„Die Euro-Zone und der IWF haben sich durchgesetzt“, meldet das ZDF in den Morgennachrichten. Der Euro-Kurs steigt und auch die asiatischen Börsen vermeldeten nach der geglückten Zypern-Rettung zum Start Gewinne. Alles gut in Euro-Land also? Wohl kaum.
Wahr ist: Das Schreckgespenst einer ungeordneten Staatspleite ist vertrieben. Zypern wird vor der Insolvenz mit Milliardenkrediten aus dem Rettungsschirm ESM gerettet, auch der Internationale Währungsfonds leistet einen Anteil. Zyperns Präsident Nikos Anastasiades, der bis zuletzt am zyprischen Geschäftsmodell festhalten und russische Großanleger schützen wollte, auch auf Kosten der Kleinsparer, musste einlenken. Erstmals beinhaltet ein Rettungspaket auch die Auflage, eine Bank – in diesem Fall die Laiki-Bank, das zweitgrößte Institut der Insel – abzuwickeln. Damit sendet Europa die Botschaft: Aufgeblähte und nicht lebensfähige Banken in der Währungsunion werden nicht länger künstlich am Leben gehalten.
Punkte des Zypern-Pakets
Im Gegensatz zur ursprünglichen Fassung der Abmachung von Mitte März 2013 wurden Konten mit Guthaben von weniger als 100.000 Euro nicht angerührt. Die geplante generelle Zwangsabgabe auf Konten entfällt.
Zypern sicherte zu, sein aufgeblähtes Bankensystem zu sanieren und deutlich zu verkleinern. Die zweitgrößte Bank Laiki wurde abgewickelt. Der Branchenprimus Bank of Cyprus wurde zurechtgestutzt und übernahm den überlebensfähigen Teil von Laiki. Großanleger, Gläubiger und Anteilseigner mussten sich auf erhebliche Verluste einstellen. Bei der Bank of Cyprus wurden zunächst alle Anlagen von über 100.000 Euro eingefroren. Die Hilfsgelder wurden nicht für Finanzspritzen zugunsten der Bank of Cyprus oder Laiki eingesetzt.
Die Finanzhilfen der Geldgeber umfassen bis zu zehn Milliarden Euro. Der Internationale Währungsfonds will sich beteiligen, eine Summe steht noch nicht fest. Im Gespräch ist rund eine Milliarde Euro.
Sie soll im April stehen. Zuvor müssen nationale Parlamente wie in Deutschland noch zustimmen. Die ersten Auszahlungen aus dem europäischen Rettungsschirm ESM soll es dann im Mai geben.
So weit, so gut. Für Jubelrufe aus Brüssel gibt es dennoch wenig gute Gründe. Das über eine Woche andauernde Gezerre um ein Rettungspaket für die Insel hat Spuren hinterlassen. Vor allem bei Anlegern. Der gefährliche Vorschlag Zyperns, auch Kleinsparer an der Rettung zu beteiligen und die Einlagensicherung auszuhebeln, hat Verunsicherung gestiftet. Jeder Bürger weiß nun: Tabus gibt es in der Euro-Rettung keine mehr.
Was für ein Zypern-Hilfspaket spricht
Eine Staatspleite in Zypern wäre der Beweis, dass die Euro-Länder doch nicht bereit sind, ein Land um jeden Preis zu retten. Die Politiker könnten befürchten, dass dann die Risikoaufschläge für Peripherie-Staatsanleihen wieder hochschnellen, auch wenn wir nicht davon ausgehen, dass die Krise wieder hochkocht.
Verweigern die Euro-Länder Zypern die Hilfe, wäre dies eine Aufkündigung der Solidarität. Das Misstrauen zwischen der Peripherie und den Kernländern dürfte sich vertiefen. Zur Erinnerung: Zypern hat sich ungeachtet seiner desolaten Staatsfinanzen an dem Hilfsprogramm für Griechenland beteiligt und garantiert für die EFSF-Kredite an Irland und Portugal. Und auch Irland hat sich erfolgreich geweigert, seine Steuersätze für Unternehmen anzuheben.
Vor allem aber dürfte es der EU nicht gefallen, wenn der russische Einfluss in Zypern noch größer würde. Russland hat ein großes wirtschaftliches und politisches Interesse an der Insel und würde wohl dem zyprischen Staat finanziell zur Seite springen. Schon 2012 hat der russische Staat Zypern mit einem Kredit über 2,5 Milliarden Euro vor der Pleite gerettet. Viele russische Bürger leben auf Zypern und zahlreiche russische Unternehmen haben in dem Land investiert. Darüber hinaus ist Zypern eine Drehscheibe für russisches Kapital. Ein Großteil der aus Russland nach Zypern transferierten Gelder fließt dorthin zurück. Ein gutes Viertel der in Russland getätigten Auslandsinvestitionen stammt aus Zypern.
Zypern könnte Russland, das Gefahr läuft, seinen syrischen Flottenstützpunkt zu verlieren, einen Hafen für seine Marine anbieten. Und noch etwas dürfte die EU fürchten: Russland hat ein Auge auf die vor der Küste Zyperns entdeckten Erdgasvorkommen geworfen. An deren Förderung möchte sich der russische Gasprom-Konzern beteiligen. Viele in Zypern knüpfen ihre Hoffnung auf Rettung an diese Gasvorkommen. Bei nur 0,9 Millionen Einwohnern könnten die zu erwartenden Gaseinnahmen die Situation des Landes massiv verbessern.
Das gilt auch beim Deutschland-Bashing. Nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel in Griechenland bereits zum inoffiziellen Staatsfeind Nummer Eins ausgerufen wurde, ist der Deutschland-Hass nun auch in Zypern angekommen. „Merkel, du hast uns unsere Ersparnisse geklaut“, „Hände weg von Zypern“ und „Nein zum Vierten Reich“, sind noch die harmloseren Töne, mit denen Demonstranten in der Hauptstadt Nikosia die Stimmung aufheizten. Hochgeschaukelt durch unfähige zyprische Politiker, darunter auch Präsident Nikos Anastasiades, die die Schuld lieber in Brüssel und Berlin als bei sich vor Ort suchen, zeigt sich erneut, wie sehr die Schuldenkrise – Euro-Kritiker sagen: die Gemeinschaftswährung – die Atmosphäre in der Europäischen Union vergiftet hat. Unter diesen Bedingungen dürfte die Bereitschaft der Deutschen, für Südeuropa Hilfskredite zu stemmen, nicht gerade wachsen.
Dieses Mal noch zahlt Deutschland, sofern der Bundestag Mitte April zustimmt. Ein „Ja“ ist wahrscheinlich, auch wenn es kaum ökonomische Gründe für eine Zustimmung der Parlamentarier gibt. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Zypern seine Kredite zurückzahlen kann, ist alles andere als hoch.