




Die Bandagen, mit denen um den Bestand der Eurozone und des Euro gekämpft wird, werden härter. Nach drei Jahren Eurokrise sind kaum noch sozialverträgliche Lösungswege geblieben. Das zeigt eindrucksvoll die geplante Zwangsabgabe auf Bankeinlagen in Zypern.
Den Stein ins Rollen gebracht hatte die Drohung der Europäischen Zentralbank (EZB), einer großen zyprischen Bank den Zugang zu Notkrediten (Emergency Liquidity Assistance, ELA) zu verweigern. Das Bankensystem des Landes stand damit vor dem Kollaps und die Regierung in Nikosia vor der Entscheidung, entweder einen Banken- und Staatsbankrott mit anschließendem Euro-Austritt zu riskieren oder einem Bail-out mit Haircut auch für Bankeinlagen unter 100.000 Euro hinzunehmen.





EZB, EU und auch der IWF hatten auf eine Beteiligung aller Einlagen unabhängig von ihrer Höhe an der Bankenrettung auf der Mittelmeerinsel gedrängt und damit einen Präzedenzfall geschaffen. Unabhängig davon, ob das zyprische Parlament dem Rettungsplan zustimmt oder nicht, oder noch ein Freibetrag eingebaut wird: Dem Vertrauen auf eine Lösung der europäischen Banken- und Staatsschuldenkrise hat dieser Plan einen schweren Schlag versetzt.
So funktioniert die Zypern-Steuer
Für die Menschen in Zypern war die Ankündigung einer Steuer für Kontoinhaber ein Schock. Bankkunden sollen zur Kasse gebeten werden, die Regierung erhofft sich dadurch weitere Finanzmittel in Höhe von 5,8 Milliarden Euro. Ein Überblick, wie es funktioniert und welche Folgen es geben könnte.
Vorgesehen ist eine Steuer von einmalig 6,75 Prozent für Kontoinhaber mit weniger als 100.000 Euro auf dem Konto. Wer mehr hat, soll mit 9,9 Prozent zur Kasse gebeten werden. Über das Wochenende können die Bankkunden an Automaten Bargeld abheben. Internationale Überweisungen werden bis Dienstag nicht bearbeitet werden, da Montag ein Feiertag in Zypern ist. Das Parlament soll am Montag zusammenkommen und das für die Abgabe notwendige Gesetz verabschieden. Das Geld soll dann Anfang der kommenden Woche eingezogen werden. Auch mehrere Parlamente in der Eurozone müssen der von Euro-Finanzministern und Internationalem Währungsfonds beschlossenen Maßnahme zustimmen. Es ist ungewiss, wie lange das dauern wird und was in der Zwischenzeit mit dem Geld auf den Konten geschieht.
Alle Inhaber von Bankkonten in Zypern müssen die Steuer zahlen. Nur Kunden von Filialen griechischer Banken werden ausgenommen. Die Gläubiger wollten das ohnehin angeschlagene Griechenland möglichst aus der Schusslinie halten. Zugleich könnten griechische Banken nun die Hauptanlaufstelle der Anleger werden, um ihr Geld in Sicherheit zu bringen.
Von den 69 Milliarden Euro auf zyprischen Banken gehören rund 40 Prozent Ausländern. Die meisten von ihnen sind Russen. Die Steuer hätte auch ausschließlich für Nicht-EU-Bürger ausgelegt werden können, doch das hätte die Umsetzung erschwert, wie Jacob Kirkegaard vom Peterson Institute for International Economics in Washintgon erklärt. Viele der russischen Anleger hätten eine doppelte Staatsbürgerschaft und einige russische Unternehmen seien in Zypern registriert, sagt er. Kirkegaard sagt, die Zyprer könnten die Steuer begrüßen, da sie auch Ausländer einbeziehe - die Steuererhöhungen in Griechenland, Portugal und Irland müsse hingegen die eigene Bevölkerung schultern.
In Zypern ist zwar am Montag Feiertag, aber in den meisten anderen Ländern wird gearbeitet. Kirkegaard zufolge ist die neue Steuer ein Hinweis darauf, dass die Europäische Zentralbank das Risiko eines Sturms auf Banken im Ausland für gering hält. Die Anleihenmärkte werden seiner Einschätzung nach geringfügig reagieren, da auch Anleihen besteuert werden. Bankaktien werden zudem voraussichtlich fallen und die Zinsen für Kredite werden steigen. Viele Investoren könnten indes in der langwierig herbeigeführten Entscheidung eine Generalprobe für ein Land sehen, das langsam aus der Eurozone ausscheide, gibt Heather Conley vom Center for Strategic and International Studies in Washington zu bedenken.
Zypern erhält Hilfe aus dem Euro-Krisenfonds, um eine drohende Staatspleite abzuwenden. Das Geld soll vor allem in die Sanierung des maroden Finanzsektors fließen, der durch Geschäfte in Griechenland ins Wanken geraten ist. Fast neun Monate musste die Regierung in Nikosia warten, weil die Geldgeber hart um die Auflagen gerungen haben. Nun soll alles schnell gehen, der Bundestag könnte schon nächste Woche über das Zypern-Paket beraten.
Dabei haben Vertrauen und Rechtssicherheit in der Eurozone bereits massiv Schaden genommen. Zuerst geopfert wurde auf dem europäischen Altar der Vertrag von Maastricht, dann das Mandat der EZB und jetzt die von einer EU-Richtlinie seit Ende 2010 auf maximal 100.000 Euro festgelegte gesetzliche Einlagensicherung.
Doch der Zweck heiligt inzwischen offenbar jedes Mittel. Bankkonten und Rentenansprüche - nichts ist mehr sicher in Europa.