Momentan wird die Währungsunion in ihrer jetzigen Form durch Transferzahlungen und der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank am Leben gehalten. Zahlen die Sparer die Zeche für Undiszipliniertheiten in den südeuropäischen Ländern?
Max Otte: Das ist zweifellos so. Die Nominalzinsen liegen derzeit bei 0,5 Prozent, bestenfalls bei 1,0 Prozent. Die Inflationsrate liegt gleichzeitig bei 2,0 Prozent – offiziell. Wenn Sie mich fragen, ist die Teuerungsrate aber viel höher. Das Statische Bundesamt gewichtet ihren Warenkorb zur Berechnung der Inflation falsch. Wichtig für den Durchschnittsbürger sind doch die Kosten für Miete, Nahrungsmittel, Energie und Dienstleistungen. Deren Preise steigen doch mit mehr als zwei Prozent. Da sind sie eher bei einer Inflationsrate von 4,0 Prozent. Sprich: Unterm Strich verlieren sie im Jahr drei Prozent. Das klingt nicht nach viel. Aber nach zehn Jahren sind 25 Prozent ihres Vermögens weg.
Frank Schäffler: Wenn wir diesen Weg in der Euro-Rettung weitergehen, wird der Sparer schleichend, signifikant und kalt enteignet. Das kann fatale Folgen haben: Denn die Bürger werden sich sagen: Wozu soll ich dann noch sparen? Die Sparer, die im Alter unabhängig sein wollten, sind plötzlich abhängig vom Staat. Das wird dazu führen, dass keiner mehr spart und die Mitte der Gesellschaft auseinanderbricht. Dann wird es nicht lange dauern und die Menschen werden am System, an der Demokratie, zweifeln. Wir müssen hier und jetzt für Marktwirtschaft kämpfen.
Max Otte: Es gibt noch einen zweiten Verlierer der Niedrigzinspolitik: den Mittelstand. Die niedrigen Zinsen helfen den großen Banken, den Family-Offices der Reichen, die ihr Geld nämlich nicht auf dem Sparbuch parken – und Staaten und Hedgefonds, die sich billig verschulden können. Die Folge: Die Private-Equity-Unternehmen nehmen massig Geld in die Hand und kaufen Mittelständler auf. Und dann zocken sie mit den Unternehmen und schauen mal, wie viel Geld sich dort herausziehen können. Die aktuelle Politik bestraft Kleinstrukturen und belohnt die Großen. Nicht umsonst erleben wir seit einigen Jahren eine Explosion der Zahl der Superreichen.
Herr Schäffler, wird der neu gewählte Bundestag dieser Tendenz entgegentreten?
Frank Schäffler: Dafür kämpfe ich. Umso besser mein Ergebnis ist, desto mehr Gewicht hat mein Wort in der FDP-Fraktion. Wir müssen in der neuen Legislaturperiode verhindern, dass sich die Transferunion verfestigt. Eurobonds darf es nicht geben. Aber das alleine reicht nicht. Meine Prognose: Die Kapitalisierung der Banken steht an. Man wird das Geld aus Rettungspaketen und Notkrediten also nicht mehr den Staaten geben, weil es deren Schuldenberg erhöht, sondern gibt es den Banken direkt. Ich glaube nicht, dass das dazu führt, dass die betroffenen Banken künftig besser haushalten. Wir müssen diesen Forderungen also Einhalt gebieten.
Was die FDP für die Euro-Rettung plant
Stabilitätsunion mit soliden Haushalten und Finanzen. Europäische Insolvenzordnung für Staaten einführen. Keine Haftungsunion, etwa durch gesamtschuldnerische Haftung für Staatsanleihen.
Wahrung der Unabhängigkeit der EZB. Systemrelevante Banken durch gemeinsame europäische Aufsicht kontrollieren. Absoluter Schutz für nationale Einlagensicherungsfonds und nationale Restrukturierungsfonds.
Reform der internationalen Finanzmarktordnung. Beibehaltung des dreigliedrigen Bankensystems mit Sparkassen, Genossenschaftsbanken und privaten Banken. Banken sollen auch Staatsanleihen mit Eigenkapital unterlegen müssen.
Strukturreformen in Mitgliedstaaten durchführen, dabei auf hohen Reformdruck achten. Subsidiaritätsprinzip wahren.
Betont die nationale Verantwortung, kein Abwälzen auf Europa. Stärkt die Gemeinschaft.
Max Otte: Ich schätze Ihre Haltung und Ihren Mut. Ich fürchte aber, dass Sie sich mit Ihrer Meinung nicht durchsetzen können. Diejenigen, die im Bundestag eine andere Meinung haben, sind lautstark und verfügen über eine mächtige Lobby – Großkonzerne, die EU-Bürokratie – im Hintergrund. Auf Ihrer Seite, Herr Schäffler, sind einzig die Familienunternehmer und die Sparer. Das wird nicht reichen, um die Euro-Rettung um jeden Preis und zu Lasten der Sparer zu stoppen.