Spanien Arbeiten wird zur Ausnahme

Seite 3/4

Ein Standort für Zocker

Es gibt zwar Investoren, die wie Brian Singer von William Blair Investment Management gezielt Geld auf politische Wirren setzen und deshalb in den vergangenen Wochen auf Titel aus dem spanischen Aktienindex Ibex 35 wetteten. Singer und sein Team aus zwölf Analysten und Fondsmanagern sitzen in ihren Büros in Chicago und tüfteln nach den Methoden der Spieltheorie, wo sich der Einstieg lohnt. Spanien habe in den vergangenen Jahren große Reformanstrengungen unternommen und viele Fortschritte erzielt. Nur das politische Risiko schrecke derzeit viele Investoren ab, sagt Singer fröhlich. Wenn sein Modell eine übertriebene Furcht anzeigt, greift er zu.

Andere Investoren aber bleiben lieber draußen. Weil eine lediglich geschäftsführende Regierung etwa keine Entscheidungen über teure öffentliche Infrastrukturausgaben treffen darf, bleiben Projekte zum Straßenbau, für Metrolinien oder Tunnelgrabungen seit Monaten in den Schubladen liegen. Mit verheerenden Folgen für das Wachstum des Landes und die Beschäftigung, warnen im Chor Manuel Manrique, Chef des Baukonzerns Sacyr, und Juan Lazcano, Vorsitzender des Bauverbandes CNC.

Die beiden haben die Boomjahre erlebt, in denen die Baubranche mit freilich oft völlig überzogenen Projekten Milliarden verdiente. Dann folgte der Niedergang, dem 1,4 Millionen Arbeitsplätze zum Opfer fielen. „Anstatt jetzt Maßnahmen zu ergreifen, herrscht völlige Untätigkeit“, kritisiert Lazcano. „Der Arbeitsmarkt wird erst wieder stabil sein, wenn der Bausektor angekurbelt wird.“ Allein für den Erhalt der bestehenden Straßen, rechnet er vor, bräuchte es Investitionen in Höhe von 6,6 Milliarden Euro. „Öffentliche Ausschreibungen sind in diesem Jahr um 53 Prozent gesunken“, klagt auch Manrique.

Jetzt ist die Klage der Bauindustrie, es werde zu wenig gebaut, nicht ganz überraschend. Und dennoch steht sie stellvertretend für eine Grundstimmung, die wieder skeptischer wird: Nach Angaben des spanischen Branchenverbandes für Venture Capital und Private Equity (Ascri) flossen im ersten Halbjahr 59,4 Prozent weniger Geld ins Land.

Vielversprechende Perspektiven

Dabei hält die Mehrheit der Investoren die wirtschaftlichen Perspektiven grundsätzlich für vielversprechend. Das Land war 2012 nur knapp einem Bail-out wie Nachbar Portugal entgangen, hatte aber immerhin 40 Milliarden Euro von der EU benötigt, um sein gemeinsam mit dem Immobilienboom niedergehendes Bankensystem zu retten. Nur drei Jahre später war Spanien mit 3,2 Prozent Wachstumsstar der Euro-Zone. Der Trend hält an. Auch getrieben von niedrigem Ölpreis, günstigem Euro-Dollar-Kurs und vor allem in diesem Jahr vom Tourismusboom, das ist wahr.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%