Schuldenkrise Europas Sparern droht eine kalte Enteignung

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Teure Rettung

Wolfgang Schäuble Quelle: dapd

Eine ähnlich kalte Enteignung könnte den Sparern der USA und Europas auch jetzt wieder bevorstehen. Trotz Jahrzehnten des Friedens, haben die Schulden vieler Industriestaaten erneut eine Dimension wie zu Kriegszeiten erreicht. Während die Wirtschaftsleistung dieser Länder seit 1991 um 65 Prozent gestiegen ist, legten die Schulden fast dreimal so schnell um 183 Prozent zu. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Um 300 Milliarden Euro werden sich allein die Euro-Länder im laufenden Jahr zusätzlich verschulden. Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs. Weil die Regierungen ständig auslaufende Schuldtitel zurückzahlen und diese durch neue ersetzen müssen, erhöht sich der tatsächliche Refinanzierungsbedarf auf ein Vielfaches.

Selbst der Euro-Zuchtmeister Deutschland ist kein Ausbund an Solidität. Zum Jahresende ist die Staatsschuld auf 80,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gestiegen. Auf jeden Bürger entfallen 25 682 Euro staatliche Schulden. 2012 wird Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) etwa 35 Milliarden Euro neu aufnehmen müssen. Das ist fast doppelt so viel wie 2011 und deutlich mehr als die ursprünglich angepeilten 26,1 Milliarden Euro. Der Grund: Der europäische Rettungsschirm ESM wurde vorgezogen, und nach jüngsten Planungen sollen zudem gleich zwei Jahresraten – das sind 8,6 Milliarden Euro – nach Luxemburg überwiesen werden. Die Rettung Europas ist teuer.

Ausweg Enteignung

Inzwischen hat das endlose Wachstum der Staatsschulden die Toleranzgrenze der Investoren überschritten. Die Märkte glauben nicht mehr daran, dass die Verbindlichkeiten einiger Länder problemlos bedient werden – und sie haben einen prominenten Zeugen. Der Ökonom Kenneth Rogoff hat gemeinsam mit Reinhart festgestellt, dass ab einem Staatsschuldenstand von 90 Prozent der Wirtschaftsleistung das Wachstum des betreffenden Landes so sehr gedrückt wird, dass die Refinanzierung problematisch wird. Deswegen müssen sich nun alle entschulden, angefangen bei der Weltmacht USA, die mit 15 Billionen Dollar oder 101 Prozent vom BIP in der Kreide steht und seit 1962 bereits 75-mal die Obergrenze ihrer zulässigen Verschuldung erhöht hat.

Diagramm: Staat prellt Gläubiger Quelle: Reinhart, Sbrancia

Nur wie? „Langfristig läuft alles auf Einbußen in den Realvermögen der Steuerzahler hinaus“, sagt Stefan Homburg, Finanzwissenschaftler von der Universität Hannover. Das sei für die Politiker leichter durchsetzbar als strikte Sparpläne. Hinzu kommt: Die Sanierung der Staatsfinanzen hat Grenzen. Das zeigt eindrucksvoll das Beispiel Griechenland. Als Folge von Lohn- und Rentenkürzungen, Entlassungen und Steuererhöhungen schrumpfte die Wirtschaft des noch immer von der Staatspleite bedrohten Landes zuletzt um mehr als fünf Prozent. Werden die Sparprogramme verstärkt, steuern die Hellenen auf das vierte Rezessionsjahr in Folge zu. Ähnlich restriktiv wirken die Sparprogramme in Italien, Spanien und Portugal. „Wir brauchen definitiv eine Entschuldung. Das kann sanft über niedrige Zinsen und eine höhere Inflationsrate geschehen“, sagt Alexander Krüger, Chefvolkswirt beim Bankhaus Lampe. Vieles spricht dafür, dass sich die Staaten in den nächsten Jahren für eine Kombination aus finanzieller Repression und Inflation entscheiden.

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