Umfragen des Meinungsinstituts gfs.Bern zeigen allerdings auch, dass rund die Hälfte der befragten Schweizer negative Folgen des Flüchtlingsstroms fürchten: Dabei gehe es vordergründig um die Angst vor Arbeitsplatzverlust oder Lohndruck und erst nachrangig um eine Angst vor Überfremdung und steigende Kriminalität. „Migration hat seit jeher nachhaltigen Einfluss auf Gesellschaften und Arbeitsmärkte. Auch die aktuellen Flüchtlingsströme werden sich auf die Aufnahmegesellschaften auswirken“, sagt Dorothee Guggisberg, Geschäftsführerin der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS), einem Fachverband, der Richtlinien für die Bemessung der Sozialhilfe erarbeitet und sich dabei nicht selten auch mit Flüchtlingen auseinandersetzt.
„Die Flüchtlinge bleiben oftmals sehr lange in der Sozialhilfe – mit geringer beruflicher Qualifikation und Sprachkenntnissen besteht kaum Aussicht auf eine Arbeitsstelle. Das ist nicht nur für die Flüchtlinge selber demotivierend und blockiert ihren Integrationsprozess, sondern führt bei den Kantonen und Gemeinden zu einer erheblichen finanziellen Zusatzbelastung“, sagt Guggisberg. Die Schweiz verfüge über Strukturen und Voraussetzungen, die Aufnahme zu regeln. Sorge bereitet aus Sicht der Sozialhilfe die sehr tiefe Erwerbsquote von Flüchtlingen mit Bleiberecht.
Was Flüchtlinge dürfen
Wer eine sogenannte Aufenthaltsgestattung bekommt, darf nach drei Monaten in Deutschland eine betriebliche Ausbildung beginnen. Wer geduldet ist, kann vom ersten Tag an eine Ausbildung machen. In beiden Fällen ist jedoch eine Erlaubnis durch die Ausländerbehörde nötig.
Gleiches gilt für Praktika oder den Bundesfreiwilligendienst beziehungsweise ein freiwilliges, soziales Jahr: Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach drei Monaten ohne Zustimmung der ZAV damit beginnen, wer den Status „geduldet“ hat, darf das ab dem ersten Tag.
Wer studiert hat und eine Aufenthaltsgestattung besitzt, darf ohne Zustimmung der ZAV nach drei Monaten eine dem Abschluss entsprechende Beschäftigung aufnehmen, wenn sie einen anerkannten oder vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss besitzen und mindestens 47.600 Euro brutto im Jahr verdienen werden oder einen deutschen Hochschulabschluss besitzen (unabhängig vom Einkommen).
Personen mit Duldung können dasselbe bereits ab dem ersten Tag des Aufenthalts.
Personen mit Aufenthaltsgestattung können nach vierjährigem Aufenthalt jede Beschäftigung ohne Zustimmung der ZAV aufnehmen.
Grundsätzlich sei es wichtig, dass „Unternehmen Flüchtlinge flexibel und also ohne bürokratische Hürden, und vielleicht zu etwas tieferen Löhnen als Ansässige anstellen können“, fordert Michael Siegenthaler, der an der Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich (KOF) für den Bereich Arbeitsmarkt zuständig ist. Auch ein kurzes Asylverfahren trage erwiesenermaßen zu einer guten Arbeitsmarktintegration bei. Schließlich könnten Personen ohne Asylentscheid oft nicht arbeiten und werden aufgrund ihres ungeklärten Aufenthaltsrechts auch nicht von Unternehmen angestellt.
Flüchtlinge: Das ist der Integrationskatalog der CDU
Für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge sollen Praktika mit Abweichungen vom Mindestlohn auf mindestens sechs Monate verlängert werden, um einen Berufseinstieg zu erleichtern. Schon heute sind Abstriche von den 8,50 Euro Mindestlohn pro Stunde bei betrieblichen Einstiegsqualifizierungen von bis zu zwölf Monaten möglich. Die CDU-Spitze verzichtete nach Protest der SPD und des Arbeitnehmerflügels der Union darauf, anerkannte Flüchtlinge mit Langzeitarbeitslosen gleichzustellen. Auch dann wäre eine Abweichung vom Mindestlohn von bis zu sechs Monaten möglich gewesen.
