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Schuldenkrise Noch kein Durchbruch bei der Zypern-Rettung

In den kommenden Stunden entscheidet sich das Schicksal Zyperns. Am Sonntagmorgen flog Staatspräsident Nikos Anastasiades nach Brüssel. Sollte es am Sonntag keine Einigung geben, bekommt Zypern kein Geld mehr.

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Berlusconi schürt antideutsche Kampagne
Italiens Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi und seine Partei Forza Italia (FI) wollen im Europa-Wahlkampf mit kritischen Parolen über Deutschland punkten. Berlusconi griff den sozialdemokratischen EU-Spitzenkandidaten Martin Schulz scharf an und verunglimpfte dabei auch dessen Landsleute mit der Aussage, die Deutschen hätten die Existenz von Konzentrationslagern nie anerkannt. Die FI plakatiert indes den Slogan „Più Italia, meno Germania“ („Mehr Italien, weniger Deutschland“). Die SPD protestierte umgehend, auch in der CDU gibt es Kritik. Forza Italia macht die deutsche Sparpolitik für die Rezession der italienischen Wirtschaft verantwortlich. Berlusconis Partei fordert, sich dem Kurs zu widersetzen. Schulz sagte dazu dem „Spiegel“: „Es ist empörend, dass eine Schwesterpartei der CDU in Italien mit antideutschen Parolen Wahlkampf macht.“ Aus Berlusconis Umgebung wurde die Kritik als „politische Instrumentalisierung“ abgetan. Berlusconi attackierte Schulz und die Deutschen mit Rückgriffen auf die grausame deutsche Geschichte: Er habe im Jahr 2003 für Schulz unfreiwillig Werbung gemacht, als der dem damaligen EU-Parlamentarier vorwarf, dieser sei die ideale Besetzung für die Rolle eines KZ-Aufsehers, sagte der ehemalige italienische Ministerpräsident bei einer Parteiveranstaltung am Samstag in Mailand. „Ich wollte ihn nicht beleidigen, aber, um Gottes Willen, für die Deutschen haben die Konzentrationslager nie existiert“, zitierte die Nachrichtenagentur Ansa den erneuten Ausfall Berlusconis. „Die Katyn-Lager, ja doch, die deutschen nicht“, fügte der rechtskräftig verurteilte Steuerbetrüger demnach hinzu. In Katyn hatten sowjetische Truppen im Frühjahr 1940 Tausende polnische Soldaten ermordet. Konzentrationslager gab es dort nicht. Quelle: dpa
In Griechenland geht die Angst vor neuen Sparauflagen um. Nachdem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Mittwoch verlauten ließ, Griechenland werde nach 2015 ein drittes Hilfspaket benötigen, kochten die Emotionen in den griechischen Medien hoch. Die Athener " Zeitung der Redakteure" (im Bild) ahnte sogleich "neue, unerträgliche Sparauflagen für das griechische Volk" voraus. Schäuble, so hieß es, arbeite bereits an einem neuen Kreditvertrag für Griechenland. Die Zeitung "Real" titelte gar: "Herr Schäuble, bringen Sie das gestohlene Geld zurück". Das Blatt "Ta Nea" sieht einen Zusammenhang zwischen dem Besuch des EZB-Direktors Asmussen in Athen und Schäubles Äußerungen - Asmussen habe bereits Einzelheiten eines neuen Hilfskonzepts im Gepäck, wurde gemutmaßt. Der EZB-Direktor wies diese Spekulationen im Anschluss an sein Treffen mit dem griechischen Finanzminister Stournaras zurück. Quelle: Screenshot
Noch relativ freundlich geht das britische Wirtschaftsmagazin "The Economist" mit den Deutschen ins Gericht. Als zögerlichen Herrscher bezeichnete das Magazin Deutschland im Juni 2013. Deutlich schärfer blies der Wind dagegen in den letzten Monaten aus Südeuropa...
Angela Merkel auf dem Cover der griechischen Zeitschrift Crash Quelle: Handelsblatt Online.
Europäische Politiker in einer Titelgeschichte der griechischen Zeitschrift Crash Quelle: Handelsblatt Online.
Cover der griechischen Magazins crash Quelle: dpa
Neben Bundeskanzlerin Angela Merkel ist auch IWF-Chefin Christine Lagarde zum Hassobjekt in Griechenland geworden. Hier werden die beiden Politikerinnen als Krähen dargestellt, die Griechenland bestehlen wollen. Soldaten versuchen, die beiden Frauen mit den Hitler-Bärten abzuwehren.

