Serie Europa Briefing – Teil 3 Wirtschaftliche Unterschiede gefährden den Euro

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Die Szenarien 2 und 3

Szenario 2: Ein föderales Europa
Die föderale Lösung setzt auf eine stärkere EU mit einem höheren Maß an Risiko- und Souveränitätsteilung. Die Mitgliedsländer werden durch eine Kombination aus Anreizen und Sanktionen sowie Transfers in die wirtschaftspolitische Koordination eingebunden.

Die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank wird vor allem in Deutschland heftig kritisiert. Sie verleitet Regierungen zum Stillstand. Das wird sich im kommenden Jahr ändern.

In diesem Szenario würde es ausreichend Konvergenz im Euroraum geben: Ein größeres gemeinsames Budget fängt einen Teil der Ungleichgewichte auf. Die Länder sind zwar für ihre Schulden selbst verantwortlich, doch werden zum Beispiel die Effekte hoher Arbeitslosigkeit durch Transferzahlungen aufgefangen. Die Vollendung des Binnenmarktes sowie der Bankenunion und Kapitalmarktunion stehen auf der Agenda. Wenn die EU eine größere Verantwortung für die Wirtschaftspolitik übernehmen soll, muss sie dies demokratisch legitimieren und die notwendigen Instrumente schaffen, etwa mit einem europäischen Finanzminister.

Von einem föderalen Staatenbund ist die EU jedoch noch weit entfernt. Ein föderales Europa ist im Sinne einer „immer engeren Union“, wie sie in der Präambel der Europäischen Verträge formuliert wurde. Allerdings scheint eine derartige Lösung zurzeit unwahrscheinlich. Kaum ein Staat ist bereit, grundlegende Reformen und eine weitere Verlagerung von Kompetenzen auf die europäische Ebene zu akzeptieren

Der Haushalt der Europäischen Union ist vergleichsweise klein und wird dennoch immer wieder zum Gegenstand hitziger Debatten. Nach der Bundestagswahl könnte er erneut im Rampenlicht stehen: Der Brexit erzwingt Reformen.


Szenario 3: Kompromiss
Vielen Mitgliedsstaaten ist bewusst, dass Nichtstun zu einer weiteren Krise führen könnte. Eine politische Mehrheit für den großen europäischen Wurf gibt es jedoch nicht. Viele Reformvorschläge liegen auf dem Tisch. Sie sind jedoch umstritten: Ein weiterer Ausbau des Binnenmarkts stößt zum Beispiel auf die Sorge, dass eine Marktliberalisierung Druck auf die Löhne ausübt und Ausbildung und Abschlüsse nicht ausreichend schützt. Instrumente, die für manche eine Unterstützung in der Rezession darstellen, wie etwa eine europäische Arbeitslosenversicherung, sind für andere der Weg in eine Transferunion, in der Trittbrettfahren zum Dauerproblem werden könnte.

Als vielversprechender Kompromiss gilt ein quid pro quo: Länder, die die Reformempfehlungen tatsächlich erfolgreich umsetzen, erhalten Zugriff auf Ausgleichsmechanismen, die sie bei der Krisenbewältigung unterstützen. Eine derartige Lösung birgt allerdings die Gefahr, dass jede nationale Regierung einen Teil ihrer eigenen Agenda umsetzt, der Euro aber am Ende instabil bleibt. Deshalb muss ein erfolgreicher Kompromiss mehr als die Summe einzelner Interessen sein.

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