Spanien Valencia ist der große Profiteur der Katalonien-Krise

Die autonome Region Valencia nimmt nicht nur katalanische Firmen auf, sondern zeichnet sich durch nachhaltiges Wirtschaften aus. Und das nach Jahren der Korruption.

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Sonnenaufgang in Valencia Quelle: Getty Images

Es gibt zwei Dinge, über die Vicent Domingo schmunzeln muss, wenn er sie aus dem Mund von Ausländern hört: „Spanier lernen nie aus ihrer Geschichte.“ Und: „Spanier sind nicht bereit zum Kompromiss.“ Der Chef der an die Stadt Valencia gebundenen Organisation „Nachhaltiges Valencia“ ist maßgeblich daran beteiligt, dass seine autonome Region nicht in diese historische spanische Falle tappt.

Gerade hat er die Konferenz „Valencia Hauptstadt der nachhaltigen Ernährung 2017” zusammen mit anderen Städten wie Mailand organisiert: „Die ausländischen Beobachter haben Recht, wenn sie sagen, dass wir Spanier wenig kompromissbereit und unbelehrbar sind, aber seit dem Regierungswechsel in Valencia vor zwei Jahren, haben wir viel gelernt, auch aus unseren Fehlern. Wir haben jetzt sogar eine Koalitions-Partei, die daran maßgeblich beteiligt ist, die sogar ‚Kompromiss‘ (Compromís) heißt. Es ist ein Bündnis aus Umwelt-, Sozial- und patriotischen Interessen. Wir lernen hier in Valencia damit auch, Pakte zu schließen, die gut für alle sind.”

Nachhaltigkeit und Gemeinwohl sind für Valencia entscheidend

Valencia, das auch nationalistische Bewegungen kennt, ist seit dem Regierungswechsel 2015 weltweit Vorbild für die von dem Österreicher Christian Felber ins Leben gerufene „Gemeinwohl-Ökonomie”. Bürger werden bei diesem Konzept in Entscheidungsprozesse eingebunden und die Ausgaben werden streng und unabhängig kontrolliert. Zudem: Auf Stadt und Regionalebene gibt es in Valencia keine absoluten politischen Mehrheiten mehr, was die Valencianer zu Debatten und Abstimmungen zwingt.

Reaktionen zu Katalonien
Sigmar GabrielDer deutsche Außenminister Sigmar Gabriel: „Letztlich können nur Gespräche auf Basis der Rechtsstaatlichkeit und im Rahmen der spanischen Verfassung zu einer Lösung führen - die einseitige Unabhängigkeitserklärung Kataloniens werden wir daher auch nicht anerkennen.“ Quelle: dpa
Jean-Claude JunckerEU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker: „Ich möchte nicht, dass die Europäische Union morgen aus 95 Staaten besteht. ... Wir brauchen keine weiteren Risse und Brüche.“ Quelle: dpa
Emmanuel MacronFrankreichs Präsident Emmanuel Macron: „Es gibt einen Rechtsstaat in Spanien, mit verfassungsmäßigen Regeln. Er (Ministerpräsident Mariano Rajoy) möchte ihnen Respekt verschaffen, und er hat meine volle Unterstützung“, sagte der französische Präsident. Quelle: AP
Donald TrumpFür US-Präsident Donald Trump sagte seine Sprecherin Sarah Sanders, das Weiße Haus schließe sich der Haltung des Außenministeriums an. „Wir wiederholen unsere Unterstützung für ein geeintes Spanien.“ Quelle: AP
Jens StoltenbergNato-Generalsekretär Jens Stoltenberg twitterte: „Die Katalonien-Frage muss innerhalb der spanischen Verfassungsordnung gelöst werden. Spanien ist ein treuer Verbündeter, der einen wichtigen Beitrag zu unserer Sicherheit leistet.“ Quelle: AP
Jean-Yves Le Drian Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte, sein Land erkenne die Unabhängigkeitserklärung Kataloniens nicht an. Die spanische Verfassung müsse respektiert werden. Er verfolge die Entwicklungen in Katalonien mit Sorge: „Frankreich wünscht, dass Spanien stark und geeint ist.“ Quelle: REUTERS
Angelino AlfanoDer italienische Außenminister Angelino Alfano: „Italien erkennt die heute verkündete einseitige Unabhängigkeitserklärung des Regionalparlaments von Katalonien nicht an und wird diese nicht anerkennen.“ Quelle: AP

Eine Streitkultur, die der Rest des Landes noch lernen muss. Diese neue Art der Politik hat die valencianischen Nationalisten weitgehend mundtot gemacht, sie sind jetzt Teil von „Compromís”. „Positiv dazu beigetragen hat das Ende der 20-jährigen Alleinherrschaft der auch in Madrid regierenden Volkspartei PP, deren Vorgänger Alianza Popular damals übrigens nicht der Verfassung von 1978 zugestimmt hat, auf die jetzt alle bestehen”, glaubt Paco Álvarez, der für den politischen Wandel in Valencia mit seiner „Gemeinwohl-Ökonomie”-Initiative beiträgt. Er wurde dafür von „Compromís” beauftragt und hat schon viel erreicht, vor allem in Sachen Bewusstseinsänderung: „Durch die Einrichtung von Lehrstühlen an unseren Unis, die sich mit diesem Thema beschäftigen, schärfen wir ein neues Denken.”

Kataloniens Wirtschaftsbeziehungen zu Deutschland

Die bis vor kurzem noch von Korruption durchsetzte Region wagte 2015 einen Neuanfang, der Valencia wieder aufblühen ließ. „Ab nächstem Jahr werden wir ein öffentliches Register haben mit den Unternehmen, die sozial verantwortlich handeln in unserer Region. Nur diese Firmen werden Aufträge der Stadt oder der Regionalregierung bekommen”, sagt Álvarez, der inzwischen durch die ganze Welt reist, um für die „Gemeinwohl-Ökonomie” zu werben. Um in dieses Firmenregister aufgenommen zu werden, müssen viele Hürden überwunden werden, darunter auch die Aufstellung einer sozialen Bilanz. Für viele Unternehmen ist das Neuland. Vetternwirtschaft, bis vor kurzem noch an der Tagesordnung, soll damit in Valencia bekämpft werden.

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