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Sparkurs in Großbritannien ohne Alternative Retter dringend gesucht!

Putschgerüchte, ein angezählter Finanzminister und kein Ende der Wirtschaftsmisere. Für Premier Cameron wird es eng. Im Vereinigten Königreich sehnt sich die Bevölkerung nach einem Retter in der Not. Doch die Wachstumsprognose für 2013 wurde jetzt nach unten korrigiert.

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Im Vereinigten Königreich sehnt sich die Bevölkerung nach einem Retter in der Not, der das Land aus seiner wirtschaftlichen Misere führen kann. Quelle: REUTERS

Mission Nothilfe: Ein Transportflugzeug der Royal Air Force mit einer Million Euro an Bord hob gestern von Großbritannien in Richtung Zypern ab. Die Banknoten sind für britische Soldaten und Diplomaten gedacht, die auf der Mittelmeerinsel stationiert sind. Mit dem Geld sollen sie finanzielle Engpässe überbrücken, falls Geldautomaten und Kreditkarten nicht mehr funktionieren, teilte das britische Verteidigungsministerium mit. Schon vorher hatte Finanzminister George Osborne versichert, London werde "Menschen die unserem Militär oder unserer Regierung in Zypern dienen entschädigen", die von der kontroversen - und inzwischen vom zyprischen Parlament abgelehnten - Zwangsabgabe betroffen sein könnten.

Was die Briten an der EU stört
Mittelstand könnte beim Brexit-Referendum am 23. Juni den Ausschlag geben Quelle: dpa, Montage
Nationale IdentitätAls ehemalige Weltmacht ist Großbritanniens Politik noch immer auf Führung ausgelegt. London ist gewohnt, die Linie vorzugeben, statt sich mühsam auf die Suche nach Kompromissen zu begeben. „London denkt viel mehr global als europäisch“, sagt Katinka Barysch, Chefökonomin beim Centre for European Reform in London. Die Angst, von EU-Partnern aus dem Süden Europas noch tiefer in die ohnehin schon tiefe Krise gezogen zu werden, schürt zusätzliche Aversionen. Quelle: dpa
Finanztransaktionssteuer und Co.Die Londoner City ist trotz massiven Schrumpfkurses noch immer die Lebensader der britischen Wirtschaft. Großbritannien fühlt sich von Regulierungen, die in Brüssel ersonnen wurden, aber die City treffen, regelrecht bedroht. „Regulierungen etwa für Hedgefonds oder die Finanztransaktionssteuer treffen London viel mehr als jeden anderen in Europa“, sagt Barysch. Allerdings hatte die Londoner City in der Finanzkrise auch mehr Schaden angerichtet als andere Finanzplätze. Quelle: dpa
Regulierungen des ArbeitsmarktsGroßbritannien ist eines der am meisten deregulierten Länder Europas. Strenge Auflagen aus Brüssel, etwa bei Arbeitszeitvorgaben, stoßen auf wenig Verständnis auf der Insel. „Lasst uns so hart arbeiten wie wir wollen“, heißt es aus konservativen Kreisen. Quelle: dapd
EU-BürokratieDie Euroskeptiker unter den Briten halten die Bürokratie in Brüssel für ein wesentliches Wachstumshemmnis. Anti-Europäer in London glauben, dass Großbritannien bilaterale Handelsabkommen mit aufstrebenden Handelspartnern in aller Welt viel schneller aushandeln könne als der Block der 27. Die Euroskeptiker fordern auch, dass der Sitz des Europaparlaments in Straßburg (hier im Bild) abgeschafft wird und die Abgeordneten nur noch in Brüssel tagen. Quelle: dpa
MedienDie britische Presse ist fast durchgehend europafeindlich und prägt das Bild der EU auf der Insel. Das hat auch politische Wirkung. „Ich muss meinen Kollegen in Brüssel dauernd sagen, sie sollen nicht den 'Daily Express' lesen“, zitiert die „Financial Times“ einen britischen Minister. Quelle: dpa

Zugleich betonte der Finanzminister, der am Mittwoch seinen vierten Haushalt vorlegte, das abschreckende Beispiel Zypern mache deutlich, dass es in Großbritannien keine Alternative zu seinem strikten Sparkurs gebe. Für das Budget 2013/14 kündigte er weitere Kürzungen an. Geplant sei etwa, durch Einschnitte bei den Etats verschiedener Ministerien um rund ein Prozent in den kommenden beiden Jahren fast 2,5 Milliarden Pfund einzusparen. Mit diesem Geld könnten Mittel in öffentliche Investitionen und neue Infrastrukturmaßnahmen umgeleitet werden, so ein Sprecher von Premierminister David Cameron.

Dem Regierungschef steht das Wasser bis zum Hals. Innerhalb seiner eigenen Partei rumort es, in den konservativen Medien wird immer lauter über einen Putsch bei den Tories spekuliert. Denn bei den Hinterbänklern wächst die Angst vor dem Verlust hart umkämpfter Wahlkreise bei den nächsten Wahlen. Abgesehen von der miserablen Wirtschaftslage, die Cameron zum Vorwurf gemacht wird, halten viele Tories seinen liberalen Kurs bei der Homo-Ehe für einen großen Fehler. So bringen sich nicht nur der schillernde Bürgermeister von London, Boris Johnson, sondern auch einige farblose  Kabinettsmitglieder wie Innenministerin Theresa May und Verteidigungsminister Philip Hammond als mögliche Nachfolger in Stellung. Auch der schwarze Tory Adam Afriyie wird zunehmend als Herausforderer Camerons ins Spiel gebracht. Doch den kennt niemand, so dass er wohl nur als Strohmann für einen ernsteren Kandidaten gelten kann.

Fest steht: Camerons Beliebtheit bei den Wählern nimmt ab - sie fiel in den letzten Wochen auf nur noch 18 Prozent. Denn neue Meinungsumfragen zeigen, dass mittlerweile 58 Prozent der Briten den Sparkurs zum Abbau des Haushaltsdefizits als gescheitert ansehen und glauben, diese Strategie schade der ohnehin angeschlagenen Wirtschaft. Das Argument der oppositionellen Labour-Partei, dass sich ökonomische Lage wegen der Austeritätspolitik verschlechtert hat, findet immer mehr Anhänger. In den Meinungsumfragen liegt Labour deutlich und konstant vorne. Zwar finden die nächsten Wahlen erst im Mai 2015 statt. Würde aber dieser Tage im Königreich gewählt, wäre Labour-Chef Ed Miliband der Sieg sicher. Die rechte Splitterpartei UKIP, die vehement für einen Austritt Großbritanniens aus der EU wirbt, erfreut sich ebenfalls wachsender Popularität und nimmt der konservativen Partei immer mehr Wähler ab.

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