
Es ist genauso gelaufen, wie die rechtspopulistischen Schwedendemokraten sich das vorgestellt haben. Im März kommenden Jahres gibt es Neuwahlen - nach nur zwei Monaten ist die Regierung des Sozialdemokraten Stefan Löfven damit gescheitert. An der Blockade der Rechtspopulisten. Und Schuld ist: Regierungschef Löfven.
Das ergab zumindest eine Umfrage der Boulevardzeitung "Expressen" kurz nach der Ankündigung neuer Wahlen. 48 Prozent der Schweden sehen ihn demnach als Hauptschuldigen an der Misere, die in den einheimischen Medien als größte politische Krise seit Jahrzehnten gilt.
Um das zu verstehen, muss man den Kern der schwedischen Konsenskultur kennen. Es ist der Haushalt.
Einmal im Jahr wird er verhandelt, und über Jahrzehnte galt: Egal wie hart die Diskussionen sind, egal wie heftig man über andere Gesetze gestritten hat, beim Haushalt findet man zumindest soweit zusammen, dass die Opposition ihn nicht ablehnt, sondern sich der Stimmen enthält.
So konnte es über Jahrzehnte funktionieren, dass in Schweden wieder und wieder Minderheitsregierungen zustande kamen, ohne sodann an der erstbesten Abstimmung zu scheitern. Diese Konsenskultur hatte einen erstaunlich sachorientierten Politikstil zur Folge, der über die Landesgrenzen hinaus Bewunderung fand.
Schwedendemokraten als Zünglein an der Waage
Umso schockierter sind die Schweden nun, dass dieser Konsenskult jetzt mit einem so heftigen Krach beendet wird. Dabei hatte sich das abgezeichnet. Schon im vergangenen Winter beging die damals oppositionelle sozialdemokratische Partei den Tabubruch und stimmte gegen den Haushalt der damaligen liberalen Regierung. Es war nur ein symbolischer Akt, weil die Mehrheit der Regierung damals klar genug war.
Wissenswertes über Schweden
Die wichtigsten Ausfuhrprodukte sind Pharmazeutika, Maschinen, Uhren, Präzisionsinstrumente und Elektronikprodukte. Exportschlager ist natürlich auch die schwedische Literatur: Astrid Lindgrens Kinderbuchklassiker kennt jeder. Auch die düsteren Romane von Henning Mankell oder Stieg Larsson sind nicht nur Krimiliebhabern ein Begriff, sondern durch vielfache Verfilmungen auch bei Cineasten beliebt. Außerdem haben die Schweden den Reißverschluss erfunden.
Ganz vorne natürlich Ikea. Wer hat nicht schon einmal auf dem heimischen Fußboden Schrauben und Nägel sortiert, um einen günstigen Kleiderschrank selbst zusammen zu zimmern? Genau das ist Ingvar Kamprads Erfolgsrezept, der das Einrichtungshaus 1943 ins Leben rief und das inzwischen mit Filialen auf dem ganzen Globus vertreten ist.
Auch H&M ist aus den Fußgängerzonen nicht mehr wegzudenken. Kleiner Preis für modische Kleidung, großes Budget für Werbekampagnen und Designerkooperationen mit Größen wie Lagerfeld oder Versace. Auch Volvo, Saab, Ericsson, ABB, Electrolux, SKF, Astra Zeneca Skype, Tetra Pak oder Absolut Vodka kommen aus Schweden.
In Schweden wird Englisch als erste Fremdsprache an den Schulen unterrichtet. Aber das allein ist noch nicht das Geheimnis des schwedischen Sprachwunders: da es sich für nur rund 9,6 Millionen Einwohner nicht lohnt englischsprachige Filme und Serien für Kino oder Fernsehen zu synchronisieren, schauen sich die Schweden diese immer in Originalsprache mit Untertiteln an.
Sommersonnwende feiern, auf Schwedisch Midsommar. Am Johannisabend Ende Juni geht in Nordschweden die Sonne 24 Stunden lang nicht unter. Eine gute Gelegenheit für die Schweden ausgelassen zu feiern, um einen Maibaum zu tanzen und pappige Zimtschnecken mit reichlich Alkohol runterzuspülen. Nicht umsonst ist das bei Polizeistreifen eher unbeliebt.
Im schwedischen Skigebiet Lindvallen gibt es das etwas andere McDrive: Bei McSki kann können sich Skifahrer einen Burger auf die Hand mitnehmen, ohne erst lästigerweise die Skier abschnallen zu müssen. Außerdem hat Schweden die höchste Pro-Kopf-Anzahl von McDonald's-Filialen in Europa.
Im schwedischen Göteborg gibt es die größte Shoppingmall Skandinaviens. Das Nordstan hat 180 Geschäfte und 150 Büros unter seinem Dach.
Ein paar Monate später wurde gewählt, die Sozialdemokraten gewannen, es schien sich also gelohnt zu haben. Ab jetzt könnte alles so weiter gehen wie man es gewohnt war - dachte man.
Doch nichts war mehr wie zuvor. Zwar kam wieder eine Minderheitsregierung zustande, diesmal mit den Sozialdemokraten an der Spitze, doch die Vorzeichen hatten sich geändert. Denn zwischen der Regierung und den Parteien der liberal-konservativen Allianz standen seitdem die Schwedendemokraten als Zünglein an der Waage.
Die Partei entstammt dem rechtsradikalen Milieu, unter ihrem aktuellen Vorsitzenden Jimmie Akesson setzt sich auf das Standardrepertoire der Rechtspopulisten, wie es derzeit europaweit Erfolg hat. Weniger Zuwanderung, mehr Polizisten, härtere Strafen.
Das funktioniert auch in Schweden, dem europäischen Land, das in Relation zur Einwohnerzahl die meisten Asylbewerber aufnimmt. Die Partei erreichte bei der Wahl im Sommer gut zwölf Prozent der Stimmen und versprach ihren Wählern: Wir werden jeden Haushalt verhindern, der für mehr Einwanderung sorgt.
Die entscheidende Neuerung steckt hier zwischen den Zeilen. Die Schwedendemokraten verweigern jedem anderen Haushalt nicht nur die Zustimmung, sie wollen ihn aktiv verhindern.