Schuldenkrise Deutschland in der Euro-Falle

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Der Wind hat sich gedreht

Griechenlands fünf Großbaustellen
Seit Tagen warten Politiker und Märkte ungeduldig auf den schon häufiger in Aussicht gestellten erfolgreichen Abschluss der quälenden Verhandlungen über Kernelemente eines umfassenden zweiten Hilfspakets für Griechenland. Was dies so schwierig macht: Es geht zwar um ein großes hehres Ziel: nämlich die erdrückende Schuldenlast von über 350 Milliarden Euro für das überschuldete Land auf längere Sicht wieder tragfähig zu machen. Doch bis das große verwinkelte Hilfsgebäude steht, müssen fünf Baustellen abgearbeitet werden - großteils parallel. Quelle: dpa
Erste Baustelle: Forderungsverzicht der Privatgläubiger Die derzeit prominenteste Baustelle stellen die Verhandlungen der griechischen Regierung mit den privaten Gläubigern des Landes dar, die vom Internationalen Bankenverband IIF vertreten werden. Sie sind nach Angaben der Beteiligten zwar weit gediehen, wobei inzwischen von einem Forderungsverzicht der privaten Investoren, also von Banken, Versicherungen, Fonds und andern Anlegern, von 70 Prozent und mehr die Rede ist. Jedoch: noch stehen nicht alle Details und zudem schielen die privaten Gläubiger mit lauten Forderungen auf eine Baustelle nebenan. Quelle: dpa
Zweite Baustelle: Die öffentlichen GläubigerDie Privaten Investoren, voran IIF- und Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, wollen, dass sich auch die öffentlichen Gläubiger an der Entlastung Griechenlands beteiligen. Es geht hier insbesondere um die Europäische Zentralbank (EZB), den größten Anleihen-Gläubiger des Landes mit Papieren von rund 50 Milliarden Euro im Depot, aber auch um andere Notenbanken, Staaten und Staatsbanken. Die Signale von dieser Seite sind gemischt. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble etwa sagt, für eine solche Beteiligung gebe es überhaupt keinen Grund. Schließlich hätten die Staaten schon genug für Griechenland-Hilfen getan. Andererseits wird seit Tagen über Modelle diskutiert, wie etwa die EZB absehbare Gewinne in Verbindung mit dem Ankauf griechischer Staatspapiere zu niedrigen Marktpreisen an das Land weitergeben könnte. Quelle: dpa
Dritte Baustelle: Der Troika-BerichtZeitgleich prüft die Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF in Athen, ob Griechenland seine Auflagen für Einsparungen und Reformen im Rahmen des bisherigen Hilfsprogramm erfüllt hat, ob sich die darauf abgeleitete finanzpolitische Entwicklung ergeben hat und was sonst noch nötig ist. Das, was bisher an Zwischenständen aus dieser Mission bekannt wurde, hörte sich wenig ermutigend an. Jedenfalls ist ein günstiges Urteil der Troika die unbedingte Voraussetzung dafür, dass die Partner, im wesentlichen die Euro-Länder und der IWF, überhaupt ein neues Multi-Milliarden-Hilfsprogramm für Griechenland auflegen. Quelle: Reuters
Vierte Baustelle: Das neue Hilfsprogramm der PartnerAls Volumen für dieses zweite öffentliche Hilfsprogramm, eng verknüpft mit dem Schuldenschnitt durch die privaten Gläubiger, hatten die Chefs der Euro-Länder vor Monaten eine Summe von 130 Milliarden Euro ins Fenster gestellt. Inzwischen heißt es, das reiche nicht aus. Von zusätzlich 15 Milliarden Euro Hilfsbedarf ist die Rede, vielleicht mehr. Wo das Geld herkommen sollte, ist noch offen: von einer der anderen Baustellen, also den Gläubigern, oder dem IWF und den Euro-Partnern? Quelle: dpa
Fünfte Baustelle: Zusätzliche Grausamkeiten für die GriechenDie durch drastische Spar- und Reformauflagen bereits heftig traktierten Griechen müssen sich zudem auf neue Grausamkeiten einstellen. Dass sie auf diesem Kurs noch weiteres leisten müssen, das haben ihnen die Partner schon angedroht. Zudem fordern die Geldgeber mit Bundeskanzlerin Angela Merkel an der Spitze, dass sich alle wichtigen politischen Kräfte des Landes verpflichten müssen, diesen Kurs mitzutragen. Mehr Geld gibt es nur gegen entsprechende Eigenbeiträge, lautet die Logik. Allerdings gewinnt inzwischen auch die These Anhänger, nicht zuletzt beim IWF, dass mehr getan werden muss, um Griechenland wieder auf den Wachstumspfad zu führen und dessen Wirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen - etwa mit noch verfügbaren Mitteln aus den europäischen Strukturfonds. Quelle: Reuters


Hatte es nach Einführung des Euro noch so ausgesehen, als trete die EZB in die stabilitätspolitischen Fußstapfen der Deutschen Bundesbank, so hat sich der Wind nach Ausbruch der Finanzkrise gewaltig gedreht. Aus Furcht, die Schuldenkrise in Griechenland könne die Währungsunion zerreißen, entschied die EZB im Frühjahr 2010 – gegen den Widerstand der Bundesbank – Griechen-Bonds am Sekundärmarkt zu kaufen. „Die Europäische Zentralbank hat sich in den Dienst der Politik gestellt, sie ist zu einer Unterabteilung der Finanzministerien verkommen“, kritisiert Barclays Chefökonom Polleit.

