
In den vergangenen Wochen scheinen sich die Ereignisse im Euroraum zu überschlagen. Das Wirtschaftswachstum lag im zweiten Quartal merklich unter den Erwartungen. Die Inflationsraten sind in den vergangenen Monaten entgegen den Erwartungen weiter gefallen und liegen nun bedrohlich nahe an der Grenze zur Deflation.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte bereits im Juni reagiert und die Zinsen für den Einlagesatz auf unter null Prozent gesenkt. Um die Banken liquiditätsseitig weiter zu entlasten, hatte sie weitere Tendergeschäfte angekündigt, die in diesem Monat starten und bis Mitte 2016 aufgelegt werden sollen.
Frankreich
2013: 0,2 Prozent
2014: 0,5 Prozent
2013: 0,8 Prozent
2014: 1,3 Prozent
2013: 10,9 Prozent
2014: 11,2 Prozent
IHS Global Insight
Am 4. September hat sie ihren Plan konkretisiert, ab Oktober kreditgesicherte Wertpapiere aufzukaufen, was in letzter Konsequenz der Einstieg in eine quantitative Lockerung der Geldpolitik, das sogenannte „Quantitative Easing“ ist. Zusätzlich will sie auch gedeckte Anleihen (Covered Bonds) kaufen und hat die Leitzinsen nochmals gesenkt. Ob das ausreicht, lässt die EZB offen. Sie behält sich weitere außerordentliche Maßnahmen vor, wenn die Situation dies erfordern sollte.
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Vergebliche Reformbemühungen
Dieser Aktionismus der EZB ist eigentlich ein klares Indiz dafür, dass die Lage im Euroraum sehr ernst sein muss. Und in der Tat - die wirtschaftliche und vor allem die politische Situation im Euroraum hat sich in den letzten Quartalen nicht zum Besseren gewendet. Zwar zahlt sich in den ehemaligen Problemländern im südlichen Euroraum und in Irland der zum Teil harte Reformkurs inzwischen aus. Einige dieser Länder befinden sich auf einem deutlich sichtbaren Kurs der Erholung.
Die zwei großen Partner Deutschlands im Euroraum, Frankreich und Italien, haben sich strukturell aber nicht weiterentwickelt, und der eigentlich notwendige Reformprozess ist hier bereits in den Anfängen stecken geblieben.
Entsprechend verwundert es nicht, dass die Wachstumsdynamik in diesen beiden Ländern sehr schwach geblieben ist und sich der Ausblick zuletzt auch merklich eingetrübt hat, auch wegen fehlender Wachstumsimpulse aus Deutschland. Zudem scheint es innenpolitisch zurzeit sehr schwer zu sein, strukturelle Reformen umzusetzen.
In Italien hat sich der italienische Premierminister Renzi bei seinen Bestrebungen um eine Wahlrechtsreform im innenpolitischen Wirrwarr der Machtverhältnisse in den beiden Parlamentskammern verheddert. In Frankreich kommen die Reformen nur in homöopathischen Dosen. Die Folge: Die Arbeitslosigkeit bleibt hartnäckig hoch, die Unzufriedenheit über den politischen Kurs steigt. In Frankreich ebenso wie in Italien.
Die EZB im Kampf gegen Deflation
Was nun folgt, ist das übliche Reaktionsmuster. Fast reflexartig fordern Frankreich und Italien ein europäisches Investitionsprogramm, eine Lockerung der Maastricht Regeln und mehr Engagement von Deutschland, da hier die finanzpolitischen Spielräume vorhanden seien.
Deutschland auf der anderen Seite verweist auf die notwendigen Reformen für den Arbeitsmarkt und die sozialen Sicherungssysteme. Nicht zuletzt Deutschland, aber auch Länder wie Irland, Spanien, Portugal und selbst Griechenland sind sehr gute Beispiele, dass sich Reformen in diesen Feldern längerfristig auszahlen, auch wenn sie zunächst sehr schmerzhaft sein können und politisch nicht ohne Gefahren sind.
Neu hingegen ist das beherzte, immer hektischer erscheinende Eingreifen der EZB. Die EZB versucht im Rahmen ihres Mandates (und darüber hinaus?) alles, wirtschaftliche Impulse zu setzen und eine Deflation zu vermeiden.
Zwar ist die Deflation im südlichen Währungsraum kaum zu verhindern, da De-Leveraging und strukturelle Reformen hierfür zum großen Teil mit verantwortlich sind. Die EZB befürchtet allerdings, dass sich diese in den großen Euro-Ländern schnell festsetzen könnte und dann nur noch schwer zu bekämpfen wäre. Die vielen Maßnahmen der EZB könnten aber auch ganz anders motiviert sein.