






Die faktische Übernahme einer Garantie für die Anleihen der Krisenländer durch die Europäische Zentralbank (EZB) hat dafür gesorgt, dass die Schuldenkrise im Euro-Raum an den Kapitalmärkten mittlerweile nicht mehr die Hauptrolle spielt. Dennoch prägen ihre Nachwirkungen immer noch entscheidend das wirtschaftliche Umfeld. Seit 2008 ist die konjunkturelle Erholung im Währungsraum nicht mehr richtig in Schwung gekommen.
Immerhin ist die Rezession im Euro-Raum seit rund einem Jahr überwunden, und die Wirtschaft der Euro-Länder weist - wenn auch nur minimale – positive Wachstumsraten auf. Insgesamt betrachtet liegt das Bruttoinlandsprodukt immer noch um rund zwei Prozent niedriger als vor sechs Jahren. Die wirtschaftlichen Folgen sind also keineswegs ausgestanden. Und aktuell machen neue geopolitische Krisen die Hoffnung zunichte, dass sich bald mehr Aufwärtsdynamik einstellt.
Wo sich die Schuldensünder der Euro-Zone verbessert haben
Haushaltsdefizit (Anteil am Bruttoinlandsprodukt ohne Bankenhilfe)
Griechenland
2009: -15,7 % 2013: -2,1 %
Portugal
2009: -10,2 % 2013: -4,5 %
Spanien
2009: -11,1% 2013: -6,6 %
Irland
2009: -12,4 % 2013: -6,7 %
Eurozone
2009: -6,4 % 2013: -3,0 %
Leistungsbilanzdefizit*
Die Exporte von Portugal (+37 %) und Spanien (+35%) haben zwischen 2009 und 2013 schneller zugelegt als in Deutschland (+33%)
Griechenland
2009: -14,4 % 2013: -2,3 %
Portugal
2009: -10,8 % 2013: +0,4 %
Spanien
2009: -4,8 % 2013: +1,1 %
Irland
2009: -2,3 % 2013: +7,0 %
Eurozone
2009: +0,2 % 2013: +2,7 %
(*im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt)
Die Schuldenkrise bescherte Griechenland, Spanien, Portugal und Irland eine tiefe Rezession. In Spanien sank das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 7,5 Prozent, in Portugal um 8,5 Prozent und in Griechenland sogar um 20 Prozent. Für 2014 erwarten Analysten nach fünf Jahren endlich überall wieder Wachstum - wenn auch nur in vergleichsweise kleinem Umfang. Allerdings ist dabei auch der Abstand zwischen Peripherie und den Kernländern.
Wirtschaftsvertrauen der EU-Kommission.
Den Tiefpunkt erreichte die Stimmung 2009. Bei der Erhebung im April 2015 war der Wert nur noch in Griechenland leicht unterdurchschnittlich.
Griechenland
2009: 74,8* April 2014: 95,4
Portugal
2009: 75,4 April 2014: 100,6
Spanien
2009: 73,8 April 2014: 101,5
Eurozone
2009: 70,1 April 2014: 102,0
(100 Punkte = langfristiger Durchschnitt; keine Werte für Irland)
In den ersten Jahren nach der Euro-Einführung haben die Peripherieländer ihre Lohnstückkosten deutlich gesteigert. Seit 2010 gab es einen deutlichen Richtungswechsel. Nach den Berechnungen des Anleihenmanagers Bantleon ist der zuvor aufgebaute Wettbewerbsnachteil durch hohe Lohnstückkosten inzwischen verschwunden
Entwicklung der Lohnstückkosten seit Anfang 2009:
Griechenland -15,0 %
Portugal -6,6 %
Spanien -7,6 %
Irland -13,0 %
Eurozone +3,0 %
Auch wenn es in der Öffentlichkeit oft so ankommt, als würden würden die Krisenländer in der Euro-Peripherie sich mit der Umsteuerung schwertun, so wurden doch weitreichende Reformen am Arbeitsmarkt, in den Renten- und Steuersystemen sowie Verwaltungen vorgenommen. Das etwa der Arbeitsmarkt flexibler geworden ist, belegt der Employment Protection Index der OECD. Je niedriger sein Wert, um geringer die Regulierung am Arbeitsmarkt durch Kündigungsschutz, Abfindungszahlungen, Probezeiten, etc.) Bis auf Irland habe sich alle Krisenländer verbessert.
Griechenland
2008: 2,9 2013: 2,4
Portugal
2008: 3,5 2013: 2,7
Spanien
2008: 2,7 2013: 2,3
Irland
2008: 2,0 2013: 2,1
Eurozone
2008: 2,4 2013: 2,3
Die sehr schleppende Erholung geht einher mit einer andauernden Unterauslastung der Produktionsmöglichkeiten. Das gilt zwar nicht für Deutschland, wo die Kapazitätsauslastung immerhin leicht über dem langjährigen Durchschnitt liegt, doch in den meisten anderen Ländern ist die Lücke umso größer. In Spanien und Portugal, aber auch in Frankreich und Italien liegen immer noch rund drei Prozent der Kapazitäten brach, in Griechenland sogar noch fast doppelt so viel.
Hinzu kommen ein Lohnanstieg, der sich in den Euro-Ländern derzeit unter zwei Prozent pro Jahr bewegt sowie sinkende Energiepreise auf dem Weltmarkt. Unter diesen Umständen kann kaum Preisdruck aufkommen. Denn die Unternehmen müssen beim Preis tendenziell Zugeständnisse machen, um in einem schwachen Markt ihren Absatz nicht zu gefährden. Diese Faktoren erklären, warum die Inflationsrate aktuell gerade einmal 0,4 Prozent beträgt. Noch tiefer lag sie lediglich 2009 einmal zum Höhepunkt der Krise. Damit ist sie weit entfernt vom Ziel der EZB, das für die Preissteigerungsrate bei "unter, aber nahe 2 Prozent" liegt.
In den besonders gebeutelten Ökonomien Südeuropas sinken die Verbraucherpreise sogar seit einigen Monaten. Das sollte aber nicht als Einstieg in eine gefährliche Deflationsspirale verstanden werden, sondern als vorübergehend notwendige Korrektur, die – in Verbindung mit Strukturreformen - zur Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit dieser Länder unabdingbar ist. Denn nur wenn die Kosten sinken und der Preisauftrieb unter dem wichtiger Konkurrenten liegt, kann Konkurrenzfähigkeit wiedergewonnen werden.
Die nun deutlich gesunkene Inflationsrate im Euroraum sollte bei der Europäischen Zentralbank eigentlich keine großen Bedenken hervorrufen, da die Europäische Zentralbank nur mittelfristig eine Inflationsrate von zwei Prozent anstrebt. Jedoch sind in den letzten Monaten in Folge der schleppenden wirtschaftlichen Dynamik und der zunehmende Verunsicherung der Investoren durch die geopolitischen Krisen, insbesondere in der Ukraine, die mittelfristigen Inflationserwartungen merklich gefallen.
Damit wächst die Gefahr, dass sich auch mittelfristig die Inflation auf einem sehr niedrigen Niveau bewegen wird. Dies würde sicherlich nicht im Sinne des Mandates der EZB sein.