Quelle: CDU-Bundesvorstand / Reuters, Stand: 15.02.2016
Eine Anstellung in der Leiharbeitsbranche soll nach drei statt derzeit erst 15 Monaten möglich sein. Bei gemeinnützigen Organisationen soll stärker dafür geworben werden, Flüchtlinge in den von den Jobcentern geförderten Ein-Euro-Jobs zu beschäftigen.
Asylberechtigte, anerkannte Flüchtlinge und sogenannte subsidiär Schutzberechtigte sollen ein unbefristetes Aufenthaltsrecht nur erhalten, wenn sie über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügen, Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung nachweisen, keine Straftaten begangen haben und ihren Lebensunterhalt sichern können. Auch der Familiennachzug soll von der erfolgreichen Teilnahme an Integrationskursen abhängig gemacht werden.
Die Hürde für eine frühe Teilnahme an Integrationskursen oder Förderprogrammen der Arbeitsagenturen noch vor Abschluss des Asylverfahrens soll höhergelegt werden. Laut dem im Oktober beschlossenen Asylpaket I reicht dafür bisher eine "gute Bleibeperspektive" aus. Diese wird bei Asylsuchenden aus Herkunftsländern mit einer Anerkennungsquote von über 50 Prozent angenommen. Laut CDU-Papier soll "künftig eine 'sehr gute Bleibeperspektive' entscheidend sein, weil wir insbesondere Syrern und Irakern helfen wollen".
Die CDU strebt Gesetze von Bund und Ländern an, in denen verbindliche Integrationsvereinbarungen festgelegt werden sollen. In den Aufnahmeeinrichtungen sollen ein Basissprachkurs und ein Kurs zu Grundregeln des Zusammenlebens Pflicht sein und mit einem Abschlusstest versehen werden.
Asylberechtigten, anerkannten Flüchtlingen und subsidiär Schutzberechtigten soll ihr Wohnsitz zugewiesen werden, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Kraft sichern können. Ausnahmen sollen möglich sein, wenn die Betroffenen am Wohnort ihrer Wahl einen Arbeitsplatz und eine eigene Wohnung nachweisen können.
Die CDU will prüfen lassen, ob die Schulpflicht für Flüchtlinge ohne Schulabschluss über das bisher geltende Alter von 18 Jahren hinausgehen soll. Im Entwurf stand noch eine angestrebte Altersgrenze von 25 Jahren.
Eine Studie des Staatssekretariats für Migration aus dem Jahr 2014 verdeutlicht die Probleme: Danach lag die Erwerbsbeteiligung von Flüchtlingen nach zwei bis drei Jahren gerade einmal bei 20 Prozent, nach sieben Jahren bei 40 Prozent.
Die Gründe dafür liegen auf der Hand: fehlende Sprachkenntnisse, fehlendes Netzwerk und die Nichtanerkennung vorhandener Abschlüsse. Hinzu kommen politische Hürden, etwa das Verbot, in einem anderen Kanton zu arbeiten, als in demjenigen, in welchem man wohnt. „Bei gewissen Aufenthaltskategorien von ehemaligen Flüchtlingen in der Schweiz war es lange Zeit gar nicht das Ziel, diese in den Arbeitsmarkt zu integrieren, da sie eigentlich nur vorübergehend hier bleiben sollen. Aber aus gesellschaftlicher Sicht hat es sehr große Kosten, Flüchtlinge nicht zu beschäftigen“, sagt Siegenthaler. Statt Steuern zu zahlen, beziehen sie dann Sozialhilfe – und das ist in der Politik angekommen, deshalb wollen sie und die zuständigen Behörden nun die Hürden abbauen.