Tatsächlich haben die Notenbanker bisher für knapp 220 Milliarden Euro Staatsanleihen gekauft, nicht nur aus Griechenland, auch aus den anderen Krisenländern der Euro-Zone. Im Gegenzug haben sie Zentralbankgeld in das Bankensystem gepumpt. Zwar bietet die EZB den Banken regelmäßig verzinste Termineinlagen an, um den Abfluss des frisch gedruckten Geldes in die Wirtschaft zu stoppen. Doch wie lange sich die Banken auf diese Geschäfte einlassen, ist offen. Zieht die Konjunktur an, könnten die Banken auf die Einlagen bei der EZB pfeifen und das Geld für rentablere Kredite an Unternehmen und Häuslebauer verwenden.

Der Machtzirkel der Geldpolitik

Der Wandel der EZB vom Geldwächter zum Finanzier der Regierungen spiegelt sich in der personellen Aufstellung im Frankfurter Eurotower wider. Seit dem altersbedingten Ausscheiden des ersten Chefvolkswirts Otmar Issing und seines Nachfolgers Jürgen Stark, der aus Protest gegen den Ankauf von Staatsanleihen seine Demission einreichte, ist die EZB stabilitätspolitisch entkernt.

Im EZB-Direktorium, dem Machtzirkel der Geldpolitik, geben seither die Vertreter der Südländer und Weichwährungsapologeten den Ton an. Seit Herbst vergangenen Jahres herrscht der Italiener Mario Draghi in der Frankfurter Kaiserstraße. Zwar zog zum Jahresbeginn der frühere deutsche Finanzstaatssekretär Jörg Asmussen in das EZB-Direktorium ein. Doch dort muss er sich um die internationalen Beziehungen, die Rechtsabteilung und den Neubau der EZB-Zentrale kümmern. Vor allem Letzteres ist eine unbefriedigende Aufgabe. Von seinem Vorgänger Lorenzo Bini Smaghi hieß es auf den Fluren der Bank, er sei damit beschäftigt, „die Kacheln für die neuen Räume auszusuchen“.

Deutlich mehr Einfluss auf die Rolle der EZB als Finanzier der Regierungen hat der Franzose Benoît Cœuré. Der Ex-Chef der französischen Schuldenagentur ist für das milliardenschwere Anleihekaufprogramm zur Stützung der Euro-Krisenstaaten zuständig. Cœuré hat sich bereits dafür ausgesprochen, die Anleihekäufe auszuweiten.

Kein Widerstand zu erwarten

Vom neuen Chefvolkswirt, dem Belgier Peter Praet, ist bekannt, dass er kein vehementer Gegner von Anleihekäufen ist – und trotz einiger kritischer Nachfragen dafür gestimmt hat. Zwar ist mit Wolfgang Schill ein Deutscher zweitmächtigster Mann in der Abteilung Volkswirtschaft. Auch Hans-Joachim Klöckers und Klaus Masuch haben dort großen Einfluss. Es ist jedoch bekannt, dass sie Anleihekäufen offen gegenüberstehen.

Daher hat Draghi keinen großen Widerstand zu fürchten, wenn er die Notenpresse anwirft und den notleidenden Regierungschefs in den Krisenländern mit frischem Geld unter die Arme greift. Zumal er extrem geschickt vorgeht. Sein Meisterstück lieferte der ehemalige Goldman-Sachs-Manager mit dem Drei-Jahres-Tender im Dezember ab. Allein italienische Geldhäuser liehen sich rund 116 Milliarden Euro bei der EZB.

Dass sie das überhaupt konnten, verdankten sie dem geschickten Spiel über Bande zwischen Draghi und dem italienischen Regierungschef. Weil die italienischen Banken nicht mehr genug Wertpapiere besaßen, die sie als Sicherheiten für die Geldleihe bei der EZB einreichen konnten, gaben sie kurzerhand eigene Anleihen aus, die die Regierung Monti mit einer staatlichen Garantie ausstattete. So erfüllten die Papier die Voraussetzung, um als Pfand bei der EZB eingereicht zu werden. Insgesamt hinterlegten die italienischen Banken staatlich garantierte Anleihen von 40 Milliarden Euro für die dreijährige Geldleihe bei der EZB.

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