenland könne die Währungsunion zerreißen, entschied die EZB im Frühjahr 2010 – gegen den Widerstand der Bundesbank – Griechen-Bonds am Sekundärmarkt zu kaufen. „Die Europäische Zentralbank hat sich in den Dienst der Politik gestellt, sie ist zu einer Unterabteilung der Finanzministerien verkommen“, kritisiert Barclays Chefökonom Polleit.
Tatsächlich haben die Notenbanker bisher für knapp 220 Milliarden Euro Staatsanleihen gekauft, nicht nur aus Griechenland, auch aus den anderen Krisenländern der Euro-Zone. Im Gegenzug haben sie Zentralbankgeld in das Bankensystem gepumpt. Zwar bietet die EZB den Banken regelmäßig verzinste Termineinlagen an, um den Abfluss des frisch gedruckten Geldes in die Wirtschaft zu stoppen. Doch wie lange sich die Banken auf diese Geschäfte einlassen, ist offen. Zieht die Konjunktur an, könnten die Banken auf die Einlagen bei der EZB pfeifen und das Geld für rentablere Kredite an Unternehmen und Häuslebauer verwenden.
Der Machtzirkel der Geldpolitik
Der Wandel der EZB vom Geldwächter zum Finanzier der Regierungen spiegelt sich in der personellen Aufstellung im Frankfurter Eurotower wider. Seit dem altersbedingten Ausscheiden des ersten Chefvolkswirts Otmar Issing und seines Nachfolgers Jürgen Stark, der aus Protest gegen den Ankauf von Staatsanleihen seine Demission einreichte, ist die EZB stabilitätspolitisch entkernt.
Im EZB-Direktorium, dem Machtzirkel der Geldpolitik, geben seither die Vertreter der Südländer und Weichwährungsapologeten den Ton an. Seit Herbst vergangenen Jahres herrscht der Italiener Mario Draghi in der Frankfurter Kaiserstraße. Zwar zog zum Jahresbeginn der frühere deutsche Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen in das EZB-Direktorium ein. Doch dort muss er sich um die internationalen Beziehungen, die Rechtsabteilung und den Neubau der EZB-Zentrale kümmern. Vor allem Letzteres ist eine unbefriedigende Aufgabe. Von seinem Vorgänger Lorenzo Bini Smaghi hieß es auf den Fluren der Bank, er sei damit beschäftigt, „die Kacheln für die neuen Räume auszusuchen“.
Deutlich mehr Einfluss auf die Rolle der EZB als Finanzier der Regierungen hat der Franzose Benoît Cœuré. Der Ex-Chef der französischen Schuldenagentur ist für das milliardenschwere Anleihekaufprogramm zur Stützung der Euro-Krisenstaaten zuständig. Cœuré hat sich bereits dafür ausgesprochen, die Anleihekäufe auszuweiten.
Kein Widerstand zu erwarten
Vom neuen Chefvolkswirt, dem Belgier Peter Praet, ist bekannt, dass er kein vehementer Gegner von Anleihekäufen ist – und trotz einiger kritischer Nachfragen dafür gestimmt hat. Zwar ist mit Wolfgang Schill ein Deutscher zweitmächtigster Mann in der Abteilung Volkswirtschaft. Auch Hans-Joachim Klöckers und Klaus Masuch haben dort großen Einfluss. Es ist jedoch bekannt, dass sie Anleihekäufen offen gegenüberstehen.
Daher hat Draghi keinen großen Widerstand zu fürchten, wenn er die Notenpresse anwirft und den notleidenden Regierungschefs in den Krisenländern mit frischem Geld unter die Arme greift. Zumal er extrem geschickt vorgeht. Sein Meisterstück lieferte der ehemalige Goldman-Sachs-Manager mit dem Drei-Jahres-Tender im Dezember ab. Allein italienische Geldhäuser liehen sich rund 116 Milliarden Euro bei der EZB.
Dass sie das überhaupt konnten, verdankten sie dem geschickten Spiel über Bande zwischen Draghi und dem italienischen Regierungschef. Weil die italienischen Banken nicht mehr genug Wertpapiere besaßen, die sie als Sicherheiten für die Geldleihe bei der EZB einreichen konnten, gaben sie kurzerhand eigene Anleihen aus, die die Regierung Monti mit einer staatlichen Garantie ausstattete. So erfüllten die Papier die Voraussetzung, um als Pfand bei der EZB eingereicht zu werden. Insgesamt hinterlegten die italienischen Banken staatlich garantierte Anleihen von 40 Milliarden Euro für die dreijährige Geldleihe bei der EZB.