Griechenland scheint den Euro-Ausstieg nicht als Chance, sondern als Gefahr zu sehen. Es gibt keine Anzeichen, dass das Land freiwillig die Währungsunion verlässt. Was können die Euro-Partner tun, um den Kreislauf von immer neuen Transferzahlungen zu stoppen?
Frank Schäffler: Es muss Austrittsmöglichkeiten geben, aber auch Ausschlussmöglichkeiten, wenn sich ein Land nicht an die Regeln, in dem Fall die Stabilitätskriterien, hält. Wenn immer einer bei Rot über die Ampel fährt, dann können die anderen nicht die Strafzettel zahlen. Die Europäischen Verträge sehen die Möglichkeit bislang nicht vor, die Euro-Zone zu verlassen. Das müssen wir ändern.
Max Otte: Ich möchte betonen: Es ist nicht unsolidarisch, jemanden aus der Währungsunion hinauszuwerfen. Eine Staatsinsolvenz ist nicht das Ende eines Landes. Das Kreditrating geht dann zunächst runter, neue Schulden werden teurer. Aber: Die Altschulden sind dann weg, der Staat hat wieder neue Gestaltungsmöglichkeiten. In Südamerika haben mehrere Länder die Wende zum Guten nach einem Staatsbankrott geschafft.
Die Bundesregierung warnt vor den großen Gefahren der Pleite eines Euro-Mitgliedsstaates. Droht nach einem Euro-Exit eines Landes ein Flächenbrand und gar das Ende der Währungsunion?
Max Otte: Diese Horror-Szenarien sind lächerlich. Wie sollte der Austritt Griechenlands aus dem Euro die Gemeinschaftswährung gefährden? Griechenland steuert zwei Prozent zu der Wirtschaftsleistung der Euro-Zone bei. Zwei Prozent!
Frank Schäffler: Ich halte die Ängste bei selektiven Austritten auch für überzogen. Es gibt Risiken, keine Frage. Aber die großen europäischen Banken sind besser vorbereitet, als auf die Krise von 2008. Sie haben Rücklagen gebildet und Verluste aus Griechenland-Krediten längst einkalkuliert. Vereinzelt würden Institute, insbesondere in Griechenland, sicher in Schwierigkeiten kommen. Dann müssen die Banken die Verluste abschreiben und ihre Eigentümer belangen. Sie haben ja schließlich auch jahrelang gut von den Zinsen gelebt. Sollte das nicht reichen, müssen die Banken mit dem Geld der Steuerzahler stabilisiert werden.
Max Otte: Aber – wie Sie richtig sagen – erst nachdem die Besitzer und Großsparer belangt werden. Darüber hinaus glaube ich, dass einzelne Austritte von Euro-Krisenstaaten den Druck aus dem Kessel nehmen und gleich drei Vorteile haben. Erstens: Griechenland kann dann seinen eigenen Weg gehen und neu anfangen. Zweitens: Die Märkte bekommen signalisiert, dass Fehlverhalten einzelner Staaten von der Gemeinschaft nicht toleriert wird. Das stärkt das Vertrauen in den Euro und dürfte die Renditen purzeln lassen. Und drittens werden die europäischen Steuerzahler endlich geschont.
Frank Schäffler: Sie haben einen vierten Punkt vergessen: Wir dürfen die Gefahren nicht unterschätzen, die ein spontanes ungeordnetes Auseinanderbrechen der Euro-Zone hätte. Deshalb wäre es geradezu clever, Austritte zunächst von Euro-Mitgliedern in der Peripherie zu erlauben. Länder, die eine relativ kleine Volkswirtschaft haben. Die Gefahren könnte man deutlich besser begrenzen, als wenn gleich mehrere Staaten die Währungsunion verlassen würden. Fakt ist: Die Euro-Zone wird zwar mit allen Mitteln verteidigt, doch kann sie in dieser Form keinen dauerhaften Bestand haben. Ob die Rettungspolitiker wollen oder nicht.