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Schuldenkrise Ökonomie-Nobelpreisträger Pissarides zweifelt am Euro

Christopher Pissarides plädiert für eine Abschaffung des Euro, wenn Reformen in der Eurozone weiter ausbleiben.

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Christopher Pissarides Quelle: dapd

"Wenn die Politik nicht zu Reformen bereit ist, sollten wir darüber nachdenken, den Euro abzuschaffen", sagte er. Konkret hält er eine echte Bankenunion und eine bessere finanzpolitische Abstimmung in der Eurozone für nötig. Ein Ende des Euro seit faktisch möglich, hätte jedoch einen hohen politischen Preis. "Ein Ende des Euro wäre eine große Niederlage für die Europäische Union. Allerdings: Auch die jetzige Krise verursacht hohe Kosten, vor allem wegen des strengen Sparkurses." Pissarides, der die zypriotische und die britische Staatsbürgerschaft besitzt, hält den bisherigen Kurs für untragbar: "Durchwursteln wie bisher, das geht nicht mehr lange gut."

Pissarides forscht an der London School of Economics und erhielt 2010 den Nobelpreis. Er berät den zypriotischen Präsidenten Nikos Anastasiadis in Wirtschaftsfragen.

Die Eurozone muss dringend wichtige Reformen angehen, um nicht das Scheitern des Euros zu riskieren. Der Ökonomie-Nobelpreisträger Christopher Pissarides glaubt, dass sich die Euroländer ein Durchwursteln nicht mehr lange leisten können. „Ein Durchwursteln wie bisher, das geht nicht mehr lange gut“, kritisiert Pissarides im Interview. „Wenn die Politik zu Reformen nicht bereit ist, sollten wir darüber nachdenken, den Euro wieder abzuschaffen.“

Zu den dringend notwendigen Reformen zählt Pissarides eine gemeinsame Bankenaufsicht, eine Bankenunion und eine „bessere finanzpolitische Abstimmung in der Eurozone“, fordert Pissarides. „Die EU-Kommission sollte über eine unabhängige Agentur die Finanzpolitik in allen Staaten der Euro-Zone kontrollieren. Sie sollte eigene Vorhersagen machen und bei den nationalen Regierungen hinterfragen, warum diese bestimmte Dinge tun.“

Zudem seien weitere Schuldenschnitte notwendig. „Ich plädiere für Schuldenschnitte, so wie wir sie bei manchen Schwellenländern und in Griechenland gesehen haben“, so Pissarides. Allerdings müssten die Schuldenschnitte nicht zu knapp ausfallen, damit Investoren wieder bereit sind, den Krisenländern Geld zu leihen. „Investoren werden diese Länder finanzieren, wenn sie überzeugt sind, dass es sich bei dem Haircut um ein einmaliges Ereignis handelt“, erklärt der Ökonom. „Daher muss bei einem Schuldenschnitt nicht nur ein bisschen, sondern ein substanzieller Teil der Schuld erlassen werden. Wenn eine gemeinsame Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank und eine verstärkte Fiskalkooperation hinzukommen, werden Investoren die Anleihen dieser Staaten wieder kaufen.“

Kritik am geplanten Mindestlohn

Christopher Pissarides kritisiert den von der SPD geforderten Mindestlohn als zu hoch und warnt vor negativen Folgen für die Beschäftigung. „Mindestlöhne sind dann eine gute Sache, wenn sie nicht zu hoch sind, also etwa 40 bis 45 Prozent des Median-Lohns entsprechen“, sagte der Arbeitsmarkt-Experte. Die angepeilten 8,50 Euro pro Stunde liegen nach Schätzungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) weit höher, nämlich bei 58 Prozent des Median-Lohns. Pissarides, der an der London School of Economics forscht, warnt vor negativen Folgen, wenn der Mindestlohn die von ihm genannte Marke überschreitet: „Jenseits dieses Niveaus halten Mindeslöhne Arbeitgeber davon ab, Jobs anzubieten.“

In den USA liegt der Mindestlohn nach Zahlen des IfW bei 38,3 Prozent des Median-Lohns, in Großbritannien bei 46,7 Prozent, in Frankreich bei 60,1 Prozent. Der Median ist ein Mittelwert.
Pissarides erhielt den Nobelpreis für Ökonomie im Jahr 2010 für seine Forschung im Bereich Arbeitsmarkt.

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