Nur noch knapp 24 Stunden Zeit hat Zypern und hofft auf Nothilfen der internationalen Geldgeber in Höhe von zehn Milliarden Euro. Die Gespräche befinden sich in einer heiklen Phase. Die Situation ist sehr schwierig“, erklärte der Regierungssprecher weiter. Anastasiades wird von Finanzminister Michalis Sarris und der Führung der Zentralbank Zyperns begleitet, berichtete das Staatsradio (RIK). Sollte es keine Einigung bei einer Sondersitzung der Eurogruppe am Sonntagabend in Brüssel geben, an der auch Vertreter des Internationalen Währungsfonds (IWF) teilnehmen werden, will die Europäische Zentralbank (EZB) kein Geld mehr nach Zypern schicken. Dann würde die Wirtschaft binnen Stunden zusammenbrechen. „Drama mit ungewissem Ende“, titelte die zyprische Zeitung „Kathimerini.“

Das Tauziehen um die Rettung des Euro-Landes dauerte den ganzen Samstag an: In den Gesprächen mit der sogenannten Troika aus EU, EZB und IWF gab es immer wieder Komplikationen. Zypern muss für das Rettungspaket einen Eigenanteil von 5,8 Milliarden Euro aufbringen. Im Mittelpunkt der Troika-Gespräche stand die Zwangsabgabe auf Geldeinlagen bei der Cyprus Bank, dem größten zyprischen Geldinstitut. Dort sollen russische Oligarchen Milliarden geparkt haben. Zur geplanten Höhe der Abgabe machten in Nikosia immer wieder neue Gerüchte die Runde.

Was für ein Zypern-Hilfspaket spricht

Die Zeitung „Kathimerini“ berichtete, die Abgabe auf Einlagen bei der Cyprus Bank werde zwischen 18 und 22 Prozent betragen. Für alle anderen Banken könnte eine Zwangsabgabe in Höhe von vier Prozent auf Guthaben über 100 000 Euro kommen. Schuld an den Schwierigkeiten bei den Gesprächen mit der Troika trage der Internationale Währungsfonds, berichteten die zyprische Nachrichtenagentur CNA und der Staatsrundfunk unter Berufung auf Regierungskreise am Samstagabend. Die IWF-Vertreterin stelle „immer wieder neue Forderungen“, hieß es. Die Regierung wollte sich am Sonntag nicht dazu äußern.


Das Parlament in Nikosia hatte in der Nacht zum Samstag bereits einen Teil des Sparpakets verabschiedet. So wurden Einschränkungen im Kapitalverkehr gebilligt, um ein Abfließen der Gelder ins Ausland zu verhindern. Außerdem wurde die Bildung eines Solidarfonds zur Rekapitalisierung der Geldhäuser beschlossen. Zudem soll die zweitgrößte Bank, die Popular Bank, in eine gesunde und eine Bad Bank gespalten werden.

Auch nach einer Rettung stehen den Zyprern nach Einschätzung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble harte Zeiten bevor. „Zypern wird einen schweren Weg gehen - so oder so“, sagte der CDU-Politiker der „Welt am Sonntag“. „Aber das ist nicht die Folge europäischer Sturheit, sondern eines Geschäftsmodells, das nicht mehr funktioniert.“ Zypern habe seit Herbst 2011 praktisch keinen Zugang zu den Finanzmärkten, seine Anleihen seien auf Ramschstatus gesunken, die beiden großen Banken seien faktisch insolvent. Der Finanzminister versicherte: „Die Länder der Eurozone wollen den Zyprern helfen, aber die Regeln müssen respektiert werden, die Hilfe muss Sinn machen und das Programm muss die Probleme an der Wurzel packen.“


Die EZB sieht die weiteren Verhandlungen nach Angaben ihres Direktoriumsmitglieds Jörg Asmussen zuversichtlich. „Die Gespräche zum Abschluss eines Anpassungsprozesses für Zypern sind auf einem guten Wege“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Das Programm werde dem Beschluss von letzter Woche sehr ähnlich sein. „Kleinsparer werden jetzt vollständig geschützt, was richtig ist. Dafür werden größere Anleger in den beiden Großbanken des Landes deutlich stärker belastet werden“, sagte Asmussen. Am Dienstag sollen die seit Samstag vor einer Woche geschlossenen Banken wieder öffnen. Derzeit gibt es auf der Insel Bargeld nur aus dem Bankautomaten.

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