




Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras lehnt trotz aller Widerstände der Geldgeber eine Verlängerung des bestehenden Rettungsprogramms einschließlich der Sparauflagen ab. Stattdessen schlug der Linkspolitiker während seiner Regierungserklärung am Sonntag in Athen vor, dass bis Juni eine Überbrückungsfinanzierung greift. Seine Regierung benötige finanziellen Spielraum für die Zeit, in der ein Ausweg aus der Schuldenkrise neu verhandelt werde.
Falls sich die Regierung in Athen nicht rasch mit den Euro-Partnern über eine Verlängerung der Ende Februar auslaufenden EU-Hilfen einigt, könnte das hochverschuldete Land bald knapp bei Kasse sein. Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem will von Griechenland bis zum 16. Februar Klarheit über einen Zeitrahmen für das weitere Vorgehen. Die Finanzminister der 18 Partnerländer Griechenlands im Euro-Verbund treffen sich an diesem Mittwoch zu einer Sondersitzung.
Reaktionen in den Medien
„Wenn diese Wahl gegen das „Establishment" in Griechenland ausreicht, damit Frankreich, Deutschland und andere die Schulden Griechenlands an seiner Stelle zurückzahlen, würde dies den übrigen Euroskeptikern von Podemos in Spanien über Ukip in Großbritannien bis hin zu Marine Le Pen in Frankreich Tür und Tor öffnen. Sollte hingegen jetzt Griechenland aus der Eurozone und der EU austreten, dann wird man damit leben müssen. Auf jeden Fall wird man aus diesem Experiment (des Syriza-Parteichefs Alexis) Tsipras wertvolle Lehren ziehen können. Für Europa ist es sinnvoller, das griechische Experiment bis zum Ende zu beobachten, als zu versuchen, das Land durch eine inkonsequente Sonderbehandlung zu neutralisieren.“
„Europa steht nun vor einem Dilemma. Soll es rigoros auf dem strikten Sparkurs bestehen, den es den Griechen auferlegt hat? Oder soll es sich mit Tsipras an den Verhandlungstisch setzen, um nach einem Kompromiss zu suchen? Letzteres scheint die vernünftigste Option zu sein. Dabei dürfte jedoch der radikalste Punkt des Syriza-Programms - der Erlass eines Teils der Staatsschulden - ausgeschlossen sein. Das wäre nicht fair gegenüber jenen Euroländern, die sich stets dem Brüsseler Spardiktat gebeugt haben, und erst recht nicht gegenüber denjenigen, die ebenfalls durch Europa „gerettet“ wurden und im Gegenzug ihren Verpflichtungen artig nachgekommen sind.“
„Politiker, die eine Wahl gewinnen wollen, dürfen große Worte benutzen. Aber sobald die Wahl vorbei ist, wird erwartet, dass die Rhetorik abgeschwächt wird, um die Erwartungen der Anhänger in Vorbereitung auf den Alltag zu dämpfen. Das gilt besonders für einen Politiker, der Ministerpräsident wird. Das war die Möglichkeit, die Tsipras gestern hatte und nicht genutzt hat. Als er seine Siegesrede am Sonntagabend gehalten hat, hat er die meisten seiner Wahlversprechen wiederholt, nicht zuletzt seine unversöhnliche Haltung gegen die Forderungen, die die EU als Bedingung für die enormen Kredite, die Hellas seit 2010 bekommen hat.“
„Der haushohe Sieg von Syriza bedeutet einen Bruch mit der etablierten Ordnung und ein Todesurteil für einige alte erstarrte Parteien. Er bringt einen frischen Windstoß für einen Kontinent, der neuen Atem schöpfen und sich neu erfinden muss. Man kann vernünftigerweise hoffen, dass (Syriza-Chef Alexis) Tsipras das tun wird, was (Präsident) François Hollande nach seiner Wahl nicht tun konnte oder wollte. Tsipras' Politik des Wiederaufschwungs und der Reformen der Institutionen kann vielleicht Erfolge bringen, wenn die Finanzmärkte ihm die Zeit lassen, sie durchzusetzen. Tsipras verdient eine Chance dort, wo alle anderen Politiker gescheitert sind.“
„Jetzt wird sich entscheiden, ob die neue griechische Regierung sich mit ihren Kreditgebern auf neuer Grundlage einigen kann. Ein erfolgreiches Ergebnis wird hauptsächlich von Deutschland abhängen, wo man immer noch meint, dass die Eurozone nur mit der finanzpolitischen Rechtschaffenheit weiterleben kann, die das Erdbeben in Griechenland herbeigeführt hat. Für (Bundeskanzlerin) Angela Merkel wird das nicht einfach sein. Es ist ja nicht nur Griechenland; die gesamte Eurozone braucht einen Neuanfang. Der Norden sollte endlich auf die Botschaft des Südens hören.“
„Die Wahl in Griechenland zeigt, dass die demokratischen Strukturen in Europa funktionieren. Sie erlauben den Sieg von nicht konventionellen Parteien. Griechenland bleibt ein Mitglied der europäischen Familie, auch wenn die neue Führung keinem der etablierten Lager der Konservativen und der Sozialdemokraten angehört.
