
Bernd Lucke ist nicht so recht zufrieden mit dem langsam beginnenden Wahlkampf. Seine Parteigründung "Alternative für Deutschland" (AfD) kann wohl in jedem Bundesland antreten, aber mit der politischen Konjunktur hapert es: "Sicherlich wäre es uns lieber, wenn wir das Euro-Thema im Zentrum der Öffentlichkeit sehen würden", sagt der Hamburger Wirtschaftsprofessor etwas umständlich. Etwas direkter würde es heißen: Solange keiner über die Euro-Krise redet, sind die Chancen der AfD begrenzt.
Die Konkurrenz tut alles dafür, dass es so bleibt. "Ich sehe das nicht", kommentierte Kanzlerin Angela Merkel kurz und knapp Meldungen, Griechenland müssten schon bald erneut Staatsschulden erlassen werden. Für Sprachexperten interessant: Sie sagte nicht "auf keinen Fall". Offenbar möchte sich Merkel, so sie denn weiterhin Kanzlerin bleibt, in der nächsten Legislaturperiode nicht der Lüge bezichtigen lassen. "Der Schuldenschnitt war eine einmalige Veranstaltung", assistiert ihr Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. In Griechenland laufe die Umsetzung des Rettungsprogramms "weitgehend nach Plan", es gebe keine Milliardenlücke, erklärte sein Staatssekretär Thomas Steffen, kurz bevor er mit dem Chef vergangenen Donnerstag nach Athen flog. Dort wollte Schäuble die Griechen zu weiteren Reformschritten ermutigen.
Pläne der SPD und Grünen wirken unattraktiv im Wahlkampf
Auch SPD und Grüne meiden das Thema. Zwar nutzt die SPD die Gelegenheit, der Regierung das Etikett "Wahrheitsleugner" umzuhängen. Und deren Kanzlerkandidat und selbst ernannte Klartexter Peer Steinbrück setzt der Es-wird-schon-nichts-kosten-Attitüde der Bundeskanzlerin die klare Ansage entgegen: "Natürlich sind wir in einer Haftungsunion. Was denn sonst?"

Gleichzeitig bemüht sich die Opposition, die eigenen Rezepte zur Bekämpfung der Euro-Krise nicht zu sehr herauszustellen. Denn je drängender der Ruf nach frischem Geld für den Süden wird, desto unattraktiver wird auch die Idee von Sozialdemokraten und Grünen, die Haftung für die vielen Milliarden mittels Euro-Bonds ganz unmittelbar auf alle Bürger auszuweiten.
Zu europakritisch wollen die Genossen ohnehin nicht wirken. Kandidat Steinbrück und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier unterstreichen, dass eine Partei, die sich als "Regierung im Wartestand" (Steinmeier) begreift, europapolitisch auf Linie bleiben muss. Der politische Preis für die europäische Solidarität ist hoch: Eine wirkliche Alternative zum milliardenschweren Rettungskurs der amtierenden Regierung ist beim bisherigen "Ja, aber" der Genossen nicht auszumachen.
Im Herbst kommt die Krise zurück
Und so beschönigen, beschwichtigen und vertuschen die Parteien im Wahlkampf, wo sie nur können. Auf diese Weise lässt sich die Euro-Krise jedoch allenfalls in den Hintergrund rücken. Schon im Herbst wird sie mit aller Macht zurückkehren – denn keines der grundlegenden Probleme der Währungsgemeinschaft ist gelöst. Die Staaten der Euro-Zone sitzen nach wie vor auf enormen Schuldenbergen, leiden unter geringer Wettbewerbsfähigkeit und schleppen marode Banken mit. Nachdem die Krise sich wesentlich länger als erwartet hinzieht, schwindet der Rückhalt in den Krisenstaaten. "Was mir Sorgen bereitet, ist die politische Instabilität", sagt Euro-Gruppenchef Jeroen Dijsselbloem.