Spanien Arbeiten wird zur Ausnahme

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"Politischer Stau"

Doch wo immer man sich in den vergangenen Monaten umhörte, bei Immobilienfonds, Investmentbankern, Unternehmern, lautete das Motto oft: mal sehen. Obwohl gerade Käufer von Bürotürmen, Einkaufszentren und Hotels darauf setzen, dass die Konjunktur und entsprechend die Mieterträge in den nächsten 15 Jahren stark steigen, sanken die Investitionen in Gewerbeimmobilien im ersten Halbjahr um knapp 33 Prozent. Kaum eine Präsentation von Quartalszahlen verging, ohne dass der Unternehmenschef für die Schaffung stabiler politischer Verhältnisse plädierte.

Ignácio Sánchez Galán vom Energiekonzern Iberdrola wünschte sich „eine gute Regierung und die Stabilität, die das Land braucht, um Reformen voranzutreiben“. Salvador Gabarró, Chef des Versorgers Gas Natural Fenosa, erklärte, sein Unternehmen habe nur ein einziges Problem: „den politischen Stau, der Entscheidungen verhindert und das Misstrauen der Investoren schürt“. Ähnlich die Kritik von BBVA-Chef Francisco González: „Solange wir nicht wissen, welche Regierung wir haben werden, stecken Investitionen in der Sackgasse.“ Die Großbank Santander erhält nach Angaben ihrer Aufsichtsratsvorsitzenden Ana Botín „weniger Anrufe, um Finanzanlagen zu tätigen“. Am letzten Juli-Wochenende hob die Zeitung „ABC“ 32 Porträts von Unternehmern, Wissenschaftlern, Juristen und Intellektuellen auf das Titelblatt, die eine Forderung eint: „die Blockadesituation zu beenden“.

„Wenn Politiker von den Unternehmern verlangen, dass sie Arbeitsplätze schaffen, müssen sie auch für das entsprechende Umfeld sorgen“, sagt auch der deutsche Anwalt Peters, der Vorsitzender des Kreises deutschsprachiger Führungskräfte ist. Von den mehr als 5000 ausländischen Niederlassungen in Barcelona und Umgebung haben mehr als 900 einen deutschen Mutterkonzern. Sie stellen sich, mehr noch als im Rest des Landes, die Frage, ob und wo sie in Spanien auf Dauer noch unternehmerisch tätig sein können.

In Barcelona kommt nämlich zu dem landesweiten Politikvakuum noch die Ungewissheit wegen der Unabhängigkeitsbestrebungen der Region Katalonien hinzu. Dieses freilich könnte allenfalls durch ein beherztes Eingreifen Madrids geändert werden – nur, wo keine Regierung, da auch kein Eingreifer.

Bereits vor zwei Jahren hatten überwiegend deutsche Initiatoren in der gut 400 Unterschriften zählenden „Erklärung von Barcelona“ vor den „verheerenden Folgen“ einer Loslösung gewarnt. Im ersten Halbjahr haben 199 Unternehmen die Region verlassen. Nur 80 zumeist kleinere kamen neu hinzu. Das von Separatisten dominierte katalanische Parlament bekräftigte aber nun noch die Absicht, auch gegen den Widerstand von Madrid und des höchsten spanischen Gerichts eine Verfassung für eine „Republik Katalonien“ auszuarbeiten. Bis der Hotelneubau in Barcelonas Innenstadt und viele andere Projekte in Angriff genommen werden, könnte es also noch dauern.

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