Die EU-Verbündeten nehmen den Wahlausgang, auch wenn er ihnen nicht gefällt, als etwas Normales hin. Syriza wird als Regierungspartei die Interessen der Bürger so gut vertreten wie es geht. Die neue Regierung muss aber die internationalen Verpflichtungen einhalten. Sie darf den Steuerzahlern in den anderen EU-Ländern keinen Schaden zufügen und keine Angriffe auf die Stabilität der EU unternehmen.“
„Der Wahltriumph des Linksbündnisses hat auch politisch eine europäische Dimension. Er wird in den südeuropäischen Ländern jene Protestparteien beflügeln, welche die Sparpolitik bekämpfen. (Parteichef Alexis) Tsipras will nicht nur Griechenland retten, sondern den ganzen Kontinent verändern. Ihm schwebt ein Europa ohne Austerität vor. Der Wahlsieger hat der eigenen Bevölkerung trotz dem gewaltigen Schuldenberg viel versprochen. Die Erwartung ist groß, dass die neue Partei die alten Verkrustungen aufbrechen kann. Ob die Rezepte von Tsipras Linderung bringen werden, ist fraglich. Sie könnten das Land auch in ein noch größeres Elend stürzen.“
Allerdings geht Tsipras weiter auf Konfrontation. Er stellte klar, dass die neue Athener Regierung die Spar- und Reformprogramme, mit denen die europäischen Partner und der Internationale Währungsfonds (IWF) Griechenland vor der Pleite gerettet hatten, nicht verlängern, sondern neu aushandeln wolle. Eine Verlängerung bedeute eine „Ausweitung von Fehlern und Desaster“, sagte er. Die Partner bestehen hingegen darauf, dass Griechenland die Vereinbarungen einhält. Das Land hat rund 320 Milliarden Euro Schulden.
Der Regierungschef kündigte seinen Landsleuten außerdem die Erfüllung aller Wahlkampfversprechen, tiefgreifende Reformen, mehr soziale Gerechtigkeit sowie einen harten Kampf gegen Korruption und Steuersünder an. „Unsere oberste Priorität ist es gleich ab Mittwoch, die humanitäre Krise im Lande zu bewältigen“, sagte er. Der Mindestlohn solle beispielsweise schrittweise von 586 auf 751 Euro pro Monat steigen - was bisherigen Abmachungen widerspricht. Ein höheres Eintrittsalter in die Rente oder Rentenkürzungen lehnte Tsipras ebenso ab wie die Privatisierung von Versorgungsbetrieben, Teilen der Infrastruktur oder von Bodenschätzen. Privatisierungen sind allerdings Bestandteil der bisherigen Spar- und Reformprogramme, die Griechenland mit seinen Kreditgebern vereinbart hat.
Mittel für zusätzliche Ausgaben will die Regierung an anderer Stelle einsparen, beispielsweise durch Abschaffung von Dienstwagen sowie anderer Vergünstigungen für Staatsdiener. Tsipras ging auch auf ein Deutschland betreffendes Wahlversprechen ein. Seine Regierung werde von der Bundesrepublik Wiedergutmachung für Zerstörungen während des Zweiten Weltkrieges sowie die Rückzahlung eines Zwangskredits fordern, der Griechenland für die Besatzungskosten abgenötigt worden war. Berlin hat wiederholt signalisiert, dass die Reparationsfrage für Deutschland erledigt sei.
Die Regierungserklärung steht am Montag und Dienstag im griechischen Parlament zur Debatte. In der Nacht zum Mittwoch wird sich die Regierung einer Vertrauensabstimmung stellen. Tsipras wird am Montag in Wien erwartet. Die rot-schwarze Regierung der Alpenrepublik hatte sich in der Vergangenheit zurückhaltend gegenüber Griechenlands Wünschen nach Erleichterungen beim Schuldendienst geäußert.